Essen. Einst sorgte sie mit Nacktszenen, dem Stöhnsong „Je t’aime“ und ihrer Liebe zu Serge Gainsbourg für Schlagzeilen. Jetzt wird sie 70.

Manchmal landen Außenseiter die größten Treffer: Das gelang Jane Birkin mit dem Skandalsong „Je t’aime … moi non plus“. Eigentlich hatte Chansonnier Serge Gainsbourg den vertonten Liebesakt bereits mit seiner Verflossenen Brigitte Bardot aufgenommen, doch die machte einen Rückzieher – aus Rücksicht auf ihren Ehemann Gunter Sachs. Also stöhnte Gainsbourgs neue Freundin Jane Birkin 1969 den Part der Bardot neu ein – es entstand die Hymne der sexuellen Revolution.

In diesen Tagen, wo Popstars wie Rihanna über Sadomasosex singen, wirkt das Duett unschuldig, geradezu zärtlich – damals war es ein Skandal. Papst Paul VI. verdammte das Lied öffentlich und machte es so nur noch berühmter. Am Mittwoch feiert Jane Birkin ihren 70. Geburtstag. Ihren Durchbruch hatte die Tochter eines Marinekommandanten und einer Schauspielerin als 19-Jährige in dem Kultfilm der Swinging Sixties, „Blow-up“ – sie war hauptsächlich nackt zu sehen.

Rätselhafte Lolita im Erotikthriller „Swimming Pool“

In noch einem beispielhaften Film der 60er spielte die Londonerin mit: Im Erotikthriller „Swimming Pool“ mit Alain Delon und Romy Schneider brachte sie als rätselhafte Lolita Unruhe in einen Paarurlaub in Saint-Tropez. Mit ihrem androgynen Aussehen à la Twiggy oder Mia Farrow und ihrem unaufgeregten Stil – Ponyfrisur und kaum Make-up, Minirock oder Jeans, T-Shirts oder weiße Hemden – entsprach Birkin dem Zeitgeist.

Eine Abkehr von den bisherigen Sex-Göttinnen Brigitte Bardot, Sophia Loren oder Jane Fonda mit ihren Mähnen und Dekolletés. Der Wirbel habe sie verunsichert, sagte Birkin später der „Zeit“. „Andererseits mochten mich die Leute ja, ich war nie so eine gefährliche Frau wie die Bardot, ich war nie perfekt, und ich blieb bei meinem Mann. Ich war kein Risiko. Die Bardot schon, die nahm sich die Männer anderer Frauen.“

Leidenschaft, Partys und Streits

Jane Birkin bei einem Auftritt im Jahr 2012.
Jane Birkin bei einem Auftritt im Jahr 2012. © dpa | Anos Marjai

Bei dem Dreh zum Liebesfilm „Slogan“ lernte sie 1969 den 18 Jahre älteren Gainsbourg kennen, Frankreichs bekanntesten Freigeist. Birkin war da bereits geschieden vom Komponisten John Barry und Mutter einer Tochter. „Ich fand Serge anfangs furchtbar arrogant und unverschämt.“ Zwölf Jahre dauerte die Beziehung voller Leidenschaft, Partys und Streits. Einmal stürzte sie sich sogar in die Seine. Halb so dramatisch: „So etwas passiert einfach, wenn man stockbesoffen ist.“

In den 70ern drehte sie mit „Don Juan 73“ (als Bardots Liebhaberin) oder „Je t’aime“ (mit Gainsbourg) zwei Skandalfilme, aber auch Komödien mit „Tollpatsch“ Pierre Richard. In den 80ern wurde das Hippie-Kind dann Namensgeberin der exklusiven Birkin Bag (ab 6000 Euro, Wartezeit ab sechs Monate). Im Flugzeug hatte sich Birkin bei Hermès-Chef Jean-Louis Dumas darüber beschwert, dass Handtaschen immer viel zu klein seien. Noch im Flieger kritzelte Dumas einen Entwurf auf eine Serviette.

Birkin leidet an Autoimmunkrankheit

In den letzten Jahren schlug das Schicksal zu. 2013 stürzte sich ihre Tochter Kate aus dem Fenster ihrer Pariser Wohnung. Die 46-jährige Fotografin war depressiv. Birkin selbst leidet an einer Autoimmunkrankheit, nimmt die Ärzte-Odyssee aber mit Humor und schwärmt vom attraktiven Klinikpersonal. Zwei Kinder sind ihr geblieben, Charlotte Gainsbourg und Lou Doillon, beide ebenfalls als Sängerin und Schauspielerin erfolgreich.

Seit Jahren lebt die vierfache Großmutter zurückgezogen in ihrem Haus in der Bretagne. Fernweh hat sie nicht. „Das einzige Land, in das ich gern zurückkehren würde, ist meine Kindheit“, sagte sie. Diesen Sommer zeigte sie sich beim Filmfest in Locarno. Sie wolle ihr Gesicht nicht mehr auf der Leinwand sehen, erklärte sie da. Es sei denn, und da schlägt immer noch ihr altes Hippie-Herz, „jemand überzeugt mich mit einer verrückten Idee“.