Das 9-Euro-Ticket für Busse und Bahnen dürfte schonungslos die Defizite der deutschen Verkehrspolitik offenlegen, meint unser Autor.

Die Absicht der Ampelkoalition hinter dem 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr ist lobenswert. Angesichts der Rekordpreise für Benzin und Diesel sollen die Menschen in Deutschland im Sommer zum kleinen Preis in Bus und Bahn einsteigen – und anschließend als begeisterte Neukunden das Auto öfter in der Garage stehen lassen.

Doch das mit der Begeisterung ist so eine Sache. Was die Macher wohl nicht auf dem Schirm hatten, sind die Verhältnisse im öffentlichen Nahverkehr in der Bundesrepublik des Jahres 2022.

Wenn nur morgens ein Bus fährt, hilft auch ein 9-Euro-Ticket nicht

Trotz jahrelang propagierter Verkehrswende ist das Angebot auf dem Land weiter dürftig. Wo täglich nur ein paarmal ein Linienbus vorbeifährt, hilft auch ein Super-Angebot wie das 9-Euro-Ticket nicht. Mit den geplanten Kosten von 2,5 Milliarden Euro hätten sich viele Mobilitätsprojekte anschieben lassen. Mehr zum Thema:Länder auf Crash-Kurs: Platzt das 9-Euro-Ticket am Geld?

Alexander Klay, Wirtschaftskorrespondent
Alexander Klay, Wirtschaftskorrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Und angesichts von erwarteten 30 Millionen Nutzern warnen die Verkehrsbetriebe zu Recht vor übervollen Zügen in vielen Regionen. Die gab es an Strecken mit beliebten Ausflugszielen schon früher ohne das 9-Euro-Ticket. Wer von einer Fahrradtour nach Hause wollte, musste mitunter Stunden auf eine Bahn mit freien Stellplätzen warten. Mal eben ein paar Züge mehr fahren lassen ist quasi unmöglich.

Der gesamte Betrieb ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf Kante genäht worden. Reserven gibt es kaum noch oder gar nicht. Statt grandiose Werbung für den öffentlichen Nahverkehr zu machen, dürfte das 9-Euro-Ticket eher schonungslos die Defizite der deutschen Verkehrspolitik offenlegen. Weiterlesen:Die schönsten Strecken für Reisen mit dem 9-Euro-Ticket

Doch nun ist das 9-Euro-Ticket in der Welt und zurücknehmen lässt sich der Plan nicht mehr. Damit das Milliardenprojekt nicht zu einem teuren Reinfall wird, sollten Bund und Länder schnell einen Plan erarbeiten, der den öffentlichen Nahverkehr wirklich nach vorn bringt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.