Paris. Nach Skandalkampagne sagen sich Stars von Balenciaga los. Das Luxuslabel aus Spanien setzt nun gerichtlich und medial auf Angriff.

Topmodel Bella Hadid schreitet im Schmuddel-Kapuzenpulli und mit nackten Beinen über den schlammigen Laufsteg. Ihre Handtasche: Ein gar nicht niedlicher Teddybär. „Gewagt!“ und „Eine Luxusmarke geht voraus“, jubelten Kritiker über die Show der Luxusmarke Balenciaga bei der Pariser Modewoche im Oktober. Das Pariser Modehaus sei das einzige, dass die schaurige Gegenwart nicht ignoriere.

Jetzt jubelt niemand mehr. Balenciaga hat mit seiner Werbekampagne zu Weihnachten einen Skandal ausgelöst. Auf den Fotos sind traurig blickende Kindermodels zu sehen, die Teddys halten. Doch die Teddys sind verschnürt mit Lederriemen, Halsbändern, Netz und Nieten. Accessoires also, die der Sadomaso-Szene zugeordnet werden. Verkauft werden sollten so Haushaltswaren, Haustierbekleidung, Düfte und Deko.

Topmodel Bella Hadid posierte mit einem der umstrittenen Teddybären, bevor der Shitstorm losbrach. Mittlerweile distanzieren sich viele Stars von dem spanischen Modehaus.
Topmodel Bella Hadid posierte mit einem der umstrittenen Teddybären, bevor der Shitstorm losbrach. Mittlerweile distanzieren sich viele Stars von dem spanischen Modehaus. © ddp

Shitstorm: Verstörende Gerichtsdokumente unter Designertasche

Zunächst wurde die Werbung wenig beachtet, dann wuchs der Shitstorm. Die Empörung über die Sexualisierung von Kinderspielzeug ist riesig. Der Konzern zeigte bereits Reue: „Wir entschuldigen uns aufrichtig“, hieß es in einer Erklärung. „Unsere Plüschbären hätten in dieser Kampagne niemals gezeigt werden dürfen.“ Die Fotos wurden von allen Plattformen entfernt. Doch jetzt kam es noch schlimmer: Auf einigen Fotos liegen Papiere unter einer edlen Handtasche. Zoomt man an sie heran, erkennt man, dass es sich um Urteile des Obersten Gerichtshofs von Los Angeles zu einem realen Fall von Kindesmissbrauch handelt.

Der Konzern hat sich erneut entschuldigt, diesmal für die „beunruhigenden Dokumente“. Deren Einbindung sei nicht genehmigt gewesen: „Wir verurteilen den Missbrauch von Kindern aufs Schärfste.“

Balenciaga-Skandal: Jeder schiebt Schuld auf jeden

Es könnte zu spät sein. Denn nun hat auch die Königin des Internetmodemarketings gesprochen, Kim Kardashian (334 Millionen Follower bei Instagram). Auch sie warb immer wieder für das Label. Sie sei „angeekelt und empört“, schreibt sie jetzt. Sie habe einzig deswegen mehrere Tage gewartet, weil sie erst mit dem verantwortlichen Team habe sprechen wollen. „Als vierfache Mutter bin ich erschüttert von den verstörenden Bildern.“ Kindesmissbrauch dürfe durch solche Kampagnen nicht normalisiert werden. Ihre Zusammenarbeit legte sie auf Eis. Auch Model Bella Hadid löschte ihre Balenciaga-Fotos.

Von den Verantwortlichen schiebt jeder die Schuld auf jeden. Fotograf Gabriele Galimberti beteuert, er habe auf die Produktion keinerlei Einfluss gehabt –weder auf die Models noch auf die Requisiten noch auf die Produkte. Sein Job sei es nur gewesen, „die vorgegebene Szene zu beleuchten und die Aufnahmen in meinem typischen Stil zu machen“. Dann verweist er auf die vielen Hass-Nachrichten, denen er nun ausgesetzt sei.

Balenciaga selbst setzt auf Angriff als Verteidigungsstrategie und sucht offenbar Bauernopfer. Das Unternehmen hat vor einem Gericht in New York eine Schadensersatzklage in Höhe von 25 Millionen Dollar gegen die produzierende Werbeagentur North Six eingereicht – und gegen Set-Designer Nicholas des Jardins. Der gilt als ein Star seiner Branche. Zuletzt gestaltete er das Cover für Beyoncés Album „Renaissance“.

Im Oktober kündigte Balenciaga Zusammenarbeit mit Kanye West

Gegenüber dem „Spiegel“ betont er, die geschmacklose Idee mit den Fetischteddys käme vom Balenciaga-Kreativteam. Der gefeierte Chefdesigner Demna, der einst aus dem Krieg in Georgien geflüchtet war, postete die offizielle Entschuldigung seines Unternehmens und will sich weiter nicht äußern. Er gehört laut „Time“ zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Sicher ist: Der Kreativleitung eines Großkonzerns wird jede Werbung zur Genehmigung vorab vorgelegt. Demnas Coup ist die gerade auf den Markt gekommene Kollektion zusammen mit dem deutschen Sportartikelhersteller Adidas.

Balenciaga wurde 1917 in Spanien gegründet und gehört heute wie Gucci zum französischen Modekonzern Kering, dem zweitgrößten der Welt. Im Oktober hatte das Haus die Zusammenarbeit mit Rapper, Designer und Teilzeitmodel Kanye West aufgekündigt. Der Ex von Kardashian hatte sich antisemitisch geäußert.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.