Sizilien. Es war ein heftiger Schlag gegen die Cosa Nostra: Mafia-Pate Denaro wurde festgenommen. Jetzt kämpfen andere Mafia-Bosse um die Macht.

Messina Denaros Platz wird nun neu besetzt. Die ersten Favoriten werden in den italienischen Medien bereits gehandelt. Zu den Spitzenkriminellen, die Messina Denaros Thron erben könnten, zählt der 64-jährige Giovanni Motisi, genannt Pacchione (der Dicke), der seit 1998 wegen mehrerer Morde auf der Flucht ist. Er zählte zu den Vertrauten von Totò Riina, jahrelang Nummer eins der Mafia. Motisi steht auf der europäischen Fahndungsliste ganz oben.

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Thronkampf der Cosa Nostra: Auch Stefano Fidanzati ist im Rennen

Gute Chancen, zum neuen „König" der Cosa Nostra zu avancieren, hat auch der 70-jährige Drogenboss Stefano Fidanzati, „Don Tano" genannt. Er ist der jüngere Bruder des einst prominenten Mafiabosses Gaetano Fidanzati (1935-2013), der in den 80ern einen großen Heroin- und Kokainhandel aufbaute. Das internationale Geschäft übernahm nach dem Tod des Bruders Fidanzati.

Auch die jüngere Generation hat Ambitionen auf den Posten des Ober-Paten. Der im vergangenen Jahr untergetauchte 48-jährige Boss Giuseppe Auteri könnten das Erbe Messina Denaros antreten, behaupten die Ermittler. Er ist Spezialist für Schutzgelderpressung und Schatzmeister des reichsten Clans von Palermo.

Der 60-jährige Messina Denaro, der am Montag in einer Privatklinik in Palermo bei einer Tumorbehandlung festgenommen wurde, war seit Jahrzehnten der meistgesuchte Verbrecher Italiens. Er war nach der Verhaftung der beiden Super-Paten Toto Riina und Bernardo Provenzano aus Corleone der letzte Vertreter der Generation der Cosa Nostra, die gezielt und in großer Zahl Mitglieder der staatlichen Behörden und Institutionen ins Visier genommen hatte – Politiker, Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, aber auch Priester sowie Journalisten.

Nach 30 Jahren ist Italiens größter Ganove gefasst. Am Montag verhaftete die Polizei Matteo Messina Denaro.
Nach 30 Jahren ist Italiens größter Ganove gefasst. Am Montag verhaftete die Polizei Matteo Messina Denaro. © Handout / ITALIAN CARABINIERI PRESS OFFICE / AFP

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„Doch wer glaubt, die Mafia sei besiegt, der irrt sich gewaltig"

Mit der Verhaftung Messina Denaros ist eine Epoche zu Ende gegangen. Riina und Provenzano sind inzwischen im Gefängnis gestorben, nun ist auch ihr schwerkranker Nachfolger Messina Denaro hinter Gittern. „Doch wer glaubt, die Mafia sei besiegt, der irrt sich gewaltig", warnt Palermos zuständiger Staatsanwalt Maurizio De Lucia. Im Gegensatz zur neapolitanischen Camorra, bestehe die sizilianische Mafia aus einer Struktur mit nur einem Kopf. Eine „Föderation" zwischen den herrschenden Clans sei durchaus möglich, um einen neuen Super-Boss zu krönen, heißt es in Justizkreisen.

Der Anti-Mafia-Schriftsteller Roberto Saviano, Autor des Bestsellers „Gomorrah", analysierte indes die Hintergründe der Festnahme Messina Denaros. „Er ist immer noch der König der Cosa Nostra, und wenn er weiterhin die Zusammenarbeit mit den Justizbehörden verweigert, wird er es für die Mafia auch bleiben", kommentierte Saviano, der seit Jahren unter Polizeischutz lebt.

Mit dem Foto versuchte die italienische Polizei den Clankriminellen Matteo Messina Denaro ausfindig zu machen.
Mit dem Foto versuchte die italienische Polizei den Clankriminellen Matteo Messina Denaro ausfindig zu machen. © Handout / ANSA / AFP

„Mit der Festnahme Messina Denaros geht eine Epoche zu Ende. Er war der Bezugspunkt der alten, traditionsreichen Clans mit starker lokaler Verankerung in den sizilianischen Provinzen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mafia in Italien besiegt ist. Sie bewegt sich auf andere Weise, vor allem durch das Eindringen in die Wirtschaft", erklärte Professor Enzo Ciconte, Ex-Parlamentarier und Anti-Mafia-Experte. Die Cosa Nostra bekomme immer mehr die Konkurrenz der 'Ndragheta, der Mafia der süditalienischen Region Kalabrien, zu spüren, die aggressiver und weltweit verbreitet ist. Sie macht Geschäfte in Milliardenhöhe mit Drogen- und Waffenhandel. Die Einnahmen dieses Geschäfts werden in die legale Wirtschaft investiert.

Ermittlungen laufen auf Hochtouren

Inzwischen laufen die Ermittlungen um das Netz von Mafiosi, die Messina Denaros 30-jährige Flucht begünstigt haben sollen, auf Hochtouren. Ein drittes Versteck des Mafiabosses wurde inzwischen in der westsizilianischen Ortschaft Campobello di Mazara entdeckt, wo der Boss seine letzten Monate der Flucht verbracht hatte. Im Versteck wurden schriftliche Notizen und Dokumente gefunden, die bis ins Jahr 2016 zurückreichen. Auch Telefonnummern werden jetzt von den Ermittlern ausgewertet. Sie wollen dem Ring von Helfern und Komplizen nachgehen, die die Flucht des Bosses begünstigt haben.

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