Berlin. Schauspieler Sebastian Koch spricht im Interview über seinen Film „Unsere Wildnis“, Umweltschutz und die Hassliebe zu Dokumentationen.

Er gehört zu den deutschen Schauspielern, die auch international als Charakterdarsteller gefragt sind: Sebastian Koch (53) spielte zuletzt im Oscar-prämierten Hollywoodfilm „The Danish Girl“ den Arzt von Eddie Redmayne und war in „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ an der Seite von Tom Hanks zu sehen. Nun kommt der gebürtige Karlsruher mit einer neuen Rolle: Er führt die Zuschauer als Erzähler durch die Naturdokumentation „Unsere Wildnis“.

Frage: Nach „Nomaden der Lüfte“ und „Unsere Ozeane“ haben Jacques Perrin und Jacques Cluzaud mit „Unsere Wildnis“ erneut eine beeindruckende Dokumentation gedreht. Was unterscheidet ihre Arbeiten von anderer Naturdokumentationen?

Sebastian Koch: Der prägnanteste Unterschied ist, dass ihre Filme nicht versuchen, zu erklären und zu bevormunden. Das Voice-Over (Erklärung durch den Erzähler, Anmerkung der Redaktion) wird sehr sparsam eingesetzt – wie jemand, der einen an die Hand nimmt, um dich durchs Geschehen zu führen. Die Dokumentation spricht ganz durch ihre Bilder, zudem ist kein Vorwurf gegenüber irgendwem enthalten. Der Zuschauer bewegt sich einfach mit den Tieren. Der Film hat eine ganz besondere Ruhe und sehr speziellen Rhythmus, sodass „Unsere Wildnis“ quasi zu einer sinnlichen Erfahrung wird. Man verlässt den Kinosaal und ist danach richtig bewegt. Der Film macht etwas mit einem.

Frage: Gab es etwas, dass Sie besonders beeindruckt hat?

Sebastian Koch: Die Wildpferde waren besonders beeindruckend, wenn sie gleichzeitig zu kämpfen und zu spielen scheinen. Das sieht sehr faszinierend aus. Generell gesprochen haben mich besonders die Dinge angesprochen, die seit Hunderten von Jahren in unseren Wäldern passieren, die wir aber gar nicht so genau wahrnehmen. Seien es Wölfe, die Pferde jagen. Das sind alles Tiere aus unserer Kultur, die wir vermeintlich kennen. Durch den Film lernen wir sie von einer anderen Seite kennen. „Unsere Wildnis“ nimmt sich sehr viel Zeit, um die Balance, die eigentlich Jahrtausende gehalten hat, zu zeigen, ohne sie zu kommentieren oder zu bewerten. Den Regisseuren geht es vielmehr darum, den Zuschauer in ihre Welt zu entführen und mitzunehmen.

Frage: Welche Rolle spielt die Natur in Ihrem Leben?

Sebastian Koch: Mein Leben als Schauspieler ist aufgrund der vielen Reisen und den Filmen, die ich mache, nicht gerade von Ruhe geprägt. Ich brauche aber immer mal wieder einen Ausgleich. Ich habe ein kleines Haus am See, ungefähr eine Stunde von Berlin entfernt, das ist ganz einsam gelegen. Da fahre ich gerne hin, da kommt man sofort in einen anderen Rhythmus.

Frage: Was genießen Sie an diesem Ort neben der Ruhe noch?

Sebastian Koch: Der Lebensrhythmus verändert sich dort. Das geschieht von ganz allein. Ich komme auf ganz andere Gedanken als sonst, gucke aufs Wasser und entspanne. Gerade die Stunde zwischen 18 Uhr und 19 Uhr, wenn sich die Natur zur Ruhe legt, ist besonders schön. Die Geräusche verebben langsam, und gerade im Winter legt sich da eine sogenannte blaue Stunde. Das ist sehr beruhigend, das hat man in der Stadt leider nicht.

Frage: Versuchen Sie auch, die Natur mit seinen tierischen Bewohnern zu schützen?

Sebastian Koch: Ich engagiere mich in Form meiner Arbeit. Ich wähle Filme aus, an die ich glaube und für die ich mich reinhänge, Filme, die meiner Meinung nach unbedingt gemacht werden müssen. Oder ich versuche durch Sprechrollen Filme wie „Unsere Wildnis“ zu unterstützen.

Frage: Wie hat „Unsere Wildnis“ Sie verändert?

Sebastian Koch: Es ist genau wie wenn ich bei mir am See sitze: Ich erlebe meine Umwelt bewusster. Ein Film, aus dem man anders rauskommt als man reingeht. Man kann es mit einem Film wie „Gravity“ vergleichen, die Dimensionen verschieben sich.

