Liza Marklunds neuer Roman mit der Heldin Annika Bengtzon befasst sich mit den Gefahren des Extremismus: Ein Interview mit der Autorin

Längst hat sich die schwedische Journalistin, Kolumnistin und TV-Moderatorin Liza Marklund in die Krimi-Elite ihres Landes geschrieben. Ein Grund ist der besondere Charme ihrer Dauerheldin: Die Reporterin Annika Bengtzon ist eine kantige Figur und kein Superweib. In Marklunds neuem Roman "Der rote Wolf" rollt Bengtzon den Anschlag auf einen Militärflughafen Ende der 60er-Jahre auf, der nie aufgeklärt wurde - ein abseitiges Thema, findet ihr Chefredakteur. Aber dann wird ein Zeitungskollege, der am selben Thema arbeitet, ermordet. Und ein verdächtiger Terrorist, der nach Jahren wieder in Schweden auftaucht, hat brisanterweise Verbindungen zu einer Prominenten: der Kultusministerin.

JOURNAL: Frau Marklund, was reizte Sie an den 68ern?

LIZA MARKLUND: Die faszinierten mich schon in meiner Teenagerzeit Anfang der 80er, denn sie waren der absolute Gegenpol zum damaligen Trend: Sei jung, sei schlank, gefall den Jungs, verwirkliche selbst. Ich fand es toll, dass die 68er die Welt verändern wollten. Es gab in Nordschweden eine radikale Zelle, die aber anders als in meinem Buch schnell wieder unterging. Überwiegend verlief die Bewegung bei uns freundlich und sozialdemokratisch. Leute, die damals linke Gallionsfiguren waren, regieren heute Schweden, große Konzerne und Medien.

JOURNAL: Manche von ihnen haben sich in ihren wilden Jahren angreifbar gemacht.

MARKLUND: . . . und andere sind in der Zeit stehen geblieben und tief gekränkt, dass sie von der Macht ausgeschlossen blieben. Wie eine der Romanfiguren: Keiner merkte, wie "großartig" er war, die Revolution kam nicht. Das macht ihn gefährlich.

JOURNAL: Sie streifen im Buch aktuelle Probleme, zum Beispiel Gewalt und Drohungen gegen Politiker.

MARKLUND: Fast jeder dritte Politiker in Schweden wurde mindestens einmal persönlich bedroht. Das jüngste Beispiel ist die Ermordung von Anna Lindh. Es ist ein Riesenproblem, denn am Ende mag sich kaum noch jemand politisch engagieren. Man kann nur das öffentliche Bewusstsein dafür schärfen; und eine Gesellschaft schaffen, in der sich niemand ohnmächtig fühlen muss.

JOURNAL: Ihre Heldin Annika ist eine starke, oft schonungslose Figur, aber in diesem Buch steht sie psychisch auf der Kippe.

MARKLUND: Ja, sie bewegt sich in einem Dauerstress zwischen Kita-Zeiten, Ehekrise und Redaktionszwängen. Sie ist stark, weil sie keine Angst davor hat, gegen Wände zu laufen. Und diese Stärke missbraucht sie sogar, um das Wichtigste zu schützen: ihre Ehe und Familie. Da ist sie sehr verletzlich. Interview: Irene Jung

Liza Marklund: Der rote Wolf, Hoffmann und Campe, 447 S.; 22,90 Euro.

Themen-abend "Mörderische Frauen" auf arte mitLiza Marklund: 27. 8., ab 22.15 Uhr.