Berlin. Nur seichte Lieder zu singen, war Gitte Haenning nie genug. Inzwischen versteht sie sich als Chansonsängerin – und ist erfolgreich.

Immer wieder hat sie versucht, sich neu zu erfinden. Hat sich statt in lustigen Kleidern im kleinen Schwarzen gezeigt und wollte mit aller Kraft Tiefe in ihre Lieder bringen. Aus Gitte wurde Gitte Haenning, die sich als Chansonsängerin und nicht mehr als Schlagersternchen verstand. Doch bei allem Bemühen um ein anderes Image klebt ein Lied an ihr wie Pech. „Ich will ’nen Cowboy als Mann.“ Zu ihrem 70. Geburtstag am Mittwoch wird sie diesen Hit von einst wohl nicht abspielen.

Was sie stattdessen hören wird, ist nicht überliefert. Denn Gitte Haenning hat sich vor ihrem Geburtstag mit Interviews zurückgehalten. Sie sei krank, die Bandscheibe, heißt es nur. Sie musste mehrere Auftritte absagen und hofft nun auf Besserung, teilte ihre Agentur mit.

Haenning wollte nicht das ewige Mädel sein

Wann immer man ihr begegnete in den vergangenen Jahren – die Frau enttäuschte die Erwartungshaltung grundlegend: Gitte Haenning wollte partout nicht die lustige Dänin sein, keine zweite Vivi Bach, die man mit ihrem süßen Akzent in die Schublade des ewigen Mädels steckte. „Ich brauchte kaum was zu machen, dann sagten schon alle ‚Ohh! Wie niedlich!‘“, beklagte sie sich vor Jahren in einem taz-Interview. Wer sie erlebte auf Tour mit den Schlagerikonen Wencke Myhre und Siw Malm­kvist, wunderte sich über die jazzige Musik und über den Ernst dieser Frau.

