Berlin. Oscarpreisträgerin Charlize Theron spricht in unserem Interview über Frauen in Action-Movies,echte Mauern und Mauern in den Köpfen.

Die in Südafrika geborene Hollywood-Schauspielerin Charlize Theron scheint neuerdings ein Faible für Action-Filme zu haben. Nach „Mad Max: Fury Road“ und „Fast & Furious 8“ ist sie jetzt mit dem ultraharten Spionage-Thriller „Atomic Blonde“ zu sehen: als britische Geheimagentin, die selbst James Bond das Fürchten lehren würde.

Davon will die 41-Jährige allerdings nichts wissen: „Ich hatte nie die Absicht, einen weiblichen James Bond zu geben. Ich wollte einfach zeigen, dass Frauen auch cool sein können – und absolut tödlich“, lacht sie und träufelt etwas Honig in ihren Tee. Zum Interview in ein Berliner Hotel kommt sie in einer weißblau gestreiften Bluse, dazu ein weißer Mikro-Minirock und schwarze Pumps. Ihre rotlackierten Nägel passen perfekt zum Lippenstift.

„Atomic Blonde“ spielt am Vorabend des Berliner Mauerfalls. Erinnern Sie sich noch daran, wo sie am 9. November 1989 waren und was Sie da gemacht haben?

Charlize Theron: Ich war damals ein junges Mädchen und lebte noch in meiner Heimat Südafrika. Aber der Mauerfall war natürlich ein Ereignis, über das in Südafrika sehr viel geredet wurde. Besonders für ein Land wie Südafrika war die Öffnung der Berliner Mauer von ganz besonderer Bedeutung. Wir hatten zwar keine Mauer aus Stein, mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen, aber wir hatten die Apartheid – also die Mauer in den Köpfen. Diese schreckliche Idee, dass man Menschen voneinander trennen kann, war also auch in meinem Bewusstsein schon fest verankert. Bei uns in Südafrika gab es keinen Todesstreifen, aber Schilder wie „Nur für Weiße“. Als ich dann als Teenager die Fotos gesehen habe, wie ihr Deutschen den Fall der Mauer gefeiert habt, hat mich das tief berührt.

Eine Szene in „Atomic Blonde“: Die erfahrene Spionin Lorraine Broughton (Charlize Theron, l.) trifft die verführerische französische Agentin Delphine (Sofia Boutella) .
Eine Szene in „Atomic Blonde“: Die erfahrene Spionin Lorraine Broughton (Charlize Theron, l.) trifft die verführerische französische Agentin Delphine (Sofia Boutella) . © dpa | Jonathan Prime

Als wenige Monate später in Ihrer Heimat Südafrika die Rassentrennung abgeschafft wurde…

Theron: … haben wir natürlich auch in den Straßen getanzt. Besonders gefreut hat mich, dass Nelson Mandela nach fast 28 Jahren Gefängnis dann endlich freigelassen wurde. Solche epochalen Momente prägen sich tief ins Bewusstsein ein. Allerdings war mir auch sehr früh klar, dass es sehr darauf ankommt, was danach geschieht.

Im Film gibt es viele extrem harte Kampfszenen. Stimmt es, dass Ihnen dabei zwei Zähne ausgeschlagen wurden?

Theron: Ja, und nicht nur das. Nach dem Training und dem Dreh der Kampfszenen im Film habe ich sogar Fotos von meinem Körper gemacht, die alle Blutergüsse, Blessuren, Prellungen und blauen Flecken zeigen. Zu Beginn des Trainings konnte ich es kaum fassen, wie groß und wie tief diese Verletzungen waren. Ich sah aus, als hätte mich ein Bus überfahren.

Dieses martialische Frauenbild, das Sie als britische Geheimagentin abliefern, scheint derzeit im Trend zu liegen. Nach „Wonder Woman“ jetzt „Atomic Blonde“, und bald kommt Jennifer Lawrence als russische Spionin „Red Sparrow“ ins Kino. Gilt es da etwa Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren?

Theron: Das sehe ich nicht so. Es geht mir auch nicht um sinnlose Gewaltdarstellungen oder gar um Gewalt gegen Frauen. Hier üben Frauen Gewalt aus, sind also beileibe keine Opfer!

Auch Sex setzen Sie im Film sehr effektiv als Waffe ein.

Theron: Ja, und zwar lesbischen Sex! Na und? Die Sex-Szenen im Film hätte ich auch weglassen können. Aber ich mochte sie. Ich fand sie ziemlich erotisch. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich in einem Film Sex mit einer Frau habe. Sie erinnern sich an „Monster“?

In „Atomic Blonde“ spielt Charlize Theron die Spionin Lorraine Broughton, als weiblicher James Bond will die Schauspielerin aber nicht gesehen werden.
In „Atomic Blonde“ spielt Charlize Theron die Spionin Lorraine Broughton, als weiblicher James Bond will die Schauspielerin aber nicht gesehen werden. © dpa | Jonathan Prime

Natürlich. Dafür bekamen Sie den Oscar als Beste Hauptdarstellerin. Für die Rolle der Prostituierten, die zur Mörderin wird, haben Sie sich damals fast 30 Pfund angefuttert. Für Ihren neuesten Film „Tully“ (ab 2018 in den Kinos) brachten Sie auch wieder ein paar Kilo mehr auf die Waage. Wollen Sie etwa Robert de Niro den Rang im „Method Acting“ ablaufen?

Theron: Quatsch. Aber manche Rollen verlangen eben diesen vollen Körpereinsatz. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das Abnehmen machte mir diesmal extrem zu schaffen. Bei „Monster“ war ich Ende zwanzig und habe die überflüssigen Pfunde relativ schnell wieder wegbekommen. Mit Anfang vierzig ist das eine ganz andere Sache. Zuerst konnte ich überhaupt kein Gewicht verlieren, dann ging alles nur sehr, sehr langsam. Und der viele Zucker, den zuvor ich mit all den Donuts und Cupcakes in mir aufgenommen hatte, stürzte mich tatsächlich in eine ausgewachsene Depression.

Geärgert haben Sie sich oft über die Gagen in Hollywood. Haben Sie das Gefühl, dass Sie die gleich hohen Gagen bekommen wie Ihre männlichen Kollegen?

Theron: Gut, dass Sie mich das fragen. Auch ich habe meine Gage gelegentlich nachverhandelt, weil ich eben fair bezahlt werden will. Es geht hier aber nicht um mich. Ich bin nämlich in der privilegierten Lage, diese höheren Gagen fordern zu können. Die meisten meiner Kollegen in Hollywood sind nicht in dieser Position. Und diese Diskussionen sind es, die wir führen müssen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es geht um die Frauen, die sich in der Filmindustrie krumm arbeiten, sehr oft für viel zu wenig Lohn. Sie können nicht einfach hinschmeißen. Denn sie haben meist Kinder und müssen eine Familie ernähren. Wenn es nur um mich ginge, würde ich mich fast schämen. Denn ich bin durch meine Arbeit über die Jahre reich und unabhängig geworden.

Haben Sie eine Lebensphilosophie, die Sie in ein paar Sätze packen können?

Theron: Ich glaube, dass sich das Leben immer wieder verändert. Außerdem weiß ich, dass ich ständig darum kämpfen muss, wenn ich Glück, Liebe und Seelenfrieden erfahren will. Meine Prioritäten sind nicht immer gleich. Mal steht mein Job im Vordergrund, mal ist mir meine Familie am wichtigsten oder mein Partner. Alles in allem ist das Leben doch eine spirituelle Reise.