München. Rammstein spielen vier Konzerte in München. Wie stehen Fans zu den Vorwürfen gegen die Band? Und warum gehen sie trotzdem zu den Shows?

Nadine und Anna stehen im Schatten eines Getränkestandes vorm Münchner Olympiastadion. Annas Rammstein-Liebe geht buchstäblich unter die Haut: Vom Arm der jungen Frau blickt einen das Gesicht Till Lindemanns an.

Ob sie nach den Vorwürfen gegen den Frontmann der Rockband überlegt hatten, ihre Tickets zu verkaufen? Auf gar keinen Fall. "Ich bin fünfmal dieses Jahr bei der Tour dabei und hätte mir auch noch mehr Tickets gekauft, wenn ich die Zeit gehabt hätte", antwortet Anna.

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Lindemann auf den Arm tättowiert: Konzertbesucherin Anna und Freundin Nadine in München.
Lindemann auf den Arm tättowiert: Konzertbesucherin Anna und Freundin Nadine in München. © Theo Klein | Unbekannt

Die Liebe zur Band hat für viele Besucherinnen so etwas wie Tradition. "Wir sind Fans seit wir klein sind", sagen Julia und Sarah, beide Mitte 20. Von den Vorwürfen gegen Lindemann wissen sie. Ihr Ticket wollten sie trotzdem nicht verkaufen und verweisen auf fehlende Beweise für die Anschuldigungen. "Wir verstehen aber, wenn das jemand macht." Was gegen Lindemann im Raum steht: für die beiden nicht überraschend.

Julia und Sarah sind seit langem Rammstein-Fans
Julia und Sarah sind seit langem Rammstein-Fans © Theo Klein | Unbekannt

Rammstein-Fans: Manche äußern sich nachdenklich

Christina sieht es etwas anders. Sie sei schockiert und überrascht, sagt sie und meint: "Wäre auf jeden Fall krass, wenn da wirklich etwas dran wäre." Sie möchte wissen, ob etwas dran sei an den Vorwürfen. "Man möchte, dass die Wahrheit herauskommt." Ihre Mutter Anita springt ihr bei: "Man ließt das in der Presse, aber ob es stimmt oder nicht, können wir nicht beurteilen."

Auch für die beiden wäre es keine Option gewesen, ihr Ticket zurückzugeben. "Ich habe mich so auf dieses Konzert gefreut", sagt die Mutter. Ihre Tochter meint, wer wisse schon, wie lange Rammstein noch auftreten werde. Sie findet, manche Texte von Lindemann "sind jetzt schwierig".

Anita mit ihrer Tochter Christina
Anita mit ihrer Tochter Christina © Theo Klein | Unbekannt

Ob sie ihrer Tochter gesagt hätte, gehe nicht zu einer Rammstein-Afterparty? Nein, das hätte sie nicht sagen müssen. "Ich kenne meine Tochter gut." Sie sei vernünftig und nicht so blauäugig. Die mögliche Schuld sieht sie aber auch nicht bei denen, die jetzt Vorwürfe erheben, die Mädchen könnten nichts dafür. Und wenn die Vorwürfe wahr wären? "Ich würde nicht nochmal aufs Konzert gehen", das müsse nicht sein, sagt die Mutter.

Rammstein-Fans betonen Unschuldsvermutung

Viele Frauen auf dem Weg zum Rammstein-Konzert beteuern, kein bisschen mit ihrer Entscheidung gehadert zu haben. Es gelte die Unschuldsvermutung. Die betroffenen Frauen hätten "sich ja auch selbst in die Situation gebracht", sagt eine.

Gegen Lindemann (60) stehen schwere Vorwürfe im Raum. Während der Konzerte seien junge Frauen ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur After-Show-Party kommen wollen. Dort soll es auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Die Band bestreitet das.

