Wachtberg. Im „Hebammen-Mobil“ des ASB können sich Schwangere und junge Mütter unkompliziert beraten lassen. Warum das Projekt so gut ankommt.

Park-Chaos, volle Einkaufstüten und Bockwurst im Brötchen. Alles Dinge, die man vor deutschen Einkaufszentren erwartet. Das rot-gelbe „Hebammen-Mobil“ des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) gehört nicht dazu. Einmal in der Woche parkt es vor dem Einkaufszentrum im nordrhein-westfälischen Wachtberg-Berkum. Werdende und junge Mütter können sich dort von Hebammen schnell und unkompliziert beraten und untersuchen lassen.

Flutkatastrophe: ASB startete Projekt zur Versorgung Schwangerer

„Die Frauen wenden sich vor der Geburt vor allem mit Schwangerschaftsbeschwerden an mich, manchmal auch ganz spontan, weil sie uns im Hebammen-Mobil stehen sehen“, beschreibt Lisa Schütte, betreuende Hebamme im ASB-Projekt, ihre Arbeit. Die Untersuchungen und Behandlungen, die sie im Mobil leistet, unterscheiden sich kaum von denen, die sie in einer normalen Praxis oder bei einem Hausbesuch durchführen würde.

Lesen Sie auch: Warum Stillen nach einem Kaiserschnitt besonders wichtig ist

Der Bus – laut ASB der erste seiner Art in ganz Europa – beherbergt von der Untersuchungsliege bis zum Wehenschreiber alles, was Lisa Schütte und ihre Kolleginnen benötigen. Derzeit sind sie zu acht. Auch die Beratung ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit an Bord: Nach der Geburt hätten junge Mütter oft Probleme beim Stillen oder kämen mit Fragen zum Gewicht oder der Entwicklung ihres Kindes, erzählt Lisa Schütte. Seit Projektbeginn konnten sie und ihre Kolleginnen schon 60 Frauen und ihren Kindern helfen.

Einmal in der Woche macht das „Hebammen-Mobil“ des ASB auch Halt im nordrhein-westfälischen Wachtberg. Mütter und Schwangere können im Bus schnell und unkompliziert den Rat einer Hebamme einholen.
Einmal in der Woche macht das „Hebammen-Mobil“ des ASB auch Halt im nordrhein-westfälischen Wachtberg. Mütter und Schwangere können im Bus schnell und unkompliziert den Rat einer Hebamme einholen. © epd | Meike Boeschemeyer

ASB-Projekt sollte Versorgung Schwangerer während Flut sicherstellen

Bisher ist das „Hebammen-Mobil“ nur in NRW unterwegs, nämlich in den Gebieten, die von der Flutkatastrophe im Sommer 2021 betroffen waren. Mit dem Projekt machte der ASB Schwangeren und jungen Müttern in der Krise ein Versorgungsangebot. „Wir wollten es schnell auf die Straße bringen, um in der akuten Katastrophenlage zu helfen“, so Projektleiterin Stefanie Könitz-Goes. Doch je bekannter das Projekt wird, desto mehr Frauen wenden sich dorthin.

Lesen Sie auch: Kindergeld – Wann wird wird das Geld im März ausgezahlt?

Der ASB unterhält in NRW bereits acht Hebammenzentralen, „ein kostenfreies Vermittlungsangebot, dessen Ziel es ist, Schwangere und Hebammen zusammenzubringen“. Die Zahl der Anfragen in den Zentralen nehme von Jahr zu Jahr zu, wie der ASB auf Anfrage erklärt. „Wir deuten das einerseits als steigende Akzeptanz für unser Angebot und andererseits, dass es für Frauen zunehmen schwierig ist, eine Hebamme im Umfeld zu finden.“ Auch hier setze das „Hebammen-Mobil“ an.