"Ich will alles": Gitte Haenning ist 70

Gitte Hænning feiert runden Geburtstag: Die dänische Sängerin, die einst ‘nen Cowboy als Mann wollte, ist 70 Jahre alt geworden.
Gitte Hænning feiert runden Geburtstag: Die dänische Sängerin, die einst ‘nen Cowboy als Mann wollte, ist 70 Jahre alt geworden. © imago stock&people | Horst Galuschka
Nicht nur im liberalen Dänemark ein Star: Die sympathische Hænning schaffte auch in Deutschland den Durchbruch und ist immer wieder auf deutschen Bühnen zu sehen.
Nicht nur im liberalen Dänemark ein Star: Die sympathische Hænning schaffte auch in Deutschland den Durchbruch und ist immer wieder auf deutschen Bühnen zu sehen. © imago | foto-ritter.deBerlin
Lässige Outfits, wilder Haarschnitt, unkompliziertes Auftreten: Die Jubilarin hat ein Faible für originelle Auftritte.
Lässige Outfits, wilder Haarschnitt, unkompliziertes Auftreten: Die Jubilarin hat ein Faible für originelle Auftritte. © imago | Gerhard Leber
„Lampenfieber“, „Ich will alles“ und vor allem „Ich will ‘nen Cowboy als Mann“ sind Ohrwürmer, die unwiderruflich mit Gitte in Verbindung gebracht werden. Mit letzterem Titel ...
„Lampenfieber“, „Ich will alles“ und vor allem „Ich will ‘nen Cowboy als Mann“ sind Ohrwürmer, die unwiderruflich mit Gitte in Verbindung gebracht werden. Mit letzterem Titel ... © dpa | Nestor Bachmann
... trat sie bereits 1963 bei den Deutschen Schlagerfestspielen im Kurhaus in Baden-Baden auf und gewann den ersten Preis. Eine große Karriere auf dem deutschen Schlagermarkt begann.
... trat sie bereits 1963 bei den Deutschen Schlagerfestspielen im Kurhaus in Baden-Baden auf und gewann den ersten Preis. Eine große Karriere auf dem deutschen Schlagermarkt begann. © dpa | Harry Flesch
„Jetzt dreht die Welt sich nur um dich“, „Vom Stadtpark die Laternen“ – gemeinsam mit Rex Gildo erstürmte Gitte in den 60er-Jahren die Charts.
„Jetzt dreht die Welt sich nur um dich“, „Vom Stadtpark die Laternen“ – gemeinsam mit Rex Gildo erstürmte Gitte in den 60er-Jahren die Charts. © imago | United Archives
Auch als Schauspielerin wurde sie tätig. 1964 stand sie unter anderem mit Peter Weck für den Film „Liebesgrüße aus Tirol“ vor der Kamera.
Auch als Schauspielerin wurde sie tätig. 1964 stand sie unter anderem mit Peter Weck für den Film „Liebesgrüße aus Tirol“ vor der Kamera. © imago | United Archives
1973 erreichte sie beim Eurovision Song Contest in Luxemburg Platz 8 für Deutschland.
1973 erreichte sie beim Eurovision Song Contest in Luxemburg Platz 8 für Deutschland. © dpa | Wolfgang Weihs
Mit ihrem Vater Otto Johansson hatte sie es nicht immer leicht. Der Liedermacher mit eher mäßigem Erfolg habe in seiner Tochter ein Vehikel für seine eigene Kariere gesehen. Ihr Vater war ihr Manager und wollte sie früh auf den Schlager festlegen. Gitte beendete die künstlerische Zusammenarbeit und ...
Mit ihrem Vater Otto Johansson hatte sie es nicht immer leicht. Der Liedermacher mit eher mäßigem Erfolg habe in seiner Tochter ein Vehikel für seine eigene Kariere gesehen. Ihr Vater war ihr Manager und wollte sie früh auf den Schlager festlegen. Gitte beendete die künstlerische Zusammenarbeit und ... © imago | United Archives
... schuf sich ihre eigenen Freiräume. Mit einem Jazz-Konzert 1997 in Berlin und den Alben „Songs for my father“ und „Johansson“ setzte sie Jahre später Zeichen der Versöhnung.
... schuf sich ihre eigenen Freiräume. Mit einem Jazz-Konzert 1997 in Berlin und den Alben „Songs for my father“ und „Johansson“ setzte sie Jahre später Zeichen der Versöhnung. © dpa | Gus
Anfang der 80er Jahre entstanden mit „Etwas ist geschehen“, „Ich will alles“ und „Lampenfieber“ einige der größten Erfolge der Sängerin. Sie waren auch so etwas wie Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins. Diese Aufnahme zeigt sie im September 1983 während der Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin.
Anfang der 80er Jahre entstanden mit „Etwas ist geschehen“, „Ich will alles“ und „Lampenfieber“ einige der größten Erfolge der Sängerin. Sie waren auch so etwas wie Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins. Diese Aufnahme zeigt sie im September 1983 während der Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin. © imago stock&people | teutopress
Gitte entwickelte sich von der Schlagersängerin zur anspruchsvollen Pop-Vokalistin, wurde vielfach ausgezeichnet und gewann unter anderem den Deutschen Schallplattenpreis. Mit Hommagen an Ella Fitzgerald und Judy Garland bekannte sie sich offen zur musikalischen Wandlung und zeigte eindrucksvoll ihr enormes Repertoire und ihre vielseitige Stimme.
Gitte entwickelte sich von der Schlagersängerin zur anspruchsvollen Pop-Vokalistin, wurde vielfach ausgezeichnet und gewann unter anderem den Deutschen Schallplattenpreis. Mit Hommagen an Ella Fitzgerald und Judy Garland bekannte sie sich offen zur musikalischen Wandlung und zeigte eindrucksvoll ihr enormes Repertoire und ihre vielseitige Stimme. © imago stock&people | teutopress
Nach Paris und Rom fand sie in den 90er Jahren in Berlin ihren Lebensmittelpunkt. In Zusammenarbeit mit ihrem damaligen Lebensgefährten Friedrich Kurz entstand das Musical „Shakespeare und Rock’n’Roll“.
Nach Paris und Rom fand sie in den 90er Jahren in Berlin ihren Lebensmittelpunkt. In Zusammenarbeit mit ihrem damaligen Lebensgefährten Friedrich Kurz entstand das Musical „Shakespeare und Rock’n’Roll“. © imago stock&people | /teutopress
Von Juni 2004 bis Ende 2007 stand Hænning gemeinsam mit Wencke Myhre und Siw Malmkvist mit dem Programm Gitte, Wencke, Siw – Die Show („GWS – Die Show“) über 500 Mal in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Bremen, in der Schweiz und in Österreich sowie an zahlreichen anderen Orten auf der Bühne. Ein überwältigender Erfolg. Es folgten weitere Einzeltourneen, Alben und ...
Von Juni 2004 bis Ende 2007 stand Hænning gemeinsam mit Wencke Myhre und Siw Malmkvist mit dem Programm Gitte, Wencke, Siw – Die Show („GWS – Die Show“) über 500 Mal in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Bremen, in der Schweiz und in Österreich sowie an zahlreichen anderen Orten auf der Bühne. Ein überwältigender Erfolg. Es folgten weitere Einzeltourneen, Alben und ... © imgo | Sven Simon
... auch die Theaterbühne blieb ein ständiger Auftrittsort. Im Jahr 2010 spielte und sang sie in der Shakespeare-Theaterinszenierung von „Was ihr wollt“ unter anderem im Renaissance Theater in Berlin.
... auch die Theaterbühne blieb ein ständiger Auftrittsort. Im Jahr 2010 spielte und sang sie in der Shakespeare-Theaterinszenierung von „Was ihr wollt“ unter anderem im Renaissance Theater in Berlin. © dpa | Soeren Stache
Seit 2015 tritt sie mit ihrem Programm „All by myself“ auf. Alles Gute, Gitte!
Seit 2015 tritt sie mit ihrem Programm „All by myself“ auf. Alles Gute, Gitte! © dpa | Rolf Vennenbernd
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Zu stark noch sind die Erinnerungen an die 60er-, 70er-Jahre, als sie an der Seite von Rex Gildo seichte Liedchen trällerte: „Vom Stadtpark die Laternen“ zum Beispiel. Hits, die ankamen, die aber auch dazu führten, dass sich Haenning vom Schlagerbusiness auf eine Rolle festgelegt fühlte. Sie lehnte diese Fixierung ab. Es sollte ihr gelingen, was Rex Gildo nicht geschafft hatte: Sie wollte raus aus der Verhaftung durch das Publikum auf ein ewiges Hossa.

