Berlin. Jörg Schüttauf ist einem Millionenpublikum aus dem „Tatort“ bekannt. Er spricht über seine Rolle als Honecker in „Vorwärts immer!“

Jörg Schüttauf (55) ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler, der in TV-Dramen wie in Komödien zu sehen ist. Ein Millionenpublikum erreichte er als Frankfurter „Tatort“-Kommissar Dellwo, den er von 2002 bis 2010 acht Jahre lang an der Seite von Andrea Sawatzki spielte. Schüttauf – verheiratet, eine Tochter – zeigt in der Kinokomödie „Vorwärts immer!“ in der Rolle als Erich Honecker seine große Verwandlungskunst.

Herr Schüttauf, was war Ihre erste Reaktion, als Sie das Angebot erhielten, diese Rolle zu übernehmen?

Jörg Schüttauf: Mein erster Gedanke war: Wie, um Gottes willen, kommt sie denn auf mich? Ich wäre nie auf die Idee gekommen. Ich hoffe, da gibt es auch keine Ähnlichkeit.

Wie genau haben Sie Honecker dann studiert?

Schüttauf: Ich wollte ihm tatsächlich so nah wie möglich kommen, wie das mit meinen Mitteln geht. Das ist gar nicht so einfach, ich bin ja nun etwas gedrungener als er, die ganze Körperhaltung und -form, bis hin zur Nase, hat ganz wenig mit Honecker zu tun. Ich habe natürlich die wenigen Videos geguckt, die es gibt, von den Parteitagen, wie man ihn eben kennt.

Lange gab es gar keinen Film über Honecker. Jetzt ist im Fernsehen gerade erst „Willkommen bei den Honeckers“ gelaufen. Woher, was glauben Sie, kommt plötzlich dieses erneute Interesse an ihm?

Schüttauf: Ich habe keine Ahnung. Dass das jetzt so aufeinander fällt, ist reiner Zufall. Unser Film hat ja viele Jahre gebraucht, bis er endlich finanziert werden konnte. Aber wann, wenn nicht jetzt? Meine jüngere Tochter weiß ja schon gar nicht mehr, wer Honecker gewesen sein soll.

Bei „Good Bye, Lenin!“ haben sich viele aufgeregt, dass die zentrale Rolle von einem Wessi gespielt wurde. Ist es wichtig, dass nun ein Ossi Honecker spielt? Sie sind in Karl-Marx-Stadt geboren.

Schüttauf: Leute, die sich über solche Sachen aufregen, interessieren mich nicht. Mir ist egal, wo jemand herkommt, wenn es gut gemacht ist.

Der Film spielt am 9. Oktober 1989. Sie waren zu dieser Zeit am Hans Otto Theater in Potsdam. Wie haben Sie die letzten Tage der DDR erlebt?

Schüttauf: Im Theater hat es immer einen gewissen Freiraum gegeben, da wollte man was verändern, wollte Wahrheiten auf der Bühne zeigen, hat zwischen den Zeilen gelesen. Deshalb waren die Häuser ja auch immer so voll! Wir durften meinen, was wir da spielten. Nicht unbedingt sagen, aber meinen. Und der Zuschauer hat’s verstanden.

Gab es eigentlich eine Stasi-Akte über Sie?

Schüttauf: Das war eines meiner traurigsten Erlebnisse. Es gibt wohl einen Ordner, sagte man mir auf meine Anfrage hin, aber der sei leer. In den Augen der Genossen war ich wohl nicht gerade der Staatsfeind Nr. 1.

Vermissen Sie Ihre Tatort-Rolle?

Schüttauf: Ich habe acht Jahre lang „Tatort“ gemacht. Das waren gute Jahre. Und das hat mich bekannter gemacht als die vier Grimme-Preise, die ich für Filme gekriegt habe, die keiner geguckt hat. Aber wissen Sie, ich wollte nicht ein Leben lang „Hände hoch! Die Waffe weg! Wo waren Sie denn am Donnerstag?“ sagen müssen, das ist nichts für mich. Und mir wurde dann auch gar nicht mehr viel anderes angeboten. Ich weiß nicht, ob das Schubladendenken war. Als „Tatort“-Kommissar hätte man mich sicher nicht gefragt, ob ich Honecker spielen will.