Rom. Ein Professor aus Italien behauptet, dass Klassiker der italienischen Küche nicht aus Italien stammen. So entfacht er eine Diskussion.

Essen ist in Italien eine ernste Angelegenheit. Kulinarische Abwege im Ausland sorgen immer wieder für Empörung unter den Italienern, die auf das Patent bestehen, die beste Gastronomie der Welt zu haben. Ananasstückchen auf Pizza oder Sahne in Carbonara-Soße, wie man sie in Lokalen im Ausland anbietet, werden von Italienern mit Ekel beobachtet und gnadenlos kritisiert. An den italienischen Traditionen rüttelt jetzt der italienische Professor Alberto Grandi, Dozent an der Universität von Parma und Experte für die Geschichte der Ernährung.

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2018 veröffentlichte Grandi ein Buch, das sich mit „Marketinglügen über typisch italienische Produkte“ befasst. Im Gespräch mit der „Financial Times“ bestreitet er, dass viele Eckpfeiler der Italo-Kulinarik echte italienische Gerichte seien. Die meisten Italiener hätten erst in den 1950-Jahren von Pizza gehört. Pasta alla Carbonara sei ein ursprünglich amerikanisches Gericht. Zahlreiche italienische „Klassiker“ – von Panettone bis Tiramisu – seien relativ neue Erfindungen. Und den besten Parmesan – nämlich den, der dem Originalrezept am ähnlichsten sei – finde man derzeit im US-Staat Wisconsin.

Italienischer Professor: „Den besten Parmesan gibt es in Wisconsin“

„In den 1960er Jahren wogen die Parmesanformen nur etwa zehn Kilo, im Vergleich zu den schweren 40 Kilo-Formen, die wir heute kennen, und waren von einer schwarzen Kruste umgeben. Seine Konsistenz war dicker und weicher als die heutige“, meint Grandi. Die meisten Behauptungen stützt der Professor auf eigene Erkenntnisse, die er zum Teil aus der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur entwickelt habe, heißt es in der „Financial Times“.

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Grandis Worte lösten wütende Reaktionen aus. „Der Professor versucht, traditionelle nationale Lebensmittel zu trivialisieren, von Carbonara bis Panettone, von Tiramisu bis Parmigiano Reggiano“, protestierte der Bauernverband Coldiretti. Die Rekonstruktion, Parmesan stamme aus Wisconsin, bezeichnete der Verband, der als Hüter von Italiens traditioneller Lebensmittelproduktion gilt, als „fantasievoll“. Dasselbe gelte für die Behauptung, dass Panettone und Tiramisu erst kürzlich auf den Markt gekommen seien.

Der Mangel an Klarheit über die „Made in Italy“-Rezepte biete einen fruchtbaren Boden für die Verbreitung von Plagiatprodukten im Ausland, moniert der Verband weiter. Italienische Exporte könnten sich verdreifachen, wenn der internationalen Lebensmittelfälschung Einhalt geboten würde. Diese verursache in Italien nicht nur wirtschaftliche Verluste, sondern auch einen Imageschaden, behauptet der Verband.

USA: 70 Prozent der „echten italienischen“ Produkte sind reine Imitationen

Verärgert ist Rom vor allem über die USA: 70 Prozent der als echte italienische Produkte verkauften Waren sind reine Imitationen. „Roman Cheese“, „Mozzarella bella Napoli“, „Chianti Wine“ seien billige Plagiate, die in den Staaten hergestellt und als echte Produkte „made in Italy“ verkauft werden. „Italian Sounding“ heißt das Phänomen der Lebensmittel-Plagiate in den USA: Die Produkte klingen zwar Italienisch, haben jedoch nichts mit dem Stiefelstaat gemeinsam. Als echt versuche man gefälschten Parmigiano Reggiano und Grana Padano, sowie Wurstwaren wie Parma- und San Daniele-Rohschinken, Olivenöl extra, Konserven und Weine, von Chianti bis Prosecco, zu verkaufen.

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Im Kampf gegen Plagiat-Produkte will sich die Regierung immer stärker für die Verteidigung der italienischen Gastronomie einsetzen. Auf Vorschlag von Kulturminister Gennaro Sangiuliano hat das Kabinett beschlossen, die italienische Küche für die diesjährige Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO vorzuschlagen.

Die italienische Küche wird im offiziellen Bewerbungsdossier als eine Reihe von sozialen Praktiken, Ritualen und Gesten definiert, die auf zahlreichen lokalen Kenntnissen beruhen. Dieses Mosaik von Traditionen spiegle die biokulturelle Vielfalt des Landes wider. Der Bewertungsprozess soll spätestens im Dezember 2025 abgeschlossen werden.