Frage: Apropos anderer Rhythmus: Ist ein Projekt wie „Unsere Wildnis“ zwischen Produktionen wie „The Danish Girl“ und „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ eine Ruhepause für Sie?

Sebastian Koch: Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Das Sprechen für „Unsere Wildnis“ ist für mich auch ein persönliches Engagement, da mich das Thema auch abseits der Dokumentation interessiert. Ich wünsche mir, dass viele Menschen sich diesen Film ansehen. Ich habe gerade die beiden Regisseure Jacques Perrin und Jacques Cluzaud getroffen und es ist unglaublich, über was für einen langen Zeitraum sie sich mit diesem Thema beschäftigen – fünf Jahre. Auch die Unermüdlichkeit, mit der Jacques Perrin Gelder für solche Projekte sammelt, beeindruckt mich tief. Es sind sehr aufwendige Filme, die Dokumentation hatte ein Budget von 33 Millionen Euro. Den beiden Jacques ist ganz besonderes Kino gelungen.

Frage: Als Schauspieler sind Sie ja meist relativ kurze Zeit an eine Produktion gebunden. Könnten Sie sich vorstellen, auch mal fünf Jahre für ein einzelnes Projekt zu investieren?

Sebastian Koch: Ich bin generell jemand, der nicht einfach nur kurz seinen Text lernt und diesen dann am Set auswendig aufsagt, sondern der sich auch im Vorfeld eines Projekts ausgiebig mit dem jeweiligen Thema befasst. Ich lese das Drehbuch und versuche, es mit den Beteiligten immer noch weiter zu optimieren, noch besser zu machen. Auch später dann im Schneideraum. Ich sehe die Arbeit an einem Film als Teamwork. Zum Glück finde ich auch immer wieder Leute, die in diesem Bereich dieselben Interessen verfolgen wie ich und es gutheißen, dass ich mich einmische. Das bedeutet also, dass ich einem Projekt eigentlich immer über einen recht langen Zeitraum verbunden bin, wenn auch vielleicht nicht fünf Jahre.

Frage: Welche Einwirkungsmöglichkeiten hatten Sie beim Einsprechen von „Unsere Wildnis“?

Sebastian Koch: Es gab in diesem Fall schon einen Text und da dieser sehr gut war, musste man daran auch nicht sonderlich viel ändern. Und wie gesagt, es ist kein erklärender Text, es wird relativ wenig gesprochen. Das fand ich sehr schön. Nur elementare Informationen wie die Veränderung der Erdachse um ein paar Grad werden genannt, weil es Dinge sind, die man als Zuschauer unbedingt wissen muss. Dadurch wird der Film wie eine Zeitreise in eine andere Welt.

Frage: Können Sie sich auch privat für Dokumentationen begeistern?

Sebastian Koch: Auf jeden Fall, aber mich stört oft, dass da viel zu viel erklärt wird, statt dem Zuschauer seinen Raum zu lassen. Erklärungen sind zwar grundsätzlich gut, weil man oft etwas erfährt, dass man vorher nicht wusste. Aber wenn zu viel erklärt wird, kann man sich zum einen den Inhalt kaum umfassend merken und zum anderen sich auf das eigentliche Geschehen nicht mehr angemessen konzentrieren. Wenn man über Emotionen angesprochen wird, bleibt viel mehr hängen und man kommt viel eher zum Nachdenken.

Frage: Wo sehen Sie die größte Gefahr für Flora und Fauna? Sind es die Menschen oder ist es der natürliche Gang der Dinge, der für die gravierendsten Veränderungen sorgt?

Sebastian Koch: Das kann man sich aussuchen. Man kann einfach sagen, vielleicht dreht sich die Erdachse in ein paar tausend Jahren um ein Grad, dann haben wir vielleicht wieder Winter. Das geht aber über Jahrtausende. Soweit können wir gar nicht vorausschauen. Was ich mit Entsetzen wahrnehme, ist, dass wir in dieser kurzen Zeit der Industrialisierung unendlich viel kaputt gemacht haben und die Balance der Welt ins Wanken gebracht haben, welche die Grundlage eines jeden Lebens ist. Das erschreckt einen richtig.

Frage: Und macht nachdenklich.

Sebastian Koch: Mich eher ohnmächtig. Wenn man sieht, dass die Politiker sich zu einem großen Weltklimagipfel treffen und dann entschieden wird, dass sie ab dem Jahr 2020 anfangen wollen, Dinge zu verändern, dann bin ich fassungslos. Denn in unserer Situation muss man sofort tätig werden, um etwas zu verändern. Der Bedarf auf die aktuellen Gegebenheiten zu reagieren, ist schlicht zu groß.