Stuttgart. In Stuttgart begann am Dienstag der Prozess in Fall Großkreutz: Zwei Jugendliche geben zu, den Fußballstar verprügelt zu haben.

Es war ein heftiger Angriff mit einem prominenten Opfer. Kevin Großkreutz (29), Fußballprofi und Teil des Weltmeisterkaders von 2014, wird nachts mitten in Stuttgart krankenhausreif geschlagen – diese Nachricht sorgte Ende Februar weit über die Fußballszene hinaus für Aufregung. Nun müssen sich die beiden Angreifer wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten: Die 17 und 18 Jahre jungen Angeklagten haben zum Prozessauftakt Geständnisse abgelegt.

Großkreutz lag schon am Boden – dennoch trat der 17-Jährige zu

Ihre Anwälte schilderten, wie die Jugendlichen die Nacht auf den 28. Februar erlebt hatten. Die Verteidiger berichteten von einer kleineren Rangelei, die schließlich eskaliert sei. Sowohl der 17- als auch der 18-Jährige seien alkoholisiert gewesen. Als eigentlich schon alles vorbei war, sei plötzlich Großkreutz „wild gestikulierend und schreiend“ auf sie losgestürmt. Es seien Beleidigungen wie „du Hurensohn“ gefallen, bezeugte ein damaliger Begleiter der Täter.

Der 18-Jährige erklärte, er habe Großkreutz dann ins Gesicht geschlagen. Daraufhin stürzte Großkreutz, schlug mit dem Hinterkopf auf dem Pflaster auf. Der frühere Nationalspieler lag schon am Boden, als der 17-Jährige ihm gegen den Kopf trat, wie dieser zugab. Großkreutz verlor das Bewusstsein und musste in einer Klinik behandelt werden.

Der Fußballstar trat vor Gericht nicht auf

Der Spieler bekam von den Geständnissen nichts mit. Wider Erwarten blieb er dem Stuttgarter Amtsgericht fern – aus gesundheitlichen Gründen, wie er übermitteln ließ. So entging ihm die Chance, sich selbst zu der Nacht zu äußern, die sein Leben veränderte.

Kurz nach dem Eklat löste sein damaliger Verein, der VfB Stuttgart, den Vertrag mit dem Publikumsliebling auf. Die Boulevardpresse hatte nach der Prügelei enthüllt, warum Großkreutz überhaupt gegen zwei Uhr nachts unterwegs war: Der Verteidiger sei mit einigen minderjährigen Jugendspielern des VfB in einem Bordell im Stuttgarter Rotlichtviertel gewesen. Zu diesem Zeitpunkt kümmerte sich seine Freundin zuhause um ihr gemeinsames, drei Monate altes Kind.

Eine Entschuldigung unter Tränen

Nach seinem Rauswurf entschuldigte sich Großkreutz in einer ergreifenden Pressekonferenz: „Ich habe einen Fehler gemacht, der mir sehr leid tut“, sagte er unter Tränen und mit sichtlich ramponiertem Gesicht. Der zweimalige Deutsche Meister kündigte seinen vorübergehenden Rückzug aus dem Profifußball an. „Ich habe mich mit dem Verein identifiziert. Trotzdem ist es jetzt so gekommen. Ich kann mich dafür nur entschuldigen.“ Vereinslos und mit dem Makel des schlechten Vorbilds kehrte Großkreutz zurück in seine Heimatstadt Dortmund.

In der medialen Aufregung ging ein wenig unter, dass Großkreutz keineswegs Täter war, sondern Opfer einer Gewaltattacke. Seine Entlassung in Stuttgart empfanden viele Fans daher als ungerecht. Kevin Großkreutz wurde zum Verhängnis, dass ihm schon vorher das Image eines Rüpels anhaftete, der keinem Handgemenge aus dem Weg geht.

Schon mit Dönerwurf und Pinkelaffäre im Mittelpunkt

Zu seiner Zeit bei Borussia Dortmund warf er einmal während eines nächtlichen Ausflugs nach Köln einen Döner in Richtung eines Passanten. Der erstattete Strafanzeige. Großkreutz sagte hinterher, er habe sich beleidigt gefühlt. Wenig später stand Großkreutz im Mittelpunkt der sogenannten Pinkelaffäre. Nachdem Dortmund das Pokalfinale 2014 gegen Bayern München verloren hatte, soll er volltrunken in die Lobby eines Berliner Hotels uriniert haben. Nach der Entlassung in Stuttgart war sein Ruf vollends ruiniert.

Inzwischen erlebt Großkreutz wieder bessere Tage. Er hat einen neuen Verein gefunden, spielt jetzt beim Zweitligisten Darmstadt 98. Auch seine Freundin scheint ihm verziehen zu haben, jedenfalls veröffentlicht er in den sozialen Netzwerken gemeinsame Bilder. Ob er demnächst doch noch vor Gericht erscheint, um seine Sicht der Dinge darzustellen, ist unklar. Das Gericht hat vier Verhandlungstage angesetzt. (mit dpa)