Die männliche Breitflügelfledermaus hat einen zu großen Penis – und muss deshalb kreativ werden, um ihre Partnerin zu schwängern.

Der Penis von Säugetieren ist für zwei Dinge gut: für Sex und zur Ausscheidung von Urin. Seine Form verdankt er dabei seiner Fortpflanzungsfunktion. So soll der Penis in die Vagina des Weibchens eindringen, damit der Samen so nah wie möglich an die Gebärmutter transportiert wird. Lange Zeit glaubten Wissenschaftler, dass diese Methode auf alle Säugetiere, Mensch wie Blauwal, zutreffe. Bis der Evolutionsbiologe Nicolas Fasel sich den erigierten Penis der Breitflügelfledermaus einmal genauer anschaute.

Wie sich Fledermäuse fortpflanzen, stellte Forscher seit Langem vor Rätsel. Weil die Säugetiere nachtaktiv sind und ansonsten gut versteckt den Tag verschlafen, hatten sie Schwierigkeiten, ihr Paarungsverhalten zu beobachten. Als Fasel Spermaproben der in Europa verbreiteten Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) sammelte, fielen ihm allerdings die ungewöhnlichen Ausmaße des Penis auf. „Die Form ist super seltsam“, berichtet Fasel von seinem Fund bei „Scientific American“.

Riesiger Fledermauspenis: Wissenschaftler entdecken neue Fortpflanzungsmethode bei Säugetieren

Die herzförmige Spitze des gigantischen Fledermauspenis habe ihn und seine Kollegen zunächst verwundert. Wie soll das Männchen damit so die Vagina penetrieren können? Auch die Länge des Organs erstaunte: Immerhin ist der Penis im erigierten Zustand 22 Prozent so groß, wie der Kopf und Körper der Fledermaus lang sind. Damit ist er außerdem siebenmal länger und breiter als die Vagina des Weibchens.

Ein niederländischer Fledermausenthusiast bescherte den Forschern schließlich den Durchbruch. Er filmte auf einem Kirchendachboden aus nächster Nähe, wie sich die Breitflügelfledermäuse paarten. Auf dem Videomaterial war ein bisher völlig unbekanntes Fortpflanzungsverhalten zu sehen – ganz ohne Penetration.

Laut den Ergebnissen der im Fachmagazin „Current Biology“ erschienenen Studie gestaltet sich der Fledermaussex folgendermaßen: Zu Beginn greift das Männchen den Rücken des Weibchens und beißt sich in dessen Nacken fest. Im nächsten Schritt bewegt es seinen erigierten Penis wie einen Arm in die Nähe der Vulva und schiebt deren Membran zur Seite. Während es den Penis eng an die Vulva presst, verharrt es starr in seiner Position. Ohne Penetration soll das Sperma so seinen Weg in die Vagina finden. Unter Säugetieren sei das einmalig.

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Penetrationsfreier Sex im Tierreich: Die erste Entdeckung von vielen?

Die Forscher berichten von Fledermäusen, die bis zu 12,7 Stunden in dieser Position blieben. Mehr als die Hälfte der 93 aufgezeichneten Sexakte dauerte allerdings weniger als eine Stunde. Nach dem Paarungsakt schien das Fell des Weibchens nass von Sperma zu sein, wie die Forscher vermuten. Demnach könne das Fortpflanzungsverhalten ähnlich wie der unter Vögeln verbreitete Kloakenkuss ablaufen. Auch hier wird das Sperma bei der bloßen Reibung der Kloaken (Ausscheidungs- und Fortpflanzungsausgang in einem) aneinander übertragen.

Diese Entdeckung zum Sex der Breitflügelfledermäuse könnte erst der Anfang sein. Fasel, Leiter des Forschungsteams, vermutet, dass das Verhalten auch bei anderen Fledermausarten verbreitet sein könnte. Laut dem Nabu ist die Breitflügelfledermaus als typische Hausfledermaus in und um menschliche Siedlungen anzutreffen. Mit einer Spannweite von 36 Zentimetern sind die großen Fledermäuse meistens in der Abenddämmerung auf der Jagd nach Insektenbeute. Besonders in der Nähe von Straßenlaternen orten sie andere Insekten mithilfe ihres Ultraschalls.

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