Berlin. Carolin Kebekus hat es mit ihrer Comedyshow bis in die ARD geschafft. Vielleicht auch, weil sie sich auf der Bühne für nichts schämt.

Sie sammelt Deutsche Comedypreise (2013 und 2014 je einer, 2015 gleich zwei) – aber sie geht auch keinem Zoff aus dem Weg. Als der WDR 2013 einen Kirchen-Rap aus ihrer Sendung schnitt, riskierte Carolin Kebekus einen Eklat, indem sie in „TV total“ gegen diese „Verstümmelung“ wetterte. Erst 2015 wurde das Kriegsbeil zwischen Sender und Star begraben – und jetzt wandert ihre vom WDR produzierte Show „PussyTerror TV“ (ab 29. September, 22.45 Uhr) sogar ins Erste.

Ab dem 29. September gibt es drei Ausgaben von der WDR-Show „PussyTerror TV“ in der ARD – am Donnerstagabend. Welche Gäste zählen zu den Highlights?

Carolin Kebekus: Das werde ich jetzt noch nicht verraten. Nur so viel: Es wird sehr, sehr cool.

Stimmt es eigentlich, dass sich alle Comedians untereinander hassen – weil sie neidisch auf die Witze der anderen schielen?

Kebekus: Ja klar! Wir hassen uns und wir lauern uns auch auf – etwa, um uns nach unseren Auftritten gegenseitig Zahnpasta in den Schlafanzug zu reiben... Nein, im Ernst: Zwischen Comedians gibt’s sogar ganz enge Freundschaften. Klar, es gibt auch Comedians, die ihr eigenes Ding machen, aber ich für meinen Teil tausche mich gern mit Kollegen aus. Generell bin ich übrigens nicht mit besonders vielen Prominenten befreundet, sondern ich habe eher normale Freunde. Jetzt hätte ich beinahe „echte Menschen“ gesagt.

Welche Comedians sind Ihre Freunde?

Kebekus: Etwa Johann König – wir wohnen in derselben Stadt. Auch Max Giermann treffe ich gerne. Mit Kaya Yanar oder Jürgen von der Lippe habe ich ebenfalls Kontakt und mit Axel Stein bin ich ganz eng befreundet.

Von Balder gefördert, von Engelke gelernt

Jürgen von der Lippe und Hugo Egon Balder gelten als Ihre frühen Fans und Förderer. Verdanken Sie Ihre Karriere eher Männern oder Frauen?

Kebekus: Männer haben mir den Weg geebnet. Sie haben die Möglichkeit geschaffen, dass ich das machen kann, was ich jetzt tue. Hugo Egon Balder riet mir damals während eines Praktikums bei „Freitag Nacht News“, Schauspielunterricht zu nehmen. Das war total wichtig, denn er hätte mich auch von 9 bis 17 Uhr hinterm Schreibtisch versauern lassen können!

Andererseits habe ich meine Karriere aber auch Vorbildern wie Gabi Köster und Anke Engelke zu verdanken – nicht, weil ich ihnen nacheifern wollte, sondern weil sie mir vorgelebt haben, wie gut Comedy sein kann. Durch Köster und Engelke ist mir bewusst geworden, dass der Beruf des Comedians eine Berufung sein kann. Insofern waren Männer und Frauen gleichermaßen an meiner Karriere beteiligt.

In Ihrem neuen Bühnenprogramm „Alphapussy“ geht’s um „berufsjugendliche Hipster-Eltern“ sowie die schlagerliebende Jugend und die „Youtubisierung des Abendlandes“. Warum?

Carolin Kebekus’ Comedyshow „PussyTerror TV“ ins Hauptprogramm der ARD geschafft.
Carolin Kebekus’ Comedyshow „PussyTerror TV“ ins Hauptprogramm der ARD geschafft. © WDR/Frank Dicks | WDR/Frank Dicks

Kebekus: Die junge Generation kann gegen nichts mehr rebellieren, weil ihre Eltern zu cool geworden sind. Meine Leute haben früher noch alles scheiße und mega-spießig gefunden, was ihre Eltern gemacht haben. Doch die Kids von heute haben „Hipster-Papas“, die mit dem Longboard zur Arbeit fahren. Die einzige Rebellionsmöglichkeit dieser Kinder ist tragischerweise die Schlagermusik.

Wie lässt sich Ihr eigener Fernseh-Konsum beschreiben? Schauen Sie klassisch fern oder doch eher YouTube-Clips – und was verpassen Sie niemals im TV?

Kebekus: Ich streame viele Webserien, aktuell etwa „Game of Thrones 6“. Im Fernsehen verpasse ich nie die Nachrichten, den „Tatort“ und Fußball.

Mit Mario Barths Frauenbild kann Kebekus nichts anfangen

Stichwort Comedy: Auch Mario Barth redet in seinem Programm gern über Männer und Frauen. Sind Sie Barth-Fan – und würden Sie seinen Zuschauer-Weltrekord gern mal brechen?

