London. Von Heidelberg nach Hollywood: Michael Fassbender über Schicksal, gefährliche Hobbys und seine sehr sonderbare Zeit als Barkeeper.

Die Grundausstrahlung von Michael Fassbender: ein wenig burschikos, ein wenig schelmisch und unverblümt offen. Aber gleichzeitig wirkt der 40-jährige Deutsch-Ire ein wenig gehetzt und gestresst. Denn sein Arbeits- und Interviewpensum ist hoch. Dabei würde er nichts lieber tun als sich auf sein Motorrad schwingen und mit hohem Tempo über die Landstraßen jagen.

Sie haben derzeit gleich zwei Filme in den Kinos – den neuen „Alien – Covenant“ und das Melodram „Song to Song“. Wollten Sie nicht eine Spur kürzertreten?

Fassbender: Habe ich auch schon gemacht. Aber manchmal landen einfach Projekte in meinem Schoß, zu denen ich nicht Nein sagen kann. Andererseits gibt es auch andere Prioritäten in meinem Leben, denen ich mich widmen muss.

Zum Beispiel?

Fassbender: Surfen! Es wird endlich Zeit, dass ich da besser werde. Ich bin’s auch schon. Früher war ich auf dem Brett ein ziemlich lächerlicher Anblick ab. Inzwischen werde ich mit Wellen fertig, die höher sind als ich.

Sie haben keine Angst?

Fassbender: Ich weiß, dass ich nicht unverletzlich bin. Aber ich zerbreche mir nicht wirklich den Kopf über so etwas. Wenn du um dein Leben fürchtest, dann heißt das, dass du langsam alt wirst.

Ihnen ist also nie etwas wirklich Gefährliches passiert?

Fassbender: Doch, schon. Ich hatte einige sehr brenzlige Situationen beim Motorradfahren, wo ich bei hoher Geschwindigkeit von Autos eingekeilt war, einmal geriet ich beim Schwimmen in hohe Wellen und wäre fast ertrunken. Aber ich sehe das eher fatalistisch. Wenn es so weit ist, dann ist es so weit.

In „Song to Song“ spielen Sie einen Musikproduzenten. Persönlich mögen Sie Heino?

Fassbender: Heino? Wer hat das gesagt?

Sie selbst – in einem früheren Interview.

Fassbender: Sie dürfen nicht alles ernst nehmen, was ich so von mir gebe. Also – das war ein Scherz. Wenn es um deutsche Musik geht, dann stehe ich eher auf Kraftwerk. Ich habe auch grundsätzlich ein großes Faible für Heavy Metal. Als Jugendlicher war mein Lebensziel, Gitarrist in so einer Band zu werden. Bis ich dann merkte: Ich kann so lange üben, wie ich will, ich werde nie so gut sein wie die Leute, die richtiges Talent dafür haben. Passenderweise habe ich in der Zeit auch die Schauspielerei für mich entdeckt. Das fühlte sich viel richtiger an.

Aber Sie waren auch mal Barkeeper. Ist das richtig? Gearbeitet haben Sie damals für 3,29 Pfund die Stunde.

Fassbender: Korrekt.

Würden Sie jetzt noch einen guten Drink hinbekommen?

Fassbender: Ich denke schon. Ein bisschen eingerostet bin ich zwar, aber ich glaube, dass ich ziemlich schnell wieder das Gespür dafür hätte. Bei Dinnerpartys würde ich mich schon gut schlagen.

Was ist die wichtigste Eigenschaft eines guten Barkeepers?

Fassbender: Er muss sich für Menschen interessieren, sie lieben. Denn der Schlüssel dieses Jobs ist es, auf die unterschiedlichen Charaktere einzugehen. Jeder hat seinen individuellen Drink, der zu seiner Kleidung und seiner Persönlichkeit passt. Auf diese Weise entwickelst du eine gute Menschenkenntnis. Auch deshalb, weil die Leute es lieben, mit Barkeepern zu sprechen. Es heißt ja nicht umsonst „In vino veritas“. Nach ein paar Drinks öffnen sie sich dir gegenüber. Meine Bar war in einer Gegend mit lauter Büros. Wenn die Leute kurz nach Arbeitsschluss kommen, dann zeigen sie noch ihre Büropersönlichkeit, und zwei Stunden später ist aus ihnen ein komplett anderer Mensch geworden.

Was für spannende Geschichten haben Sie denn so gehört?

Fassbender: Ich kann mich nicht erinnern. Aber selbst wenn ich es täte, ich würde das ungern erzählen, weil alles vertraulich war. Ich war da so etwas wie ein Priester. Ich kann nur sagen, dass ich da einige interessante Angebote bekam.

Für was? Geschäfte? Sex?

Fassbender: In jeder Hinsicht. Eine Bar ist schon ein sehr komischer Ort.

Vermissen Sie die Zeit?

Fassbender: Nein. Absolut nicht. Ich habe das so viele Jahre gemacht, und mein einziger Gedanke war: Gott, wann bekomme ich endlich die Chance, mich als Schauspieler zu beweisen? Das war das Einzige, was ich wirklich wollte und liebte.

Aber woran liegt das eigentlich, dass Sie einen so privilegierten Status erreicht haben? Ist das Schicksal? Oder Können?

Fassbender: Ich denke schon, dass unser Leben von unserer Geburt an vorherbestimmt ist. Andererseits richte ich mich nicht danach. Das heißt, ich lehne mich nicht zurück und denke mir: Das fügt sich schon alles. Ich arbeite hart, ich investiere viele Stunden. Denn mein Job ist nun mal meine Leidenschaft. Dass ich es aber letztlich geschafft habe, liegt daran, dass ich die richtigen Leute getroffen habe, die mich gefördert haben, wie meinen Schauspiellehrer. Das hat 95 Prozent meiner Karriere ausgemacht.