Köln. Mit kleinen Kindern auf Tournee – Reggae-Star Gentleman hat’s nicht leicht. Ein Gespräch über Schlafentzug, Religion und Bob Marley.

Gentleman ist auf Tour mit Ky-Mani Marley, als wir ihn ans Telefon bekommen. Ein Ferngespräch, gibt’s das noch? Um den Austausch zwischen Menschen aus weit entfernten Ecken geht es auch auf dem neuen Album „Conversations“ der beiden Reggae-Stars aus Köln und Jamaika. Im Interview sprach Gentleman über Schlafentzug, Religion und die Kinder Bob Marleys.

Ihr habt einen engen Zeitplan auf Tour. Ist noch Zeit für Gespräche?

Gentleman: Ja, vorgestern ging es um die andere Seite des Tourlebens. Um das Nichtschlafen. Gerade wenn man mit dem Flugzeug unterwegs ist – und mit Kindern! Und dann wirst du nachts um vier Uhr wach und fragst: Na, haste gut geschlafen? – Nee. Und du? – Nee. Wann hast du das letzte Mal gut geschlafen? – Gar nicht ... Und dann haben wir uns über den Schlaf unterhalten. Wie wir ihn wieder wertschätzen werden.

Deine Frau steht mit euch auf der Bühne. Eure kleine Tochter ist mit auf Tour. Wie funktioniert das?

Gentleman: Wie, das weiß ich selber nicht, aber es funktioniert. Es ist natürlich anstrengend, aber immer noch viel, viel besser, als die Kinder nicht zu sehen. Es gibt Phasen, wo es zu viel wird, aber dann wird man entlastet. Das ist der Vorteil, wenn viele dabei sind, die mit den Kindern „connected“ sind, man kann auch abgeben. Es fühlt sich gesund an. Klar ist das kein Dauerzustand. Ein Rhythmus ist auch wichtig, für alle. Mal länger an einem Ort zu sein, um reflektieren zu können.

Wie habt ihr euch kennengelernt, Ky-Mani und du?

Gentleman: Wir haben uns in Frankreich zum ersten Mal getroffen, 2005 auf einem Festival. Und dann immer wieder. Da ist es ganz natürlich passiert, dass er mich 2015 gefragt hat, ob wir einen Song aufnehmen. Für mein MTV-Unplugged-Album war Ky-Mani dann sofort am Start in Köln. Und als ich ihm ein frohes neues Jahr gewünscht habe, hat er zurückgeschrieben: Lass uns ein Album machen.

Wenn man Ky-Mani auf eurem Album hört, glaubt man manchmal, Bob Marley spreche. Hat sich der Vater auch als Eminenz in Eure Gespräche eingemischt?

Gentleman: Ja ... natürlich hat er uns beide inspiriert und ist präsent. Für Ky-Mani ist es auch alles andere als leicht, immer mit seinem Vater verbunden zu werden. Immer im Schatten zu sein, musikalisch. Aber er ist eben Ky-Mani Marley, nicht nur der Sohn von ... Was ich so faszinierend finde: Bob hat dieses Timbre seiner Stimme wirklich an alle seine Kinder vererbt. Selbst an die Enkelkinder. Man hört überall Bob heraus – und trotzdem kann ich jeden unterscheiden.

Ihr habt wahrscheinlich auch über Religion gesprochen. Was passiert denn, wenn man die Person von Haile Selassie diskutiert – der ehemalige äthiopische Kaiser, der von den Rastafaris als Gott auf Erde verehrt wird.

Gentleman: Die muss man gar nicht diskutieren. Religion ist einfach etwas extrem Persönliches. Ich bin auch der Meinung, dass jeder für sich beten soll. Und dass es diesen One-Love-Gedanken gibt, eine Frequenz, auf der wir uns treffen, ob er Rasta ist und ich ... weiß ich noch nicht, was ich bin, aber jemand, der irgendwo an Gott glaubt, an die Göttlichkeit ... Aber ich frag’ ihn nicht nach Selassie. Wir halten uns an den Gemeinsamkeiten fest.

Das gemeinsame Philosophieren ist aber auch Bestandteil der Rasta-Kultur.

Gentleman: Ja, die Idee des Albums leitet sich auch vom „Reasoning“ der Rastas ab. Der Gedankenaustausch ist etwas, was sie ganz groß schreiben. Eine schöne Praktik. Jeder Song basiert auch irgendwo auf einer Unterhaltung. Diese Kommunikation ist, wie wir beide finden, das was fehlt im Jahr 2016. Es wird viel an der Oberfläche gekratzt.

Gab’s denn auch mal Meinungsverschiedenheiten?

Gentleman: Nee, nicht wirklich. Wir sind im selben Alter, haben viele gleiche Erlebnisse, sind beide familiäre Menschen. Und trotz der Ernsthaftigkeit des Albums hat sich eine Leichtigkeit eingeschlichen. Wir haben auch den gleichen Humor: Umso flacher, desto besser.

Denkt ein Marley auch mal daran, mit dem Kiffen aufzuhören?

Gentleman: Ich glaub nicht, nee. Wie bei mir immer dieses Aufhören, Anfangen, Aufhören, Anfangen – ich glaub, den Stress macht der sich gar nicht.