Kebekus: Auf keinen Fall. Aber was Mario macht, hat eine absolute Berechtigung, denn die Menschen lieben es. Ich selbst finde mich nicht unbedingt wieder bei seinen Themen. Wenn Mario etwa von seinem Frauenbild erzählt, dann kann ich damit wenig anfangen – weil es sich um Frauenbilder aus den 80ern handelt. Die Frauen, die ich kenne, sind prinzipiell moderner. Aber technisch betrachtet weiß Mario schon ganz genau, was er da macht. Sein Handwerk ist sehr gut.

Sie gelten als „Deutschlands lustigste Feministin“. Mit Recht?

Kebekus: Einerseits finde ich es gut, dass ich so betitelt werde, weil ich wirklich eine Feministin bin. Doch andererseits klingt der Begriff auch so schwer – als ginge es dabei um unrasierte Achselhaare. Grundsätzlich nervt es mich, wenn man mein Geschlecht immer thematisiert – nach dem Motto: Carolin Kebekus ist eine attraktive Frau und auch noch witzig.

Bei einem Mann würde man diese Eigenschaften nicht in derselben Reihenfolge aufzählen. Ich bin einfach ein lustiger Mensch mit Talent! Deshalb habe ich auch bei meinem letzten Bühnenprogramm gesagt: „Ich wünsche mir einen Penis! Dann bin ich auf gleicher Höhe – und werde mit demselben Maßstab gemessen!“

Penis-Bilder hinterlassen bei Kebekus keinen bleibenden Eindruck

Angeblich bekommen Sie ziemlich viele Penis-Bilder zugeschickt?

Kebekus: Ja. Aber Gott sei Dank war bislang noch keines dabei, das mir im Gedächtnis haften geblieben ist. Ganz anders als die Bild-Hintergründe – wie zum Beispiel Wohnzimmerschränke und Klodeckel. Oder Spiegel, in denen Lavalampen zu sehen waren.

Ist Alice Schwarzer noch ein kompatibles „Role Model“ für junge Feministinnen?

Kebekus: Sie hat unheimlich viel geleistet und für alle Frauen in Deutschland viel erreicht. Doch inzwischen gibt es eine modernere Art und Weise, um über Feminismus nachzudenken. Außerdem schließen sich Weiblichkeit und Feminismus nicht aus. Ich habe gerade in Italien gedreht. Dort sind alle Frauen total chic angezogen – und ich glaube, dass Alice Schwarzer das schrecklich fände. Denn ich meine zu erinnern, dass sie sinngemäß mal gesagt hat: „Je höher die Absätze, desto unemanzipierter die Frau.“ Das ist eher rückständig.

Nach Ihrer „Helene Fischer“-Parodie und dem Ablecken eines Kreuzes haben Sie heftige Shitstorms erlebt. Werden Satiriker und Comedians in Deutschland eigentlich zu scharf zensiert?

Kebekus: Nachdem es wegen meines Kirchenvideos nach einem Aufruf der Piusbruderschaft Anzeigen hagelte, hat mir der Staat Recht gegeben. Insofern fühle ich mich frei und geschützt – und trete nicht über die Grenze des Erlaubten. Allerdings hat es mich schon erschrocken, was Jan Böhmermann nach der Erdogan-Satire passiert ist. Natürlich denkt man als Kollegin automatisch über solche Zensurversuche nach. Ein bisschen Urvertrauen ist dadurch bei mir verloren gegangen – als hätte man seine Eltern bei Sexspielen erwischt. Insgesamt jedoch habe ich ein gutes Gespür dafür, was man auf der Bühne machen kann – und was nicht.

Wann ziehen Sie sich aus für den „Playboy“?

Kebekus: Das würde ich gar nicht machen – für nichts und niemanden.

Mögen Sie Reality-Shows wie das „Dschungelcamp“, „Promi Big Brother“ und „Der Bachelor“?

Kebekus: Ja! Das ist unheimlich gute Unterhaltung und ich finde sie cool – aber auch nur, weil ich durchschaue, dass das Ganze total überzogen ist. Natürlich ist es totaler Blödsinn – aber immerhin nicht potenziell gefährlich wie „Germany’s Next Topmodel“, das eine krasse Wirkung auf junge Mädchen haben kann – weil der vorgelebte Lebensstil aus dieser Show gesundheitsschädigend sein könnte. Bei GNTM ist für mich die Grenze erreicht, während ich mich über den „Bachelor“ kaputtlache.

Mit welchen Argumenten hat Sie der WDR-Chef Tom Buhrow eigentlich überzeugt, nach dem Zerwürfnis zurückzukehren?

Kebekus: Er hat mich in sein Büro eingeladen. Dort stand eine riesige Skulptur von Hennes, dem Maskottchen des 1. FC Kölns. Daraufhin haben wir uns sofort versöhnt. Nein, im Ernst: Wir haben uns ernsthaft miteinander auseinandergesetzt – und das hat sehr lange gedauert. Nachdem wir die Probleme und die Gründe für die Eskalation analysiert hatten, war alles aus der Welt geschafft. Die konkreten Gründe sind intern, darüber rede ich nicht. Außerdem wollte ich mit „PussyTerror TV“ nicht zu einem Privatsender gehen.