Haenning will die Menschen überraschen

„Wenn man sich zu sehr vom Publikum leiten lässt, verliert man sich selbst“, sagte sie in einem Interview. „Ich muss klug genug sein, die Menschen immer wieder zu überraschen. “ Das war sie.

Haenning, die 1973 Deutschland beim Eurovision Song Contest vertrat und mit „Jetzt dreht die Welt sich nur um dich“ Achte wurde, bezeichnete sich lieber als Popvokalistin. Sie sang die deutsche Version von Andrew Lloyd-Webbers „Take that look off your face“ („Freu’ dich bloß nicht zu früh“) und fühlte sich bei ihren Hommagen an Ella Fitzgerald und Judy Garland in ihrem Element. Ende der 90er-Jahre trat sie sogar in George Taboris Theaterprojekt „Zauberflöte“ in einem Zelt in Berlin auf. Weit weg war sie nun von dem, was sie geprägt hatte.

Für den Vater das „süße Vehikel“

Es hat sie nie losgelassen, dass sie mit acht Jahren auf der Bühne stand und „Ich will meinen Papa heiraten“ sang. Jahrzehnte später sagte sie in einem „Stern“-Interview, dass ihr Vater „mit mir seine unerfüllten Wünsche wahr machen wollte“. Er habe sie als „süßes Vehikel“ für seine eigene Karriere als Liedermacher genutzt. „Als sich der Erfolg einstellte, versprach er mir ein Fahrrad, damit ich weitermache. Aber auch sein autoritäres Verhalten war ein gewisser Antrieb für mich – es gab halt immer Zuckerbrot und Peitsche.“ Wenn auch spät, aber sie wollte ihrem Vater verzeihen: Mit einem Jazzkonzert 1997 in Berlin und dem Album „Songs for my father“ setzte sie ein Zeichen der Versöhnung.

In Erinnerung bleiben allerdings andere Lieder. „Ich hab die Liebe verspielt in Monte Carlo“ und – was wohl mehr nach ihrem Geschmack sein wird – „Ich will alles – und zwar sofort“; nur keinen Cowboy als Mann.