Konzert in München: Gegendemo erlebt verbale Gewalt

Eine Gruppe Demonstranten hatte sich im Olympiapark aufgestellt. Etwa 60 junge Frauen und Männer, bunt und fröhlich gekleidet, halten dagegen. Mit Transparenten machen sie ihre Meinung deutlich: "Sexismus bekämpfen! Überall! Gewalt gegen Frauen ist kein Einzelfall!"

Sie berichten, sie seien von den Fans aufs Übelste beschimpft worden. "Nur weil ihr nicht gef**** werdet!", habe man ihnen entgegengebrüllt. Oder: Sie seien "zu hässlich, um Groupie zu sein". Die Pöbler tragen dunkle Rammstein-T-Shirts, sind vielfach tätowiert – eine eingeschworene Truppe, so scheint es.

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Aktivisten demonstrieren vor Beginn des Konzertes der Band Rammstein vor dem Stadion.
Aktivisten demonstrieren vor Beginn des Konzertes der Band Rammstein vor dem Stadion. © Sven Hoppe/dpa | Unbekannt

"Wir wollen hier Solidarität zeigen mit Opfern sexueller Gewalt", sagte ein Demo-Teilnehmer. Das sei auch wichtiger, als die Leute zu kritisieren, die jetzt auf das Konzert gehen. So viel Toleranz gibt es vonseiten der Hardcore-Fans nicht.

Innensenatorin will Aftershowpartys von Rammstein verbieten

Sophia und ihre Freundinnen, ebenfalls unter den Demonstranten, sind schockiert: "Ich war zwei Minuten da, da hat mir ein Mann gesagt, ich solle ihm den Schw*** lutschen." Dabei habe er auf seinen Schritt gezeigt. Es sei "komplett widerlich", was ihr alles an den Kopf geschmissen worden sei und mit welcher "Gehässigkeit" ihnen die Leute begegnen würden.

Rammstein in München: Keine Row Zero

20.30 Uhr. Tausende blicken gen Bühne. Das Licht geht aus. Die Rammstein-Musiker betreten unter ohrenbetäubendem Toben die Bühne des ausverkauften Olympiastadions. Als Letztes Till Lindemann, gekleidet im schwarzen Mantel, dunkel geschminkt und mit zu Berge stehendem Irokesenschnitt.

Die sogenannte Row Zero (Reihe null) gibt es bei dem Konzert im Münchner Olympiastadion nicht. Der Platz links und rechts neben der Bühne bleibt, bis auf vereinzelte Security-Mitarbeiter, leer. Nach Informationen der Münchner "Abendzeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" sollen die Veranstalter der Shows sowohl die Reihe null als auch die Aftershowpartys von Rammstein untersagt haben.

Die Reihenfolge der Songs gleicht zum großen Teil der aus vergangenen Shows in Litauen, Finnland und Helsinki. In gewohnter Manier performt Rammstein Fan-Lieblinge wie "Puppe", "Links 2, 3, 4" und "Mein Herz brennt", inklusive Pyrotechnik und Lichteffekte.

Rammstein-Konzert: Auftritt etwas zurückhaltender als üblich

Anders als bei der Show der aktuellen Europatournee verzichtete die Band allerdings auf den stark sexualisierten Song "Pussy". Fester Bestandteil der Performance des Lieds war seit Jahren eine Peniskanone in Stahloptik, mit der Lindemann über die Bühne ritt und Schaum auf die Fans "ejakulierte" – auch diese fehlte. Die sonst stark sexualisierte Bühnenperformance des Rammstein-Frontmanns blieb aus, sein Mikro etwa musste nicht als Phallus herhalten.

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Um 22.45 Uhr ist das Konzert vorbei. Mit einem knappen "München, danke, dass ihr hier seid. Danke, dass ihr bei uns seid", beendet Lindemann das Spektakel. Die Band verneigt sich hastig vor den Fans und verschwindet unter der Bühne. In Fan-Foren kündigten einige Besucher an, sich als Solidaritätsbekunden für Lindemannnach dem Konzert niederknien zu wollen. Das taten sie am Mittwoch nicht. Lesen Sie dazu: Vorwürfe gegen Till Lindemann: Rammstein äußert sich