Berlin. Viele hätten das Böhmermann-Gedicht einfach nicht verstanden, sagt Komiker Kalkofe. Merkels Entscheidung sei „ein Tritt in die Eier“.

Der Fall Böhmermann hat in den vergangenen Tagen für mächtig Aufsehen gesorgt – in der Politik, im In- und Ausland und auch in der Medienbranche. Viele stellen sich hinter den Satiriker, allen voran sein Kollegen Oliver Kalkofe. Der hat jetzt in einem Kommentar auf YouTube Merkels Entscheidung für ein Strafverfahren gegen Böhmermann als „Tritt in die Eier der Satirefreiheit“ bezeichnet.

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In dem Video, das der Komiker am Sonntagabend veröffentlichte, erläutert er noch einmal den Fall Böhmermann und bezeichnet diesen als den absurdesten „Fall der Realsatire der deutschen Geschichte“. Denn es ist die „erste Satire, die zur Staatsaffäre wurde, weil viele wichtige Leute zur falschen Zeit den Witz nicht verstanden haben“.

Das Schmähgedicht an sich, das Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ zum Besten gab, spielt laut Kalkofe dabei keine Rolle. Die Provokation sei die Satire gewesen, nicht das Gedicht ans ich. Es sei in dem Zusammenhang absolut egal, ob das Gedicht noch Satire oder schon Beleidigung, ob es lustig war oder nicht. „Die beabsichtigte Satire war niemals und zu keinem Zeitpunkt das vollkommen irrelevante Gedicht an sich, sondern lediglich die Präsentation desselbigen“, stellt er klar. Der satirische Sinn hinter der ganzen Aktion sei lediglich gewesen, einen provokanten Kommentar zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen Umgang mit Satire abzugeben. Böhmermann habe nach dem Eklat um die Erdogan-Satire bei „Extra 3“ bewusst noch einen drauf setzen wollen.

Die Provokation war die Satire

Das Gedicht selbst nennt der Kabarettist plump und beleidigend, jedoch so bewusst „auf Kindergarten-Pöbel-Niveau“ überzogen, dass davon auszugehen sein müsse, dass ein souveräner Erwachsener die „Cartoonhaftigkeit der dummdreisten Beleidigung“ verstehe. Und genau solch eine Provokation sei auch die Aufgabe der Satire, sagt Kalkofe in seinem Video weiter.

Eine Mitschuld an der Eskalation der Situation gibt Komiker Kalkofe auch der Bundeskanzlerin: Das Spiel mit der Metaebene sei für sehr viele Menschen zu hoch gewesen, sagt er. Das habe auch die vorschnelle Reaktion des ZDF und der Kanzlerin gezeigt. Angela Merkel habe mit ihrem „vorauseilenden Gehorsam“, mit dem sie einer möglichen Empörung Erdogans zuvorkommen wollte, erst die Grundlage geliefert – für alles, was noch kommen sollte. Merkel hatte kurz nach der Veröffentlichung des Gedichts mit dem türkischen Präsidenten telefoniert – und in dem Gespräch deutlich gemacht, dass der Text des Gedichts eine absichtliche Verletzung Erdogans sei. Erst diese offizielle Einschätzung von Merkel in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin, so Kalkofe, habe dazu geführt, dass die Satire zu einer Staatsaffäre wurde.

Entscheidung war Tritt in die Eier

Kalkofe vertritt seine Meinung klar: Um ein Zeichen zu setzen, hätte die Regierung einlenken und auf die Gewaltenteilung in Deutschland hinweisen müssen. Die Majestätsbeleidigung im Sinne des Paragrafen 103 hätte Merkel hingegen mit Verweis auf die Satire- und Pressefreiheit zurückweisen sollen. Und was die persönliche Beleidigungsklage des türkischen Präsidenten betrifft, kümmere sich ohnehin die Justiz – ob mit oder ohne Einmischung der Regierung.

Das Resümee des Komikers ist ein frustriertes: Der Fall zeige, dass in Deutschland zwar Satirefreiheit theoretisch gegeben ist, diese jedoch dort endet, wo der Adressat den Witz nicht verstanden hat, sagt Kalkofe. „Diese Entscheidung war vielleicht nicht der Tod der Satirefreiheit, aber zumindest ein gewaltiger Tritt in ihre Eier.“