Berlin. Die Schlagersängerin Claudia Jung beklagt den Wandel der Schlager-Branche. Die 52-Jährige meint, das Geschäft verheize seine Talente.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine werde, die darüber spricht, dass früher alles besser war.“ Claudia Jung lacht über sich selbst. Seit über 30 Jahren ist die 52-Jährige im Geschäft. Ihr aktuelles Album „Frauenherzen“ ist Nummer 25. Fast alle schafften es in die Charts, in Österreich ist die Ratingerin sogar wieder einmal in den Top Ten.

Ganz groß abräumen tun wenige andere. „Schlagerboom? Welcher Schlagerboom?“, sagt Jung. „Es gibt Helene Fischer, Andrea Berg … Aber sonst? Es wird kein Geld mehr verdient, alle zwacken was ab und nehmen sich ihren Anteil vom Kuchen. Es hängen viel mehr Leute mit drin als früher.“

„Ich brauche den direkten Kontakt zum Publikum“

Früher, es ist ein Wort, das manches Mal fällt im Gespräch. Denkt sie sich manchmal, so eine Riesenkarriere wie die Berg, die hätte sie doch eigentlich auch verdient? „Ach, ich hatte den Erfolg doch auch. Es war Anfang der 90er, ich bin vor Tausenden Leuten aufgetreten, bekam Platinplatten. Erfolg kommt nun mal in Wellen, da helfen Strategien nur bedingt.“ Vermissen würde sie die Zeiten nicht. „Diese Spektakel sind doch sehr anonym. Mir machen kleine Konzerte mehr Spaß, ich brauche den direkten Kontakt zum Publikum.“

Und so geht es auch in diesen Sommer an die Basis, zum „Schlager Stern“-Open-Air im sauerländischen Willingen (20. August) oder zum Finsterwalder Sängerfest (27. August), zwischendurch TV-Auftritte, etwa beim MDR. Bei den großen Schlagershows, so klagt sie, sei die Stimmung hinter der Bühne nicht immer angenehm. Während man einst zusammengesessen hätte, haste man nun aneinander vorbei. „Es ist kein Miteinander mehr, vielleicht, weil der Konkurrenzdruck so groß geworden ist. Man kämpft mit härteren Bandagen.“ Kämpfen ist nicht ihr Ding, doch ihr Herz schlägt für die Bühne.

Die Reiserei allerdings geht ihr auf die Knochen: „Ich merke schon, dass ich das nicht mehr so wegstecke wie früher.“ Wie gut, dass eine Idylle auf sie wartet, wann immer sie heimkehrt. Im oberbayerischen Pfaffenhofen bewohnt sie einen Bauernhof, mit ihrem Mann, Musikproduzent Hans Singer, mit dem sie seit 20 Jahren verheiratet ist, der 19-jährigen Tochter, vier Pferden, fünf Minischweinen, Hunden, Katzen. Fünf Jahre saß sie für die Freien Wähler im Bayerischen Landtag „Mich zieht es aber nicht mehr in die Politik“, sagt sie. Herablassend sei sie bisweilen behandelt worden, nach dem Motto: „Was will die Schlagertussi denn jetzt in der Politik?“ Jung: „Dieses Gegeneinander, dieses Schlechtmachen, diese Schlachten, das entsprach nicht meinem Naturell.“

Im Showgeschäft herrscht eine Wegwerfmentalität

Genau deswegen hält sie nichts von Castingshows. „Dieses öffentlich inszenierte Scheitern finde ich schlimm.“ Sie könne nicht raten, da mitzumachen, auch nicht beim Eurovision Song Contest, bei dem in den letzten Jahren die Hoffnungen von jungen Talenten wie Ann Sophie und Jamie-Lee Kriewitz vor einem Millionenpublikum zerbrachen. „So eine Niederlage haftet an. Die jungen Menschen werden in einem wahnsinnigen Spektakel hochgeputscht und dann ganz schnell fallen gelassen.“ Auch die nach zwei Ausgaben abgesetzte ARD-Show von Beatrice Egli sei ein Indiz dafür.

Trotz anstrengender Reisen – sie will nichts anderes tun, als Schlager singen. Sie hat es ja versucht, Arzthelferin gelernt („Ich konnte aber kein Blut sehen“), im Fotolabor gejobbt („Ich konnte aber die Dunkelheit nicht ertragen“) und im Büro („Da hatte ich genug Zeit, meine Karriere voranzutreiben“). „Mein Beruf ist ein Privileg, es ist ein Traum“, sagt sie. Und Träume, so heißt es in einem ihrer neuen Songs, sind jung.