London. Vanessa Redgrave ist die große Dame des britischen Kinos. Immer wieder schlug sie mit ihrem Eifer Wellen. Jetzt wird sie 80 Jahre alt.

Sie hat feine Gesichtszüge, ozeanblaue Augen, dazu die Eleganz der britischen Oberschicht. Doch auch nach ihrem 80. Geburtstag, den sie am Montag feiert, hat diese Lady anderes mit ihrem Leben vor, als Teestunden abzuhalten. Vanessa Redgrave, Oscarpreisträgerin, Unicef-Botschafterin, Matriarchin der berühmten Schauspielerdynastie, gilt als unbequeme Aktivistin.

„Ich lebe in einer Zeit, in der es Frauen nicht verboten ist, ihren Kopf zum Denken und ihren Mund zum Sprechen zu benutzen“, sagte Redgrave. Von beiden Möglichkeiten macht sie gerne Gebrauch. Sie mischt in Debatten von Flüchtlingskrise bis Nahost-Konflikt mit.

„Blow up“ machte Vanessa Redgrave zum Star

Ihr Großvater, der Stummfilm- und Theaterstar Ron Redgrave, gründete ihren Clan. Ihr Weg schien vorgezeichnet. „Heute Abend ist eine große Schauspielerin geboren“, verkündete Laurence Olivier ihre Geburt während einer „Hamlet“-Aufführung, bei der er zusammen mit Vater Michael Redgrave auf der Bühne stand.

Und so war es dann wirklich. „Blow up“ hieß der Film, mit dem Redgrave 1966, nach Erfolgen beim Theater und ersten Filmen, zum Star wurde. Der Kultstreifen ist ein Sittenbild der Swinging Sixties voller Pop, Chic und Sex.

Mit Polizeischutz zur Oscarverleihung

Weit über 100 Filme hat sie gedreht, viele Literaturverfilmungen, aber auch Blockbuster. Sechsmal war sie für den Oscar nominiert. 1978 gewann sie die Trophäe als beste Nebendarstellerin für ihre Darstellung einer jüdischen Widerstandskämpferin in dem Drama „Julia“ mit Jane Fonda in der Titelrolle.

Zur Oscarverleihung musste sie unter Polizeischutz kommen – vor dem Kino hatten sich jüdische Demonstranten versammelt, die gegen Redgrave protestierten. Denn die hatte Sympathien für die PLO bekundet und in einer Doku einen freien Staat für Palästinenser gefordert.

Vanessa Redgrave hielt berüchtigte Oscarrede

In ihrer Dankesrede rief Redgrave zwar zum Kampf gegen Antisemitismus auf, beschimpfte die Protestler aber auch als „einen Haufen zionistische Gangster“, von dem sie sich nicht einschüchtern lassen werde. Es ist eine der berüchtigtsten Oscarreden in der Geschichte der Preisverleihung.

Denn das war die andere Seite der kultivierten und vorgeblich freigeistigen Redgrave. In ihren Ansichten zu Nordirland-Politik, Vietnamkrieg oder atomarer Aufrüstung wirkte sie oft halsstarrig und kompromisslos, überschritt manchmal die Grenze zum Fanatismus. „Mutter Courage“, nannten Kollegen sie, mal bewundernd, mal lästerlich, denn mit ihrer Haltung machte sie sich für Hollywood eigentlich unmöglich.

Mit 69 heiratete sie ihre große Liebe Franco Nero

Die schlimmsten Monate ihres Lebens begannen für Redgrave 2009: Ihre 45-jährige Tochter Natasha Richardson, selber gefeierte Schauspielerin, verunglückte beim Skifahren. Deren Ehemann Liam Neeson („Schindlers Liste“) zog die beiden kleinen Kinder fortan alleine auf. Anfang 2010 erlagen Redgraves Schwester Lynn und ihr Bruder Corin einem Krebsleiden. Ihrem Schmerz versuchte sie positive Seiten abzugewinnen: „Wenn du Menschen verlierst, die du liebst und bewunderst, dann trauerst du und genießt gleichzeitig die Erinnerungen.“

Ein Happy End gab es zwischen ihr und ihrer großen Liebe Franco Nero („Django“). Den italienischen Westernhelden lernte sie kennen, nachdem ihre Ehe zum bisexuellen Regisseur Tony Richardson gescheitert war. Nach der Geburt von Sohn Carlos 1969 zerbrach die Liebe – und doch kamen die beiden nie voneinander los. Silvester 2006 heirateten sie. „Weil wir eigentlich nie getrennt waren“, erklärt sie ihre Beweggründe. „Das wollten wir feiern.“