Seit 30 Jahren erklärt Gunther Tiersch im ZDF das Wetter. Doch schon davor war er sehr erfolgreich – und holte sogar eine Goldmedaille.

Natürlich weiß er noch, wie das Wetter war an jenem 19. Oktober 1968 in Mexiko-Stadt. „Sonnig und trocken. Dazu ein leichter Wind von hinten.“ Ein Wetterverrückter ist dieser Gunther Tiersch (63), könnte man meinen.

Seit 30 Jahren erklärt er den ZDF-Zuschauern nach den Abendnachrichten, ob man morgen einen Regenschirm oder eine Sonnenbrille braucht. Und doch liegt es nicht nur an dieser Leidenschaft, weshalb jener Oktobertag vor fast 50 Jahren so wichtig ist.

Denn Gunther Tiersch hatte bereits eine Karriere vor dem Fernsehen. Ein Leben vor dem Wetter sozusagen. Der damals 14-Jährige gewann die olympische Goldmedaille im Rudern. Als Steuermann lenkte er den deutschen Achter zum Sieg.

Gunter Tiersch war in der „Bravo“

Tiersch stammt aus Ratzeburg, einer idyllischen Kleinstadt in Schleswig-Holstein, gelegen auf einer Insel mitten im See. In den 1960er-Jahren war Ratzeburg so etwas wie die Ruderhauptstadt Deutschlands. Einer seiner Nachbarn gehörte zum Team und sprach den schmächtigen Gunther an – ob er nicht mal mitrudern wolle. Denn ein Steuermann musste vor allem eines sein: leicht. 50 Kilo war die Grenze. „So kam ich da irgendwie rein“, sagt Tiersch heute.

Knapp drei Jahre gehörte er zur Mannschaft, gewann Titel und reiste um die Welt. „Das war damals so, als würde man heute ins Weltall fliegen.“ Selbst die Jugendzeitschrift „Bravo“ widmete ihm eine Serie. Gunther Tiersch, der Kinderstar. „Eine aufregende Zeit“, sagt er, für die er aber auch auf einiges verzichtete. In der Schule musste er ein Jahr wiederholen, „und für Freunde hatte ich damals auch keine Zeit. Das ist schade im Nachhinein.“ Auf ausschweifende Partys mit seinen älteren Teamkameraden verzichtete er auch. „Wenn es mir zu wild wurde, hab ich mich nach Hause bringen lassen“, erzählt er.

Und doch gab es damals etwas, das den jungen Sportler mehr begeisterte als der Sport. „Mich haben Fragen interessiert wie: Gefriert Wasser bei null Grad, oder taut es?“ Im elterlichen Garten baute Tiersch eine Wetterstation, und als er zu schwer für den Job als Steuermann wurde, war die Sportkarriere vorbei. Stattdessen ging er später nach Berlin, um Meteorologie zu studieren – bis hin zum Doktortitel.

Die Goldmedaille liegt irgendwo im Safe

Das Fernsehen hat ihn damals kaum interessiert. „Das war mir eigentlich zu blöd. Aber weil ich auch nicht wusste, wo ich hinsoll, bin ich eben mal zu einem Casting gegangen.“ Ab 1987 schließlich moderierte Tiersch das Wetter nach dem „heute-journal“ und leitet die Wetterredaktion des ZDF.

Olympiasieger, Doktortitel, Fernsehstar – Gunther Tiersch hat viel erreicht in seinem Leben. Doch schon die Frage danach ist ihm unangenehm. „Na ja“, zögert er, „ich sehe das eigentlich nicht so.“ Er freue sich, wenn Menschen ihn erkennen und nach dem Wetter fragen. „Das kommt immer.“ Und die Goldmedaille? „Die liegt irgendwo im Safe. Die muss ich mir auch nicht immer ansehen.“ Doch zumindest die alten „Bravo“-Ausgaben hat er aufgehoben.

Zwei Jahre wird er den Zuschauern noch erhalten bleiben. Dann beginnt das Leben als Rentner. Der Gedanke daran quält ihn jetzt schon ein bisschen. Von einem Tag auf den anderen nicht mehr in den Sender fahren? Für Tiersch ein Albtraum. „Ich würde mir einen gleitenden Übergang wünschen und keinen Bruch von heute auf morgen.“ Und auch seiner Frau wolle er schließlich nicht nur auf die Nerven gehen.

Im nächsten Jahr gibt es dann ein Wiedersehen mit dem Olympia-Achter von 1968. Und vielleicht setzt sich Gunther Tiersch dann auch noch mal ins Ruderboot. „Das letzte Mal ist, glaube ich, auch schon 18 Jahre her.“