Berlin. Nach den Vorwürfen gegen Till Lindemann und Rammstein werden Fans abtrünnig. Sie wollen die Band beseitigen – zumindest auf ihrer Haut.

Die Anschuldigungen gegen die Band Rammstein wiegen massiv. Mehrere Frauen erhoben in den vergangenen Tagen – teilweise anonym – heftige Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann. Sie werfen dem Sänger Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vor. Beim Konzert im Münchner Olympiastadion am Mittwochabend gaben sich Rammstein ungewohnt zahm. Doch das geht vielen Fans offenbar nicht weit genug. Sie wollen mit ihrem Idol nichts mehr zu tun haben und Rammstein im wahrsten Sinne des Wortes beseitigen – zumindest von ihrer Haut.

Der Ansturm auf das Angebot einer Tätowiererin, die unter anderem in Berlin arbeitet, ist jedenfalls riesig. Die Tätowiererin Mila Loba bot in einem Beitrag auf Instagram an, Rammstein-Tattoos kostenlos oder gegen eine Spende zu überzeichnen. Was dann geschah, kann sie immer noch kaum glauben: Sie wurde von Hilfegesuchen regelrecht überschüttet. "Ich bekomme immer noch Hunderte Anfragen pro Tag", erklärte sie nun in ihrer Instagram-Story. "Ich bin völlig überwältigt und habe diese Reaktion nicht erwartet. Bitte entschuldigt, dass ich nicht alle Anfragen beantworten kann."

Tätowiererin Mila Loba versucht die vielen Anfragen infolge ihres Instagram-Beitrags, in dem sie anbietet, Rammstein-Tattoos zu überzeichnen, zu managen.
Tätowiererin Mila Loba versucht die vielen Anfragen infolge ihres Instagram-Beitrags, in dem sie anbietet, Rammstein-Tattoos zu überzeichnen, zu managen. © Mila Loba

Nur ein paar Wenige hätten sich über die Aktion aufgeregt, sagte Mila Loba dieser Redaktion. Die Reaktionen seien überwiegend positiv ausgefallen. „Ich dachte, das hält sich in meinen Kundenkreisen, es ist aber total explodiert“, zeigte sie sich überrascht über die Wellen, die ihr Beitrag geschlagen hat. Dabei sei sie komplett ausgebucht. Sie will nun in ihrer Freizeit ihr Versprechen einlösen und die ungeliebten Rammstein-Tattoos komplett mit Schwarz überzeichnen.

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Rammstein-Tattoos sollen weg - gegen eine Spende

Obszöne Gesten gehören bei Rammstein zur Bühnenästhetik dazu. Die nun bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Till Lindemann lassen die Texte der Band in einem anderen Licht erscheinen.
Obszöne Gesten gehören bei Rammstein zur Bühnenästhetik dazu. Die nun bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Till Lindemann lassen die Texte der Band in einem anderen Licht erscheinen. © dpa | Axel Heimken

Hilfe bekommt Mila Loba vom Tattoo-Studio Atelier Artemis, das sich von ihrer Aktion hat inspirieren lassen. "Wir wollen uns anschließen und kostenlose Rammstein Tattoo Cover-ups anbieten", schreiben die Inhaberinnen auf Instagram. "Als queer feministisches Tattoo Studio ist es uns wichtig, vollste Solidarität mit allen Opfern zu zeigen sowie dementsprechend zu handeln."

Wer ein Rammstein-Tattoo habe und covern lassen möchte, solle sich mit einem Bild des Tattoos melden. "Das Motiv und alles weitere überlegen wir uns dann gemeinsam." Weiter heißt es: "Gerne darfst du auch eine Spende da lassen, welche wir an eine Hilfsorganisation für Betroffene von sexualisierter Gewalt weiterleiten." Auch die Reaktionen auf die Aktion aus dem Ruhrgebiet fallen begeistert aus. "Stark!", schreiben Follower, oder auch: "Super Aktion! Danke."

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Rammstein unter strenger Beobachtung

Ob die heftige Kritik an Rammstein Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber auch von einem Konzertbesuch abhält oder gerade die Neugier befeuert, bleibt abzuwarten. Am 15., 16. und 18. Juli soll Rammstein im Berliner Olympiastadion auftreten und wird dabei streng beobachtet - auch von Politikern. So schaltete sich am Mittwoch Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) in die Diskussion ein und verbot Aftershow-Partys von Rammstein in ihrem Verantwortungsbereich. Das Land Berlin ist Eigentümer des Olympiastadions.

Tausende Zuschauer verfolgen das Konzert der Band Rammstein im Münchner Olympiastadion.
Tausende Zuschauer verfolgen das Konzert der Band Rammstein im Münchner Olympiastadion. © Felix Hörhager/dpa

Kulturstaatsministerin Claudia Roth verurteilte Übergriffe in der Kultur scharf. „Patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe haben in der Musikbranche, wie überhaupt in Kunst und Kultur und auch überall sonst, nichts mehr zu suchen“, sagte die Grünen-Politikerin.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, es müsse darüber geredet werden, wie gerade junge Menschen besser geschützt werden könnten. Sie lade die Musikbranche ein, dem Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ beizutreten. Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) zeigte sich dazu offen. Der Verband sei mit dem Ministerium ins Gespräch gegangen, „um diesen wichtigen Prozess gemeinsam voranzubringen“, sagte ein Sprecher.