Berlin. Seit fast 80 Jahren ist die Sängerin Juliette Gréco im Showgeschäft. Als Inspiration dient ihr vor allem ihr eigenes bewegtes Leben.

Juliette Grécos Stimme klingt tief und klar. Die 88-jährige Chanson-Ikone scheint nichts so leicht aus der Ruhe zu bringen. Auch nicht die Aussicht auf ihren letzten Auftritt in Berlin am kommenden Montag im Friedrichstadt-Palast. Nach 78 Jahren auf der Bühne verabschiedet sie sich mit der Tournee „Merci!“ von ihrem deutschen Publikum. Karoline Beyerund Maria Bildian sprachen mit Juliette Gréco über den Chanson und ein langes Leben auf der Bühne.

Ist das deutsche Publikum ein besonderes Publikum?

Juliette Gréco: Es ist besonders aufmerksam und großzügig – ein sehr gutes Publikum. Die Menschen in Deutschland kommen und wissen ganz genau, was sie hören und sehen werden.

Sie kannten große Dichter und Philosophen wie Jean-Paul Sartre, Albert Camus und Simone de Beauvoir. Mit wem haben Sie gern Wein getrunken?

Gréco: Ich habe früher überhaupt keinen Wein getrunken. Alle vergessen immer, dass ich zu jener Zeit sehr jung war – mit 17, 18 Jahren war man damals noch sehr jung. Diese berühmten Menschen waren aber schon älter und bereits Professoren an der Sorbonne. Ich habe mich sehr gerne mit Maurice Merleau-Ponty unterhalten und bin mit ihm ausgegangen, aber Boris Vian war mir eigentlich viel näher, weil er jünger war. Der Humorvollste war eindeutig Sartre, sehr lustig und sehr fröhlich.

Die Lieder sind nicht unbedingt politisch

Sänger wie Klaus Hoffmann interpretieren den Chanson auch auf Deutsch. Warum ist das Genre auch hier so beliebt?

Gréco: Das deutsche Publikum hat einfach einen guten Geschmack und ist außerdem sehr gebildet. Wie in Frankreich gibt es auch in Deutschland Menschen, die dieses Genre schätzen und besonders kundig sind.

Können die Botschaften des Chansons politisch oder gesellschaftlich etwas bewirken?

Gréco: Meine Lieder sind nur ab und zu politisch. „Sous Le Ciel De Paris“ oder „Les Feuilles Mortes“ sind beispielsweise Liebeslieder. Auch wenn ich privat vielleicht ein politisch engagierter Mensch bin, meine Texte stammen von Dichtern oder Schriftstellern. Es ist nicht immer eine politische Kampagne, wenn ich singe. Tatsächlich gibt es eher einen poli­tischen Ton oder eine Farbe, die dahintersteckt. Wer zum Konzert kommt, hört Lieder über mein Leben, über glückliche oder unglückliche Ereignisse darin. Ich singe nicht immer die französische Hymne, die „Marseillaise“, da gibt es ein Missverständnis. Ich singe über die Liebe, die Freude, die Hoffnungslosigkeit, aber vor allem über das Leben.

Erste Begegnung mit Berlin hat die Sängerin schockiert

Sie sind oft in Berlin aufgetreten, zuletzt 2007. Welche Erinnerungen haben Sie?

Gréco: Ich hatte leider keine Zeit, spazieren zu gehen, wenn ich in Berlin war. Aber ich erinnere mich an das erste Mal nach dem Krieg, als ich kam. Ich war von Herbert Karajan in die Philharmonie eingeladen worden. Was ich damals von der Stadt sah, hat mich sehr schockiert und berührt. Die schmerzliche Erinnerung an das Geschehene war sehr präsent, der Frieden gerade erst beschlossen.

Sie leben am Meer, haben dort ein Haus, viele Tiere. Leben Sie lieber auf dem Land als in der Stadt?

Gréco: Eigentlich leben bei mir nur Menschen. Allerdings werde ich gerne von vielen Katzen besucht, die ich aber nicht gut kenne. Heute lebe ich auf dem Land, weil ich extrem viel arbeite. Es ist angenehmer, nach Hause zu kommen und auf dem Land zu sein und Vogelgezwitscher zu hören. Aber wenn ich einmal aufhöre zu arbeiten, werde ich wieder nach Paris ziehen.

Haben Sie einen Traum, den Sie sich nach dieser letzten Tournee noch erfüllen möchten?

Gréco: Nein. Ich will meinem Beruf nachgehen und nicht darüber nachdenken, was ich danach tun werde. Das macht mir Angst.