Mit welchen Autoren arbeiten Sie am liebsten zusammen und warum?

Kebekus: Ich arbeite schon viele Jahre mit Lutz Birkner zusammen. Lutz ist ein Kölner Autoren-Urgestein. Er hat früher bei der „Wochenshow“ gearbeitet - und er ist der „Headwriter“ von „PussyTerror TV“. Außerdem arbeite ich seit 17 Jahren mit Mark Löb zusammen – seit ich beim Fernsehen angefangen habe. Oh mein Gott! Kann das jemand aufschreiben und mir irgendeine Urkunde geben? Ich bin seit 17 Jahren beim Fernsehen! Ach du Scheiße!

Möchten Sie gerne einen Schluck Wasser?

Kebekus: Nein, es geht schon. Ein paar Autoren fehlen noch. Markus Barth schätze ich auch sehr – er arbeitet ebenfalls an „PussyTerror TV“ mit. Und zu Chris Geletneky, der für „Pastewka“ schreibt und früher bei „Ladykracher“ mitgemacht hat, habe ich ebenfalls vollstes Vertrauen. Wir sind eine Clique von Leuten, die zusammen angefangen haben, kreativ zu sein. Jetzt kommen wir immer wieder aufeinander zurück, weil wir uns aufeinander verlassen können.

Wie oft improvisieren Sie auf der Bühne trotz Ihres festgelegten dramaturgischen Fadens?

Kebekus: Das ist immer unterschiedlich. Manchmal dauert meine Vorstellung sogar 20 Minuten länger, weil ich etwas improvisiert habe – etwa, wenn ich in den Ort reinfahre und direkt am Ortseingangsschild etwas Lustiges sehe, über das sich lange quatschen lässt. Doch an anderen Tagen ziehe ich mein Programm auch ganz straight durch.

Bald sind Sie auch im Kino zu sehen – als Ehepaar im Rosenkrieg. Wann startet der Streifen „Schatz, nimm du sie“?

Kebekus: Am 16. Februar! Ich hatte gerade die letzten Drehtage in Italien. Die Erfahrung war total krass für mich, weil mein Filmgatte Maxim Mehmet aus „Männerherzen“ und ich miteinander kämpften – auch im körperlichen Sinn. Wir haben uns zum Beispiel mit Gegenständen beworfen und sind über Tische gesprungen. Außerdem gab es sehr emotionale Szenen.

Inwiefern gehören eine Ehe und eigene Kinder zu Ihrem Lebensplan?

Kebekus: Ich habe keinen Lebensmasterplan, sondern ich schaue einfach, was passiert.

Aber was halten Sie von einer Karriere als Schauspielerin?

Kebekus: Sehr viel! Ich muss das unbedingt weitermachen. Da führt jetzt kein Weg dran vorbei. Ich wäre zum Beispiel gern mal im „Tatort“ dabei – egal ob als Leiche oder Kommissarin. Bei den Münchnern mitzuspielen... das fände ich besonders toll. Oder bei Charly Hübner im „Polizeiruf 110“. Ach, tatsächlich würde ich beinahe in jedem „Tatort“ mitspielen wollen! Es wäre doch auch dumm und komisch, wenn ich ein Angebot ausschlüge und sagte: „Auf Saarbrücken hab ich keinen Bock!“

Hand aufs Herz: Was ist Ihnen eigentlich peinlich?

Kebekus: Auf der Bühne gar nichts. Aber im echten Leben rede ich manchmal so viel, ohne dabei nachzudenken. dass ich schon bis zum Hals in einem Fettnäpfchen gesteckt habe. Aber sonst? Es gibt nichts, das mir peinlich ist.

Woher nehmen Sie Ihre Themen? Schauen Sie morgens manchmal fern – etwa Trumps Reden – und werden anschließend von kreativer Wut angetrieben?

Kebekus: Genau so ist es! Während der ganzen heftigen Entwicklung in der Türkei habe ich allerdings in Italien vor der Kamera gestanden – und deshalb noch nichts darüber gemacht. Aber es gab schon mal eine große Nummer über das Sexualstrafrecht in meinem Programm. Das war eine sehr lustige Farce. Wenn mich etwas berührt und es einen Ansatz für eine Geschichte gibt, dann gebe ich Vollgas. Aber ich habe keinen Plan à la „ich muss jetzt unbedingt was über Angela Merkel erzählen“. Im Gegenteil: Das Thema muss mich anpacken!

Schlussfrage: Bislang war das Interview sehr brav – und wir sind ohne die üblichen bösen Begriffe wie „fuckable“ und „furzen“ ausgekommen. Deshalb ist jetzt Platz für den schlimmsten, bösesten, niemals druckbaren Fluch der Welt …

Kebekus: Flüche? Fehlanzeige! Die bösesten Flüche der Welt habe ich bereits alle ausgestoßen – und es wurde jeder gedruckt!

Dieses Interview ist zuerst auf goldenekamera.de erschienen.