Berlin. Vom Computer-Bein und Steuerung von Handprothesen mit Sensoren: Lesen Sie, was die neuen Prothesen können und wo sie preislich liegen.

Ob Radfahren, Schwimmen oder Tippen auf der Computertastatur: All das geht heute mit Prothesen. Die neuste Technik macht’s möglich. Dabei sind die aktuellen High-Tech-Modelle kein Vergleich zu den ersten, die es auf dem Markt gab.

Gefertigt waren sie aus Holz, für Verletzte nach dem ersten Weltkrieg. „Im Jahr 1919, als die erste Prothese von Ottobock auf den Markt ging, sollten damit schlichtweg Gliedmaße ersetzt werden. Wirkliche Funktionen gab es nicht“, berichtet eine Sprecherin von Ottobock Deutschland. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, was heute alles im Bereich Prothesen möglich ist.

Ottobock: Wie das "Computer-Bein" funktioniert

Sogenannte mikroprozessorgesteuerte Gelenke gibt es zum Beispiel im Bereich der Beinprothesen. Vorstellen kann man sie sich als kleine Computer im Knie, die Gehen steuern: „Sensoren messen dabei, wo sich das Bein im Raum befindet und leiten davon ab, ob das Gelenk gerade fest oder locker sein muss“, erklärt die Expertin.

Beim Laufen auf Treppen oder über Rampen, auf unterschiedlichen Untergründen oder beim Rückwärtsgehen – das C-Leg (Computerized Leg), wie das Computer-Bein auch genannt wird, stellt sich dynamisch auf verschiedene Alltagssituationen ein. Auch ein Stolperschutz ist integriert, für mehr Sicherheit. Entspannt stehen mit leicht gebeugtem Kniegelenk soll sogar intuitiv möglich sein. Einstellbar ist das Gelenk mithilfe einer App.

Neue Prothesen: Ohne Training geht es nicht

Sie ist die nächste Generation der Handprothesensteuerung: die Myo Plus Steuerung. Auch nach einer Amputation des unteren Armes oder mit einer angeborenen Fehlbildung bleibt die gedankliche Vorstellung der Hand im Gehirn meist angelegt, wie die Sprecherin berichtet. Amputierte können sich deswegen weiterhin vorstellen, ihre Hand zu schließen, zu öffnen oder zu drehen.

Dabei wird die verbliebene Muskulatur im Stumpf aktiviert. Sensoren im individuell angepassten Schaft der Prothese messen kleinste elektrische Impulse, beim Versuch, Muskeln anzuspannen. Und durch die unterschiedlichen Impulsmuster lernt die Prothese. „Damit umzugehen erfordert wahnsinnig viel Training in der Physiotherapie“, so die Sprecherin. „Bis alles funktioniert, kann es Monate dauern.“

Die Krankenkasse zahlt, aber nicht alles

Wer sich für eine neue Prothese interessiert, der ist im Sanitätshaus an der richtigen Adresse. Der Hersteller liefert die Bauteile nämlich direkt dorthin. Hier werden sie dann zusammengefügt und an den jeweiligen Patienten angepasst. Dabei gehe es darum herauszufinden, was der betreffenden Person wichtig ist. Ob sie beispielsweise handwerklich tätig ist und die Prothese entsprechend robust sein muss, oder ob der Patient sie für filigrane Tätigkeiten braucht – wie die Arbeit am Computer.

Aber wer zahlt das alles eigentlich und wie viel Geld kostet es? „Eine Prothese ist immer eine erstattungsfähige Leistung“, erklärt die Sprecherin. „Zu den Kosten bei den Krankenkassen kommen die handwerkliche Arbeit der Orthopädietechniker in den Sanitätshäusern. Außerdem muss der Patient geschult werden und vielleicht noch einmal zur Physiotherapie. Allerdings muss der Nutzen der Prothese beim Patienten dem Kostenträger vorher nachgewiesen werden.“

So soll sichergestellt sein, dass der Patient auch eine für ihn passende Prothese bekommt und die Krankenkasse gut investiert hat, wie sie erklärt. Nach einer Testversorgung durch ein Sanitätshaus liegt die Entscheidung über die Kostenübernahme dann bei den Kostenträgern – beispielsweise der Krankenkasse oder Berufsgenossenschaft. „Die Kosten für die Versorgung hängen vom jeweiligen Einzelfall ab“, so die Sprecherin.

Prothesen-Versorgung von 8000 bis 60.000 Euro

Auch, wenn die Prothesen individuell angepasst werden: Eine grobe preisliche Einordnung ist möglich. Spitzenreiter, wenn es um die Kosten geht, ist derzeit eine Versorgung mit der beschriebenen Myo Plus Prothesensteuerung in Kombination mit einer speziellen Prothesenhand, die auch für besonders filigrane Tätigkeiten geeignet ist – der bebionic.

Hier variiert der Preis zwischen 50.000 und 60.000 Euro, wie die Expertin berichtet. Damit bekomme man dann aber auch das komplette Paket: „Der Preis für die Prothese besteht aus einer individuellen Schaftanpassung, Prothesentraining und einer individuellen Betreuung eines interdisziplinären Teams, während und nach der Versorgung“, erklärt die Sprecherin.

Günstige Prothesen-Modelle von Ottobock aus Schaum und Draht

Es geht aber auch deutlich günstiger: Eine einfache Versorgung im Bereich Unterarmamputation liegt bei 8000 bis 10.000 Euro. „Die Hand ist dann eine Schaumkonstruktion mit einer Drahteinlage in den Fingern. Dadurch lässt sie sich an Gegenstände wie einen Fahrradlenker anformen und so eingeschränkt funktionell nutzen“, heißt es auf Anfrage. Darüber wird ein in Farbe und Größe konfektionierter Kosmetikhandschuh gezogen.