Cannes. Julianne Moore spielt in „Kingsman“ einen Bösewicht. Privat gibt sie sich bescheiden. Ein Gespräch über Schönheit und Erschöpfung.

„Wenn ihr weiter so laut tuschelt, dann müsst ihr auf die Straße.“ Welcher Hollywoodstar sagt das schon zu seinen Assistenten, die im Hintergrund des Interviews vor sich hin flüstern? Damit zeigt die Schauspielerin Julianne Moore (56) bei diesem Interview im Martinez Hotel von Cannes, dass sie ihre Ruhe haben will – aber sie zeigt es mit einem Lachen. Und dann spricht sie über ihre Schönheit, Partys und Erschöpfung.

Sie haben es offenbar genossen, den größenwahnsinnigen Bösewicht in „Kingsman: The Golden Circle“ (aktuell im Kino) zu spielen. Was von Ihrem eigenen Ego ist in diese Rolle eingeflossen?

Julianne Moore: Gar nichts. Abgesehen davon, dass ich gerne gepflegt herumlaufe. Ich hoffe, meine Person hat nie Einfluss auf eine Rolle. Mein Privatleben ist von meinen Figuren strikt getrennt. Es gibt auch nichts Extravagantes an mir. Das Verrückteste, was ich in meinem Leben gemacht habe, war, Schauspielerin zu werden.

Solche Rollen färben auch nicht auf Sie ab?

Moore: Oh nein. Ich versuche, in meinem Leben immer authentisch zu bleiben. Je älter ich werde, desto stärker ist dieses Bedürfnis. Meine Rollen existieren nur auf dem Papier und in der Geschichte. Die Leute sagen oft zu mir: „Sie können sich etwas einfallen lassen. Sie haben doch eine lebhafte Fantasie, mit der Sie jede beliebige Figur darstellen.“ Aber ich entgegne darauf: „Wenn ich kein Drehbuch als Grundlage habe, funktioniert das nicht. Ich kann niemanden aus dem Nichts erschaffen.“

Sie haben also ganz offensichtlich nicht ansatzweise die Neigung zum Größenwahn.

Moore: Ganz sicher nicht. Im Gegenteil, ich bete andere Leute an, die Außerordentliches leisten. Zum Beispiel Bildhauer. Denn sie müssen nicht nur eine Idee entwickeln, sondern diese auch noch physisch umsetzen. Sie verbringen endlose Stunden damit, einen massiven Gegenstand zu erschaffen, und ich bin immer zutiefst erstaunt, dass jemand so etwas fertigbringt. Bei mir ist das ganz einfach: Eins, zwei, drei, und eine Einstellung ist im Kasten. Aber in so einem Fall frage ich mich immer: Wie haben die das nur geschafft? So etwas ist ein absolutes Mysterium für mich.

Es gibt aber gleichzeitig viele Leute, die Sie anbeten. Für die sind Sie zum Beispiel ein Schönheitssymbol.

Moore: Das bin ich nur, weil mir viele andere Leute helfen. Letztlich liegt das nur an den Kleidungsstücken, die man mir bei solchen Terminen zum Anziehen gibt. Und das sind nicht einfach Kleider, sondern Kunstwerke, Theaterkostüme. Im realen Leben könntest du so etwas nicht anziehen. Und mein Alltag schaut anders aus. Meine Nachbarn kriegen mich garantiert nicht so zu sehen.

Sie sind doch sicher auch auf glamourösen Partys unterwegs.

Moore: Denken Sie. Ich habe längst nicht mehr das Stehvermögen für so etwas. Ich schaue, dass ich immer um zehn Uhr ins Bett komme, zumal ich meistens am nächsten Tag arbeiten muss. Ich führe ein ziemlich unscheinbares Leben in New York. Ich nehme die U-Bahn, wenn ich zu Meetings fahre oder meine Freunde treffe. Ich mache Yoga. Wenn ich nicht gerade drehe, geht’s bei mir sehr ruhig zu.

Aber können Sie sich noch daran erinnern, als Ihnen jemand zum ersten Mal Komplimente machte?

Moore: Da war ich in der neunten Klasse, ich hatte die Hauptrolle in einer Schulaufführung, und meine Eltern sagten ganz ausdrücklich, wie besonders hübsch ich aussah. Das hat großen Eindruck auf mich gemacht.

Ihre Tochter wohnt ja noch zu Hause, während Ihr Sohn inzwischen aufs College geht. Was hat sich dadurch verändert?

Moore: Ich habe einfach zu Hause nicht mehr so viel zu tun. Das kommt automatisch, wenn deine Kinder älter werden. In ihrer Kindheit bin ich ständig herumgehetzt.

Sie arbeiten oft bis zur Erschöpfung, hört man.

Moore: Selbst wenn ich zu Hause bin, finde ich immer etwas zu tun, ich arbeite an Drehbüchern, und ich verstehe nie, wie müde ich eigentlich bin.

Wie entspannen Sie sich?

Moore: Mein Mann und ich haben ein Strandhaus auf Long Island – ein ganz kleines, sodass wir da nicht viel Arbeit reinstecken müssen. Wenn ich dahin komme und mich hinlege, dann schlafe ich wie ein Stein. Mein Mann sagt immer: „Hat man dir eins übergezogen?“