Berlin. Durch den Klimawandel schmilzt das Eis in der Antarktis. Aktuell ist die Eisfläche so klein wie lange nicht. Forscher sind besorgt.

35 Jahre war die Eisbedeckung in der Antarktis ziemlich konstant. Seit sechs Jahren nimmt sie jedoch stark ab. Aktuell gibt es nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven rund um den Südkontinent so wenig Meereis wie noch nie seit Beginn der Satellitenbeobachtungen vor 40 Jahren. Und das, obwohl die Schneeschmelze im Sommer, in dem die Temperatur um oder über den Gefrierpunkt liegt, noch nicht vorüber ist.

Generell erreicht das Meereis um die Antarktis im September oder Oktober seine maximale Ausdehnung und jeweils im Februar sein Minimum. Im Maximum beträgt die Meereisbedeckung in der Antarktis im Allgemeinen zwischen 18 und 20 Millionen Quadratkilometer. Im Sommer schrumpft sie auf etwa drei Millionen Quadratkilometer zurück. Das ist die normale Schwankungsbreite.

Antarktis: Rasante Eis-Abnahne überrascht Forscher – "noch nie erlebt"

Das Forschungsschiff "Polarstern" ist vor Ort, genauer gesagt: im Bellingshausenmeer. Karsten Gohl ist der Expeditionsleiter, ein erfahrener Geophysiker, der seit 1994 bereits zum siebten Mal in der Region unterwegs ist. Er sagt: "Eine solche extreme eisfreie Situation habe ich hier zuvor noch nicht erlebt." Der Kontinentalschelf sei vollständig eisfrei. Nur zur Orientierung: Der Schelf hat die Größe Deutschlands.

Die Ironie ist: Für die Wissenschaftler sind die Bedingungen von Vorteil. "Aber es gibt einem zu denken, dass diese Änderung in so kurzer Zeit geschehen ist“, so Gohl. Wo die Polarstern heute komplett frei von Eis operieren kann, lag vor 125 Jahren das belgische Forschungsschiff Belgica im Februar im massiven Packeis eingefroren. Auch interessant: Diese spektakulären Schiffswracks liegen auf dem Meeresgrund

Antarktis: Erklärungsversuche für extreme Eisschmelze

Das bisherige Rekordminimum stammt aus dem Jahr 2022. Damals lag am 24. Februar eine Fläche von 2,27 Millionen Quadratkilometern unter Eis. Am 8. Februar 2023 haben die Satelliten jedoch eine Ausdehnung von nur noch 2,20 Millionen Quadratkilometern gemessen. "Die rasante Abnahme des Meereises in den letzten sechs Jahren ist sehr erstaunlich, weil sich die Eisbedeckung in den 35 Jahren davor kaum verändert hatte", analysiert der Meereisphysiker Christian Haas. Das könnte Sie auch interessieren: Klimawandel – „Ich sah meiner Stadt zu, wie sie brannte“

Für ihn ist unklar, "ob dies der Anfang vom schnellen Ende von sommerlichem Meereis in der Antarktis ist oder ob es sich nur um eine neue Phase mit geringerer, aber weiterhin stabiler Meereisbedeckung im Sommer handelt." Mögliche Ursachen für die starke Schmelze sind:

  • Ungewöhnlich warme Lufttemperaturen in Teilen der Antarktis: Sie lagen im Monatsmittel etwa 1,5 °C über dem Langzeitmittel.
  • Komplexe Wechselwirkungen zwischen Luftdruck, Windzirkulation und Meeresströmungen.

Analysen der aktuellen Meereisausdehnung des Meereisportal-Teams zeigen, dass das Meereis in diesem Jahr in der Antarktis bereits den gesamten Januar über seine niedrigste jemals gemessene Ausdehnung für diesen Zeitraum seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1979 hatte. Der monatliche Mittelwert für Januar 2023 beträgt 3,22 Millionen Quadratkilometer und unterschreitet das bisherige Minimum aus dem Jahr 2017 um etwa 478.000 Quadratkilometer. Das entspricht in etwa der Fläche Schwedens.

Antarktis: Wissenschaftler beobachtet langfristigen Trend

Langfristig nimmt das Meereis in der Antarktis im Januar alle zehn Jahre um 2,6 Prozent ab. Dieses Jahr ist bereits das achte Jahr in Folge, in dem die mittlere Eisausdehnung im Januar unterhalb des langjährigen Trends liegt. Die Entwicklung des Eisschilds und damit des Meeresspiegelanstiegs treiben die Wissenschaftler nicht zuletzt bei der Erforschung des Klimawandels um.