Zurück zu alter Klasse: Peter Handke erzählt in seinem neuen Roman von der inneren Verlorenheit eines legendären Verführers

In den letzten Jahren hat Peter Handke es uns schwer gemacht. Sein bizarres Eintreten für den serbischen Nationalismus stempelte ihn zum Außenseiter, seine letzten beiden Bücher ("Mein Jahr in der Niemandsbucht", "Der Bildverlust") sind Fremdkörper im Werk des begnadeten Erzählers. Aber sein Genie ist über den Eskapaden unbeschädigt geblieben. Handke erzählt im neuen Buch wieder so schaurig schön wie früher. Von der ersten Seite an berührt der traumverlorene Ton, versetzt mit typischen Formulierungen. "Es war, ohne irgendeinen Zauber, zauberhaft."

Handke erzählt von Don Juan, dem legendären Frauenverführer. Von einem heutigen, modernen Don Juan. Der Leser fragt sich unentwegt, wer da eigentlich erzählt - Don Juan oder der Eremit, zu dem er geflüchtet ist, oder durch beide hindurch Handke über sich selbst? Das wird geschickt verrätselt. Im Mittelpunkt dieser Novelle steht Handkes zentrales Thema: das Alleinsein des Menschen. Es bilde, ob gewollt oder ungewollt, die Mitte der Existenz, habe eine metaphysische Komponente, gehöre zur menschlichen Substanz, hat Handke in einem Interview gesagt.

Don Juan ist einsam. Er befindet sich standesgemäß auf der Flucht. Er hat ein Paar bei der Liebe beobachtet, ist ertappt worden. Der Spanner rettet sich zu einem Eremiten im Pförtnerhaus einer Klosterruine bei Versailles. Hier wird bereits mit dem ersten Missverständnis aufgeräumt: Don Juan ist mitnichten der smarte Charmeur, der liebestolle Draufgänger.

Er ist ein Getriebener, für die Liebe zu den Frauen geboren, aber einer, der es auch in der seriellen körperlichen Vereinigung nicht zur Intimität bringt. Ihm bedeutet die einzelne Frau, die er besitzt, nicht besonders viel. Don Juan interessiert das weibliche Ideal an sich. Nur in seltenen und kurzen Momenten emotionaler Nähe findet er es: in der Berührung zweier Hände, in einem Blick. Dann treibt es ihn weiter auf seiner rastlosen Odyssee. "Sie reichten einander die Hand; die beiden Hände wie für ein Leben lang ineinander zum Abschied. Enthusiastisch trennte er sich von ihr: Abschiedsparadies."

Zwischen dem Eremiten und Don Juan herrscht sofort Vertrautheit, sie gehen spazieren, sitzen zusammen, der eine Einsame nimmt dem anderen Einsamen seine Frauengeschichten ab.

Sieben Tage lang erzählt Don Juan, so lange, wie die Schöpfungsgeschichte dauerte. Er redet von seinem natürlichen sinnlichen Geschick, die Frauen fliegen ihm so zu wie die Schmetterlinge, die sich auf seine Schulter setzen, wie die Katze, die um seine Beine streicht, wie die Pilze, die er nicht suchen muss, sondern die einfach vor ihm stehen.

Er berichtet von Begegnungen mit Frauen in einem Dorf im Kaukasus während einer Bauernhochzeit, in Damaskus, in Nordafrika, Norwegen, Holland und der "Namenlosigkeit". Er beteuert, dass er keine einzige Frau habe schädigen wollen, weil er sie doch im Plural begehrt. Er hat Macht über die Frauen und Angst vor ihnen, weil über der Weiblichkeit der "Dürrefluch" liegt. Er weiß nicht, warum sie in ihm, dem Einsamen, ihren "Herrn" sehen, der sie erlösen soll. "Retter wovor? Einfach Retter." Manchmal verströmen seine Eroberungen etwas "Düsteres, ja Drohendes", sie sind "auf einer Schwelle, zum Sterben, zum Verrücktwerden, zum Auf-und-davon-Gehen, zum Totschlagen". Und er ahnt, dass jede Liebe, jedes Begehren auf das Besitzen hinausläuft. "Du willst mich tot, Frau, um mich betrauern zu können."

Doch Don Juan darf nicht sterben, er muss als Libertin schlechthin, als skrupelloser Verführer weiter unterwegs sein. Peter Handke hat ihn nur beim Eremiten Unterschlupf gewährt, damit er reden kann. Auch den Satz: "Wer ich bin, du wirst es nicht erfahren." Am Ende belagern die Frauen auch das Haus des Einsamen, dem Enthaltsamkeit nicht vergönnt ist. Don Juan darf nicht ruhen. Handkes Roman ist erkenntnisreich und absolut lesenswert.

Peter Handke: Don Juan (erzählt von ihm selbst) . Suhrkamp, Frankfurt 2004, 159 Seiten; 16,80 Euro.