Hebamme Lisa Schütte ist einmal in der Woche im „Hebammen-Mobil“ unterwegs. Sie weiß um die Probleme, die Schwangere und junge Mütter oft haben. Auch, wenn es darum geht, eine Hebamme zu finden.
Hebamme Lisa Schütte ist einmal in der Woche im „Hebammen-Mobil“ unterwegs. Sie weiß um die Probleme, die Schwangere und junge Mütter oft haben. Auch, wenn es darum geht, eine Hebamme zu finden. © epd | Meike Boeschemeyer

Die Dienste der Hebammen, die an festgelegten Tagen in der Woche die Orte Bad Neuenahr, Mechernich, Schleiden-Gemünd und Wachtberg anfahren, sind gefragt. Viele Patientinnen berichten von langen Suchen nach Entbindungsstationen oder Hebammen. Eine Beratung zu erhalten, wird vor allem in ländlichen Gebieten immer schwieriger. „Die Gesamtversorgung für Frauen muss natürlich übergeordnet betrachtet werden“, stellt Könitz-Goes klar. „Aber unser Mobil kann Zielgruppen erreichen, die das System noch nicht genug berücksichtigt oder die keine Anlaufstelle bei Kinderarztpraxen oder im Krankenhaus haben, weil sie zum Beispiel keine Termine bekommen.“

Deutscher Hebammenverband: Engpass war absehbar

Das ASB-Projekt zeigt: Der Hebammenmangel macht sich, auch unabhängig von der Flut, in NRW genauso bemerkbar wie im Rest Deutschlands. Es ist ein Engpass, der sich laut Deutschem Hebammenverband schon lange anbahnt. „Seit 1990 hat sich die Zahl der geburtshilflichen Stationen in Deutschland praktisch halbiert“, wie Verbandspräsidentin Ulrike Geppert-Orthofer moniert.

Lesen Sie auch: Sonnencreme für Kinder im Test: Die besten Produkte für 2023

Laut Statistischem Bundesamt sank die Zahl der Geburtsstationen in Deutschland zwischen 1991 und 2017 von knapp 1186 auf 672. Gleichzeitig ist die Zahl der Geburten wieder auf einem ähnlichen Niveau wie 1990, so Geppert-Orthofer. „Dies führt dazu, dass in den verbliebenen Geburtshilfeabteilungen doppelt so viele Geburten betreut werden wie vor 30 Jahren.“ Da komme es vor, dass auf eine Fachkraft vier Geburten parallel kommen.

Das „Hebammen-Mobil“ des ASB soll bald noch weitere Orte in NRW ansteuern. Ein zweites Mobil soll im Sommer dazukommen.
Das „Hebammen-Mobil“ des ASB soll bald noch weitere Orte in NRW ansteuern. Ein zweites Mobil soll im Sommer dazukommen. © epd | Meike Boeschemeyer

Ein Grund für die drohende Unterversorgung ist der Personalmangel. „Schwerwiegender ist jedoch, dass sich Geburtshilfe in unserem Abrechnungssystem wirtschaftlich nicht lohnt“, betont Geppert-Orthofer weiter. Bessere Arbeitsbedingungen müssten her, aber dafür sei bislang kein Geld dagewesen.

Laut Landesverband der Hebammen NRW bieten derzeit 27 von 132 Kliniken Hebammenkreißsäle an. Die Mehrheit entstand allein im Jahr 2022. Der Verband begrüßt die Entscheidung des Gesundheitsministeriums, die Förderung zur Einrichtung solcher Kreißsäle bis Ende 2024 zu verlängern. Kliniken, die Hebammenkreißsäle einrichten möchten, erhalten 25.000 Euro vom Land.

„Hebammen-Mobil“ soll weitere Orte in NRW ansteuern

Eine positive Entwicklung, aber noch reicht das nicht. „Das Thema Unterversorgung wird sich extrem zuspitzen und damit müssen wir Ausweichmöglichkeiten schaffen“, betont Stefanie Könitz-Goes. Das Mobil sei sicher nicht die alleinige Lösung. Dennoch finde es „als ergänzendes Element“ Anklang bei den Kommunen. Der Bus solle in Zukunft noch mehr Orte in NRW ansteuern. Und es soll auch nicht bei einem Mobil bleiben.

Lesen Sie auch:Kaiserschnitt-Anteil verdoppelt: Hebammen sind besorgt

„Unser Plan ist, das Projekt auszuweiten“, so die Projektleiterin. Noch werde das Mobil aus den Spenden der Hochwasserhilfe finanziert. Die Laufzeit ende zum Oktober, dann müsse man weitersehen, wie es mithilfe von ASB-Mitteln weitergeführt wird. Zum Sommer hin soll ein zweites „Hebammen-Mobil“ auf NRW-Straßen rollen, diesmal „im typischen Transporter-Format“. Kleinere Untersuchungen werden auch dort möglich sein, der Fokus aber auf der Beratung und Aufklärung liegen. (mit epd)