Berlin. Veronica Ferres spielt im Film „Salt and Fire“ eine Wissenschaftlerin in Bolivien. Im Interview erzählt sie von Strapezen beim Dreh.

Veronica Ferres (51) war das „Superweib“ und lange nicht aus dem Fernsehen wegzudenken. Doch dann wurde es ruhiger um die Schauspielerin, die mit vielen Preisen ausgezeichnet, deren Talent jedoch häufig angezweifelt wurde. Jetzt ist sie neben Hollywoodstar Michael Shannon die Hauptdarstellerin im Umwelt-Thriller von Werner Herzog (74) „Salt and Fire“, in dem sie eine Wissenschaftlerin spielt. Petra Koruhn sprach mit Veronica Ferres über die Arbeit, Kritiken und ihre Rolle als Mutter.

Hallo, Frau Ferres, endlich erreich ich Sie. Ist ja richtig viel los bei Ihnen.

Ja, hier ist die Hölle los. Es tut sich gerade so viel. Es ergeben sich neue Shows, neue Termine. Ich muss schnell entscheiden, was ich annehme.

Keine Zeit, mal zu verschnaufen nach so einem Film?

Jetzt noch nicht.

Sind Sie ein Arbeitstier?

Sagen wir so: Ich bin der glücklichste Mensch, wenn ich am Drehort bin.

Das heißt für Sie, auch mitten in der Nacht fit zu sein.

Klar. Das muss ja so sein. Ab 4.30 Uhr stand ich am Set.

Das war doch sicher eine ziemliche Überraschung, als Herzog Sie für seinen Film gewinnen wollte. War es so, dass Sie ans Telefon gingen, und da war er plötzlich dran?

Nicht ganz.

Sie haben ihn angerufen?

Nein. Noch anders.

Jetzt bin ich gespannt.

Es war ganz verrückt. Ich hatte am Abend, bevor ich den Flieger zum Deutschen Filmpreis nehmen wollte, ein extrem schlechtes Drehbuch gelesen. Und weil ich mich mit guter Literatur trösten wollte, habe ich das Buch „Vom Gehen im Eis“ von Werner Herzog bei mir im Regal entdeckt. Ich hab es in meine Handtasche gepackt und mitgenommen. Und im Flieger schau ich auf einmal hoch und sehe Werner Herzog, wie er sich mit einer schönen Blondine, seiner Frau Lena, in die erste Reihe setzt. Mein Gott, ich wollte so gern ein Autogramm von ihm haben. Aber traute mich nicht so recht. Da sagte meine Agentin: Jetzt geh hin, den triffst du doch nie wieder.

Sie gingen dann also hin.

Ja genau.

Was haben Sie gesagt?

Ich habe gesagt: „Herr Herzog, entschuldigen Sie bitte, dass ich sie störe.“ Er grummelte ein bisschen. „Mein Name ist Veronica Ferres.“ Da guckt er hoch und sagte: „Sie habe ich schon lange auf dem Radar.“ Etwa zwei Monate später ging das Telefon ... Er sagte mir übrigens später einmal, dass er sich sowieso bei mir gemeldet hätte.

Kinski, Kidman, Ferres – Sie bewegten sich plötzlich in einem illustren Rahmen. Machte Ihnen das Angst?

Das sind große Namen, ja, und natürlich war ich aufgeregt. Aber positiv aufgeregt. Hätte ich nicht schon die Routine von 20 englischsprachigen Filmen im Rücken gehabt – den ersten habe ich 1991 gemacht – wäre das sicher anders gewesen. So hatte ich dann erträgliches Lampenfieber. Die Aufregung vor jedem neuen Film, ob ein englischer oder eine deutscher Film, ist immer gleich.

Veronica Ferres zählt zu den wenigen deutschen Schauspielerinnen, die es bis nach Hollywood geschafft haben.
Veronica Ferres zählt zu den wenigen deutschen Schauspielerinnen, die es bis nach Hollywood geschafft haben. © imago/Future Image | imago stock&people

Warum hatte Herzog Sie auf dem Radar, wie er sagte. Hat er Ihnen das mal spezifiziert?

