Berlin. Mit ihren Comics hinterfragt Liv Strömquist vieles in unserer Gesellschaft. In ihrem neuen Band sucht sie Erklärungen, warum viele Menschen so gerne Selfies machen - und weshalb Schneewittchens Stiefmutter vielleicht doch gute Argumente hatte.

Beim Blick in den Spiegel haben sich das wohl viele Menschen schon gefragt: Sehe ich eigentlich gut aus? Mancher kann den Gedanken dann wegwischen, andere bemühen sich, ihrem Ziel näher zu kommen. Die schwedische Autorin Liv Strömquist schaut nun in einem neuen Comic auf unsere Eitelkeiten. "Im Spiegelsaal" fragt zum Beispiel, warum Menschen so gerne Selfies machen.

Die Autorin guckt dabei auf US-Promi Kylie Jenner , auf die Büste der Nofretete und die österreichische Kaiserin Sisi. Es geht um Schönheit als Status und die Angst vor Vergänglichkeit. "Sich ständig selbst zu fotografieren, entspricht dem Wunsch, die Zeit zum Stillstand zu bringen, die Zeit anzuhalten", schreibt Strömquist.

Konstruiertes Selbstbild führt zu Entfremdung

Man versuche, sein eigenes Aussehen zu bewahren. "Es ist eine Art Protest gegen die eigene Bedeutungslosigkeit, die eigene Sterblichkeit", heißt es in ihrem Buch. Strömquist blickt mit Comics wie "Der Ursprung der Welt" und "Ich fühl's nicht" immer wieder aus feministischer Perspektive auf das Leben.

Auch im neuen Band geht es beispielsweise um widersprüchliche Erwartungen an Frauen. Schon früher sollten sie besonders schön sein - aber möglichst nichts dafür tun müssen. Aufbrezeln galt mitunter als verpönt. Sie beschreibt auch, wie sich Menschen von sich selbst entfremden können, wenn sie in sozialen Medien ein besonders konstruiertes Bild von sich zeigen.

Ein interessanter Gedanke: Wenn Menschen nun vermeintlich unperfekte Fotos veröffentlichen, von speckigen Bäuchen und Schwangerschaftsstreifen etwa, ist das nicht auch nur Vermarktung?

Sehr lesenswert jedenfalls ist das Kapitel über Schneewittchens Stiefmutter. Strömquist erklärt darin nicht nur, warum Stiefmütter oft die Bösen sein müssen (vermutlich, weil wir es nicht ertragen, an unseren eigenen Müttern auch die schädlichen Seiten zu sehen). Sie bringt auch ein gewisses Mitgefühl für die Märchenfigur auf - schließlich zeigten viele Untersuchungen, dass Frauen in erheblich höherem Maße nach ihrem Aussehen beurteilt würden als Männer.

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