Berlin. Der Schlagersänger Tony Marshall ist tot. Sein letzter Wunsch erfüllte sich nicht. Nachruf auf einen Star der deutschen Musikszene.

Einer der letzten Wünsche Tony Marshalls blieb unerfüllt. In einem Interview vor fast einem Jahr meinte der Schlagersänger, der rund 20 Millionen Tonträger verkaufte, er würde am liebsten auf der Bühne sterben und nicht im Krankenbett. Am Donnerstagabend ist der schwer kranke 85-Jährige im Kreis seiner Familie gestorben.

Auf den ersten Blick waren seine letzten Jahre, in denen er sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückzog, von gesundheitlichen Tragödien geprägt. Eine Nervenkrankheit, die 2012 bekannt wurde, führte zu Lähmungen in den Beinen. 2019 lag er nach einem Schlaganfall samt Nierenversagen tagelang im Koma. 2021 kam er mit einer Corona-Erkrankung auf die Intensivstation. Dieser letzte Lebensabschnitt scheint im Widerspruch zum Image des Sängers zu stehen, der dank vieler Gute-Laune-Hits den Ruf des „Fröhlichmachers der Nation“ hatte.

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Tatsächlich hatte es der gebürtige Baden-Badener, der den bürgerlichen Namen Herbert Anton Bloeth trug, gar nicht auf eine Karriere als Schlager-Barde angelegt. An der Karlsruher Musikhochschule wurde er zum Opernsänger ausgebildet. Ab 1966 veröffentlichte er drei Singles im Stile klassischer französischer Chansons. Als diese floppten, versuchte er sich als Kneipier. 1971 kam Schlagerproduzent Jack White, der unter anderem die Karrieren von Lena Valaitis oder Roberto Blanco prägen sollte, mit dem Angebot für eine deutsche Bearbeitung eines Volkslieds der Maori, der Ureinwohner Neuseelands auf ihn zu – „Schöne Maid“.

Er kritisierte das Schubladendenken in Deutschland

Marshall brauchte das Honorar für seine Familie, 1963 und 1967 waren seine Söhne geboren worden. Hin und hergerissen zwischen Geldsorgen und künstlerischen Ambitionen betrank er sich angeblich mit Chianti in der Hoffnung, White würde ihn aus dem Studio werfen. Doch der Produzent ließ sich nicht abschrecken und die Single verkaufte sich mehr als eine Million Mal. Marshall, die Stimmungskanone, die Schlager wie „Täterätätätätä“ oder „Resi bring Bier“ verschoss, war geboren. Dieses Image festigte er auch mit Fernsehshows wie „Lass das mal den Tony machen“, die von 1982 bis 1999 im ZDF lief.

Tony Marshall in den Anfangsjahren seiner Karriere als Schlagersänger.
Tony Marshall in den Anfangsjahren seiner Karriere als Schlagersänger. © dpa | Horst Ossinger

Doch er gab sich damit nicht zufrieden. 2005 trat er als Milchmann Tevje im Musical „Anatevka“ auf, 2008 folgte der Papageno in Mozarts „Zauberflöte“. In einem Interview beklagte er sich, dass das Publikum ihm diese Rollen nicht zutraute: „Dieses Schubladendenken gibt es leider nur in Deutschland.“ Doch der scheinbare Widerspruch zwischen empfindsamem Künstler und Bruder Leichtfuß löste sich in der Person Marshalls auf. Denn er stand für eine Lebensbejahung, die von ernsten Erfahrungen unterfüttert war. Seine 1979 geborene Tochter Stelle leidet durch einen Ärztefehler bei einer Fruchtwasseruntersuchung an infantiler Zere­bralparese und Epilepsie. Mit seiner Stiftung nahm sich Marshall deshalb speziell der Probleme von Menschen mit Behinderung an.

Seine Resilienz bewies der Sänger auch in den Zeiten, als sich seine gesundheitliche Situation verschlimmerte. Noch vor einem Jahr betonte er, wie glücklich er sich fühle. „Dankbarkeit“ war für ihn ein Schlüsselwort. Anstatt sich zu beklagen, sprach er lieber über die Diamantene Hochzeit, die er mit Frau Gabi im Juni 2022 feierte.

Tony Marshall, Schlagersänger und Entertainer nach seiner Corona-Infektion.
Tony Marshall, Schlagersänger und Entertainer nach seiner Corona-Infektion. © picture alliance / | Kerstin Joensson

Noch 2021 veröffentlichte Marshall ein Album mit dem Titel „Der letzte Traum“. Darauf findet sich seine Version von Cat Stevens’ „Father And Son“, die er mit seinen Söhnen Marc und Pascal aufnahm. Darin finden sich Passagen wie „Voller Glück war mein Leben“. Am Schluss des Videos umarmen sich die drei Männer zu den Zeilen „Und ist’s vorbei, sagen wir: Auf bald – im nächsten Leben!“