Er hat gesagt, dass er einige meiner Filme kannte und mit mir arbeiten wolle.

Aber er hat einmal gesagt, dass er Ihre Arbeitseinstellung bewundert. Sie gelten als Perfektionistin. Als eine, die ihre Hausaufgaben extrem gut macht.

Meine Arbeitsethik ist bei jedem Film, dass ich immer jede Sekunde vor der Kamera mein Bestes gebe. Das mochte er wohl sehr. Ich bin dieses Mal extrem an meine Grenzen geraten.

Warum?

Nun ja, wir haben in Bolivien gedreht, waren einen Monat lang auf 4300 Meter Höhe.

Einige aus dem Team wurden höhenkrank, bekamen Nasenbluten oder Kreislaufschwierigkeiten. Den Einheimischen ging es gut, aber den anderen machte die Höhe extrem zu schaffen. Ich habe es nur ausgehalten, weil ich vorher ein intensives Höhentraining gemacht habe. Kurz vor Abflug konnte ich zwei Stunden auf 5000 Metern Höhe joggen.

Das klingt ja gar nicht nach körperlicher Grenzerfahrung

Durch die ungewohnte Höhe konnte man kaum schlafen. Und das Hotel – Sie würden es vielleicht „Bruchbude“ nennen – war sehr einfach. Es gab oft gar kein Wasser. Man musste sich überlegen: Wasch ich mir das Gesicht oder putz ich mir die Zähne. Und zu essen gab es Quinoa oder Lama. Aber ich konnte kein Lama essen, die haben so hübsche Augen. Alle haben Kokablätter gekaut, aber high bin ich davon nicht geworden. Man brauchte es als Unterstützung gegen die Höhenkrankheit, denn der Stoffwechsel spielt total verrückt. Durch den Sauerstoffmangel ist der Körper in einer ständigen Grundalarmbereitschaft.

Das klingt dann auch nach seelischer Grenzerfahrung.

Mein Vater ist kurz vor Abflug gestorben. Es war ein schwerer Schlag für mich. Ich befand mich in einer unglaublichen Einsamkeit. Ich konnte nicht mit meiner Familien sprechen. Wir hatten kein Telefon. Kein Internet. Gar nichts. Zum Glück gab es diese großartige Natur.

Die Ihnen Kraft gegeben hat?

Ja, genau wie die Einheimischen. Diese Freundlichkeit der Menschen. Aber es war unglaublich. Man hört so viel über Südamerika, über Mafia und Erpressungen. Aber wir haben nichts Schlechtes erlebt. Im Gegenteil. Wir haben unsere Sachen überall stehen lassen und wurden nicht einmal bestohlen.

Wie war die Arbeit mit Herzog vor Ort.

Er verlangt einem Unglaubliches ab.

Inwiefern? Müssen die Szenen immer wieder neu gemacht werden?

Nein, im Gegenteil. Er dreht oft in einer Einstellung. Viele Regisseure splitten eine Szene auf. Er nicht. Also kriegst du eben oft auch nur eine Chance. Herzog behandelt einen mit großer Fürsorge. Und der Film ist der König. Ich ordne mich dem unter – wir Schauspieler sind praktisch das Instrument des Regisseurs und dessen Vision.

„Salt and Fire“-Regisseur Werner Herzog verlangt seinen Schauspielern so einiges ab.
„Salt and Fire“-Regisseur Werner Herzog verlangt seinen Schauspielern so einiges ab. © imago/The Photo Access | imago stock&people

Ihre schauspielerische Karriere hat ja viel „leichter“ begonnen. Ich denke da an die Rolle der üppigen Sekretärin in der Nachmittagsserie „Unser Lehrer Doktor Specht“ mit Robert Atzorn.

Oh, da denke ich so oft dran. Die hat so gerne Pralinen gegessen.

Das tun Sie bestimmt nicht mehr, oder?

Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich auf meine Ernährung achte. Und wenn ich Sport mache. Morgens eine Stunde Ausdauertraining und danach Muskeltraining. Ausreichend Schlaf ist für mich auch wichtig.

Wie viel ist denn ausreichend Schlaf?

Sechs Stunden sind optimal. Aber das krieg ich oft nicht hin.

Und dann? Fühlen Sie sich dann schlecht?

Wenn ich mich eine Zeit lang nicht gesund ernähre, nicht genug Sport mache und nicht genügend schlafe, kann ich ziemlich unzufrieden werden, auch grantig und ungeduldig.

Die Zuschauer mögen Ihre starke Frauenrollen. Ihre Filme haben hohe Einschaltquoten. Aber es gibt immer wieder Stimmen, die Ihnen vorwerfen, nicht genügende schauspielerische Bandbreite zu zeigen.

Ich habe 89 Filme gemacht. Und musste ganz unterschiedlichen Facetten zeigen. Ich bin ein offener Mensch, ich möchte immer wieder Neues ausprobieren. Ich arbeite jetzt wieder an einer Komödie, gleichzeitig aber auch an einem Sozialdrama. Wer mich aber in eine Schublade stecken will, der soll das tun.

Kritiker haben ein harsches Urteil über Sie als Wissenschaftlerin gefällt. Unglaubwürdig war noch das Netteste. Wie gehen Sie damit um?

Ach wissen Sie, ich lebe doch mein ganzes Berufsleben mit Kritik. Aber bei „Salt and Fire“ gibt es ja durchaus und nicht wenige sehr positive Stimmen, ob nur die „FAZ“ oder das filmisch wirklich nicht unkritische Berliner Stadtmagazin „Tip“. Herzog-Filme haben immer polarisiert, und ich polarisiere auch. Damit kann ich gut leben.

Sie wirken selbstbewusster als in den Zeiten, als sie gefühlt in fast jeder Talkshow saßen und ein bisschen wie getrieben über Ihre Hilfsprojekte sprachen. Da war immer dieser Betroffenheitston, der die Leute zunehmend nervte.

Es war eine Zeit, da hatte ich den Eindruck, allen gerecht werden zu müssen. Da tue ich nicht mehr. Ich tue nur noch Dinge, die ich wirklich will.

Wäre Ihre Karriere auch mit den Pfunden, die Sie noch bei „Dr. Specht“ hatten, so verlaufen?

Das war damals ja noch regelrechter Babyspeck. Um zu überzeugen, muss man sich wohl in seiner Haut fühlen. Und die Figur, die ich heute habe, wollte ich immer haben. Damit fühl ich mich wohl. Aber ich drehe mich nicht nur um mich und meine Figur. Ich habe anderes zu tun. Ich bin ja schließlich Mutter. Und ich kann nur sagen: Die Mutterrolle ist die schönste Rolle meines Lebens. Von daher bin ich einfach nur glücklich, wenn ich meiner Tochter morgens das Schulbrot machen kann.

Ihre Tochter ist jetzt 15. Schwieriges Alter. Sind Sie eine Mutter, die viel durchgehen lässt?

Nein, es gibt ganz klare Regeln.

Was geht gar nicht?

Nicht beim Tischabräumen helfen, zum Beispiel, geht gar nicht. Keine Hausaufgaben machen geht gar nicht. Und Respektlosigkeiten gehen auch gar nicht.

Sie haben ein anstrengendes Leben. Gibt es Lieblingsrituale, um sich zu entspannen?

Außer Sport und Spazierengehen lege ich mich super gerne mit flauschigen Socken aufs Sofa und guck mir neue TV-Serien an.

Weihnachten wird’s ruhig bei Ihnen?

Ja, auf jeden Fall. Wir feiern im kleinen Familienkreis. Mit Weihnachtsbaum und Kirche. Abends gibt’s Fondue.

Was macht Sie jetzt gerade froh?

Dass ich schon alle Geschenke habe.