Berlin. Kabarettistin und Buchautorin Désirée Nick lässt kaum ein gutes Haar an den Männern. Ihre Wut hat mit eigenen Erfahrungen zu tun.

Wie sie in das Café am Berliner Gendarmenmarkt hineinschreitet: Samtmantel, Sonnenbrille, den platinblonden Kopf steif in den Nacken gelegt. Désirée Nick, eine grelle Erscheinung, nach der sich aber keiner umdreht.

Dabei ist Frau Nick (59) davon überzeugt, dass sie eine Berühmtheit ist. Vor allem in Berlin, wo sie geboren ist, wo sie in den Kabaretts Stammgast ist seit ewigen Zeiten. Aber auch, wenn sie herumwirbelt in diesem Café, es guckt keiner. Das ist schon bitter.

Überhaupt strahlt diese Frau hinter dem Lächeln, das sie aus- und anknipsen kann wie eine Lampe, eine gewisse Härte aus. Die Aktrice, die ihr Publikum mit schlüpfrigen Witzen füttert, die Kabarettistin, die ihre Zuschauer in Talkshows mit ihren männermordenden Thesen vergnügt, ist abseits der Bühne ernst und bestimmt. Sie versucht erst einmal, das Ruder in die Hand zu nehmen.

„Ich habe die Figur einer Achtzehnjährigen“

Ihr gefällt der ausgewählte Platz im Café nicht. Sie sucht eine andere Sitzecke aus und befiehlt, sich umzusetzen. Kaum sitzt sie, wirkt sie, als wolle sie wieder gehen. Dabei winkt sie nicht dem Taxi vor der Tür, sondern nur der Kellnerin, die direkt neben ihr steht.

Sie bestellt Bananen-Cheese-Kuchen und einen Ingwer-Minz-Tee mit einer Dramatik, als hätte sie eine Bypassoperation in Auftrag gegeben. Wer ihr gegenübersitzt, wird immer kleiner in seinem Sessel. Warum man nichts isst, fragt sie. Als ob man sich das trauen würde bei so einer strengen Schlanken, die begeistert über ihre Figur spricht und dabei mit den Fingernägeln über ihren Körper geht, als streichle sie ein Spitzendeckchen: „Ich habe immer noch die Figur einer Achtzehnjährigen“, sagt sie. Ihre Gesten sind groß, ihr Ton ist großspurig – keine Diva, nein, mehr die Parodie einer Diva. Es braucht Zeit, bis sie das Exaltierte ablegt.

Berühmt durchs Dschungelcamp

Wenn sie sich aufregt, vergisst sie, ihre Rolle zu bedienen. Und sie regt sich gerne auf. Weil sie sich schnell in die falsche Ecke gedrängt fühlt. Fällt das Wort „Dschungelcamp“ wird ihr Mund noch schmallippiger. Dabei war sie doch die Dschungelkönigin. Sie bediente das Trash-TV und interpretiert nun Niveau hinein. Das ist paradox. Da sie klug ist, merkt sie das. Deshalb auch der trotzige Ton: „Der Dschungel ist unstrittig ein Stück globale, mediale Popkultur“ – sie schreit das fast. Schließlich habe sie davon profitiert. „Vorher kannten mich die vier Millionen unserer Hauptstadt, nach dem Format 80 Millionen Deutsche.“ Ob sie das noch einmal machen würde? „Ich wiederhole mich nicht. Heute schreibe ich Bestseller.“

Ihre Bücher heißen. „Gibt es Leben nach fünfzig“ , „Liebling, ich komme später – das große Buch vom Seitensprung“. Das neue Buch trägt den Titel: „Säger und Rammler und andere Begegnungen mit der Männerwelt“ (Heyne-Verlag). Die Männer, das ist der rote Faden, sind Witzfiguren. Man merkt es in jeder Zeile, dass Madame noch eine Rechnung mit ihnen offen hat. Im Grunde hätten die Männer immer versucht, sie für dumm zu verkaufen. Eine Blondine kauft ein Auto, eine Blondine kauft ein Haus, eine Blondine auf dem Finanzamt, eine Blondine im Baumarkt – ein Gefühl wie im Blondinenwitz. Nick habe ihre negativen Erfahrungen gemacht. Und ihr Mundwerk geschult. „Wenn mich jemand verarschen will, mache ich eben Stress.“

Wut auf Männer – und auf die Gesellschaft

Was sie aber besonders geprägt hat, war die Erfahrung, sitzen gelassen worden zu sein. Sie musste ihr Leben selbst in die Hand nehmen und für sich und ihr Kind Geld verdienen. Ihr Sohn ist jetzt 19. Ein toller Junge sei er. Studiert in England, mehr sagt sie nicht. Aber ihr Gesicht zeigt neben der Strenge etwas wie Stolz.

Wenn sie über ihn spricht, gerät sie in Wut über all die Männer, die abhauen und keine Alimente zahlen. Sie fühlte und fühlt sich immer noch von der Gesellschaft im Stich gelassen. „Deutschland ist ein Entwicklungsland im Familienrecht. In den USA werden Männer, die keine Alimente zahlen, kriminalisiert, so etwas gilt dort als Kapitalverbrechen. In Deutschland zuckt man nur mit den Achseln.“

Als junges Mädchen fehlte ihr Selbstvertrauen

Um sich und ihr Kind durchzubringen, habe sie gearbeitet wie ein Tier. Ohne Unterlass, ohne Urlaub. Schlaf war schon immer was für Weicheier. Wenn sie zu allem noch Bücher schreibe, stehe sie auch schon mal um vier Uhr morgens auf. „Das Leben ist kein Spaziergang“, sagt sie ungewohnt normal. Sie ist jetzt ganz ruhig. Erzählt, wie wenig sie sich früher zugetraut hatte. „Ich habe als Balletttänzerin nie geglaubt, dass ich ein Publikum auch allein unterhalten kann.“

Dieser Satz, so scheint es, ist ein Schlüssel zu ihrer Persönlichkeit. Es ist der Selbstzweifel, der in ihr verwurzelt ist, und den sie durch ihr grelles Auftreten zu verdrängen sucht. In solchen Momenten ist Désirée Nick eine Frau wie jede andere. Aber dann greift sie wieder zur großen Geste, wirft die Arme in die Luft und ruft mit starrem Blick, dass das Theater ihre Heimat wurde. Die Rolle hat sie wieder.