Berlin . Natalie Portman hat Amos Oz’ Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ verfilmt. Die 35-Jährige spielt selber die Hauptrolle.

Ihr konnte man im Kino beim Erwachsenwerden zusehen. Mit elf Jahren spielte Natalie Portman eine kleine Gangsterbraut in „Léon – Der Profi“. In der „Star Wars“-Trilogie bezauberte sie als Königin Padmé Amidala, und für ihre Rolle als Primaballerina in „Black Swan“ erhielt sie 2011 den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Mit Thomas Abeltshauser sprach sie über ihre erste Regiearbeit. Die 35-Jährige, die ihr zweites Kind erwartet, setzte den großen Israel-Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ ihres Landsmanns Amos Oz in Szene und übernahm zudem noch Drehbuch und Hauptrolle.

Erzählen Sie uns von Ihrer ersten Begegnung mit Amos Oz. Wie haben Sie den renommierten Schriftsteller überzeugt, dass Sie als Hollywoodstar ohne Regieerfahrung die Richtige sind, seinen autobiografischen Roman zu verfilmen?

Natalie Portman: Amos ist ein unglaublich warmherziger und liebevoller Mensch. Als wir uns trafen, gab er mir nie das Gefühl, dass ich vor Gericht stehe oder eine Prüfung zu bestehen habe. Aber ich musste ihm schon beweisen, wie wichtig mir der Stoff ist und dass ich mit Leidenschaft bei der Sache bin.

Der Roman basiert auf seinen eigenen Kindheitserinnerungen in den Jahren der Gründung Israels 1948. Eine sehr komplexe Mischung aus persönlicher und gesellschaftspolitischer Geschichte auf mehr als 800 Seiten. Hatten Sie nie Zweifel, den Stoff zu bewältigen?

Portman: Es ist auf jeden Fall eine sehr viel größere Herausforderung, als nur in einem Film die Hauptrolle zu spielen. Die Länge und Intensität der Arbeit multipliziert sich dadurch gefühlt ins Unendliche. Aber ich bin an dieser Auseinandersetzung gewachsen, es war eine unglaublich stimulierende Erfahrung für mich. Und ich habe mich wirklich keine Sekunde gefragt, warum ich mir das antue.

Sie haben nicht nur das Drehbuch geschrieben und Regie geführt, sondern auch die Rolle der depressiven Mutter Fania Oz übernommen. Wieso diese Fülle an Rollen?

Portman: Ursprünglich wollte ich eine israelische Schauspielerin, aber die Produzenten bestanden auf einem bekannten Namen in der Besetzungsliste, weil ihnen das Risiko sonst zu hoch war. Ich hatte schließlich noch nie einen Kinofilm inszeniert, und das Projekt galt natürlich nicht gerade als Blockbuster. Und nachdem ich jahrelang dafür gekämpft hatte, kam ich langsam in das Alter, in dem ich Amos’ Mutter glaubwürdig verkörpern konnte. Also stimmte ich zu und bin jetzt auch froh, weil ich mich so auf einer weiteren Ebene ausdrücken kann.

Sie sind selbst Jüdin und in Jerusalem geboren, bevor Sie als Dreijährige mit ihren Eltern in die USA auswanderten. Ist das Interesse auch eine Rückbesinnung auf Ihre Wurzeln?

Portman: Mich hat vor allem der Roman an sich interessiert, weniger die Geburt eines Staates als die Geburt eines Schriftstellers und einer Sprache. Das klingt als Filmstoff natürlich eigenartig, aber es fasziniert mich schon lange, wie in Israel eine tote Sprache zum Leben erweckt wurde. Außer bei Gebeten hatte niemand mehr Hebräisch gesprochen. Und plötzlich kommen Immigranten aus unzähligen Ländern an diesen Ort und reanimieren diese biblische Sprache, für die sie neue Worte erfinden müssen, um sie dem heutigen Alltag anzupassen.

Es heißt, einen Film zu drehen, sei wie ein Kind zu bekommen. Sie haben beides getan. Stimmt der Vergleich denn?

Portman: Nein! Es ist viel leichter zu kontrollieren, was aus einem Film wird, auch wenn er ein Eigenleben entwickelt und andere Menschen Teil der Entstehung sind. Aber am Ende ist er fertig und bleibt, wie er ist, auch wenn er in der Öffentlichkeit diskutiert wird und jeder etwas anderes darin sieht. Aber seien wir mal ehrlich: Es ist und bleibt ein Ding! Es ist kein menschliches Wesen und es hat keinen eigenen Willen.

Sie haben für den Film Hebräisch gelernt, nach Aussage israelischer Freunde sogar sehr gut. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?

Portman: Es war eine größere Herausforderung, als ich vermutet hatte. Ich konnte mich schon zuvor recht passabel verständigen, aber vor allem an der Grammatik haperte es.

Sie haben vor Ort in Jerusalem gedreht. Hat sich Ihr Blick auf die Situation in Israel verändert?

Portman: Das Interessante an der israelischen Gesellschaft ist, dass überall lebhaft diskutiert wird. Das kann am Esstisch mit der eigenen Familie sein, an der Straßenecke mit einem Nachbarn oder auf dem Markt mit wildfremden Passanten. Die Leute streiten sich andauernd über Politik, Wirtschaft, alles Mögliche. Aber immer wohlwollend. Es gibt Hunderte verschiedene Ansichten, und es ist einfach Teil des Lebens dort. Man kann sich dem auch nicht entziehen. Jede Gelegenheit für eine Diskussion ist hochwillkommen, auch und vor allem, wenn man verschiedener Meinung ist. Es ist eine wahnsinnig anstrengende Lebensweise, aber ich schätze diese Diskussionskultur sehr.

Welche Rolle spielt Religion in Ihrem eigenen Leben, im Alltag wie auch bei der Erziehung Ihres Sohnes?

Portman: Religion hat für mich eher etwas mit Kultur zu tun. Ich glaube, es ist wichtig, uns bewusster zu werden, dass wir Rituale für unsere Identität und unser Zusammenleben brauchen. Wenn das fehlt, suchen die Menschen Sinn in etwas anderem. In meinem eigenen Leben sind diese Rituale wichtig, mir ist wichtig zu wissen, woher ich komme und das als Teil meiner Identität zu sehen. Aber es ist mindestens ebenso wichtig, sein nicht religiöses Wertesystem zu nutzen. Und vor allem unterscheiden zu können, in welcher Situation welches passender ist.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie zu Ihrer Schulzeit in den Vereinigten Staaten vor allem über den Holocaust unterrichtet wurden, aber kaum über andere Aspekte der jüdischen Geschichte. Was muss sich da ändern?

Portman: Das ist eine große Frage, die wir uns als Juden überall stellen müssen. Natürlich ist es sehr, sehr wichtig, die Erinnerung an den Holocaust, seine Ursachen und Folgen wachzuhalten und weiterzugeben. Aber das darf anderes nicht ausschließen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es Hass immer gab und immer geben wird. Umso wichtiger ist es, empathisch anderen gegenüber zu sein, die ebenfalls verfolgt werden. Ich will keine falschen Parallelen ziehen, aber wir dürfen uns nicht nur als Opfer sehen und uns von Angst lenken lassen. Es ist unübersehbar, dass Antisemitismus existiert, aber wir sollten anderen mit Mitgefühl begegnen, nicht Paranoia.