Dhaka. Corona hat Zehntausende Näherinnen in Bangladesch arbeitslos gemacht. Große Modeunternehmen haben ihre Bestellungen gestrichen. Mithilfe eines neuen Start-ups können Menschen aus Deutschland helfen.

Die Weltwirtschaft hat mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Besonders hart trifft es die Ärmsten der Armen - zum Beispiel Näherinnen in Bangladesch.

Das südasiatische Land ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt, aber der zweitgrößte Kleiderproduzent für den Weltmarkt. Kleidungsstücke machen etwa 80 Prozent des gesamten Exports von Bangladesch aus, die Textilproduktion ist eine der größten Einnahmequellen.

Als aber die Corona-Pandemie kam, haben große Modefirmen aus Europa und den USA Aufträge im Wert von mehreren Milliarden Dollar plötzlich ausgesetzt oder storniert. Im Zuge des Lockdowns waren ihre Läden länger geschlossen, neue Kleider brauchten sie nicht. Und da fehlte den Fabriken in Bangladesch das Geld für Lohnfortzahlungen. Hunderttausende Fabrikbeschäftigte - hauptsächlich Frauen - wurden entlassen. Normalerweise arbeiten rund vier Millionen Menschen in Bangladesch direkt für die Textilindustrie.

Weiterverkaufen statt wegschmeißen

Als er von der Situation in dem asiatischen Land hörte, hatte der Brite Cally Russell eine Idee. Er wollte die Kleider verkaufen, die andere Modefirmen zwar bestellt hatten, aber dann nicht mehr wollten. Diese gibt es auf der Internetseite www.loststock.com etwa zur Hälfte des Ladenpreises zu kaufen, wie Russel sagt, der auch Chef einer britischen Mode-App für Kleider verschiedener Marken ist.

Ein Teil des Erlöses werde jeweils an eine Fabrikarbeiterin in Bangladesch und ihre Familie weitergegeben, damit sie wichtige Dinge wie Essen kaufen könne. Russell sagt, er habe aus Bangladesch gehört, dass einige Fabriken die übrig gebliebenen Kleider wegwerfen würden, wenn sie niemand kaufe.

Deutsches Entwicklungsministerium unterstützt Bangladesch

Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt die Näherinnen in Bangladesch. "Eine direkte Unterstützung in Form einer Art Kurzarbeitergeld erreichen wir durch monatliche Direktzahlungen an Textilarbeiterinnen", erklärt ein Sprecher des Ministeriums der dpa. Derzeit ist auch ein Textil-Hilfsfonds in Planung, an dem sich neben dem Ministerium auch die großen Modeketten beteiligen sollen.

Zudem unterstützt das Ministerium die Produktionsstätten vor Ort bei der Umstellung der Produktion auf technische Textilien. "Dazu können auch zertifizierte Mund-Nase-Masken gehören."

Modepaket mit ungewissem Inhalt

Zurück zu Russell: Er hat sich für sein Start-up noch einen besonderen Clou einfallen lassen. Die Käufer wissen bei der Bestellung nicht genau, was sie am Ende bekommen. Auf der Internetseite kann man zwar gewisse Präferenzen angeben - helle oder dunkle Kleider, mit oder ohne Muster, man nennt seine Größe, Geschlecht und Alter. Dann erhalten die Käufer eine entsprechend ausgewählte Kleidertüte rund zwei Monate nach der Bestellung, wie Russell sagt. Der Inhalt? Überraschung.

Falls einem die Kleider nicht gefallen, kann man sie jedoch nicht umtauschen. Er habe ein Null-Müll-Modell, sagt Russell und ermuntert Kunden, ungeliebte Stücke lieber untereinander zu tauschen.

In den vergangenen zwei Monaten hätten Menschen weltweit bereits 110.000 Tüten bestellt, sagt Russell. Seit Kurzem kann man übrigens auch nach Deutschland bestellen.

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