Berlin. Für einige Paare ist Corona eine Belastungsprobe, andere haben sich lieben gelernt. So haben zwei Pärchen die Corona-Zeit erlebt.

  • Am Valentinstag feiern wir die Liebe
  • Doch die Corona-Pandemie ist für viele Liebespaare eine Belastungsprobe
  • Manche Paare haben sich jedoch genau in dieser Zeit erst kennengelernt

Als viele Deutsche das Wort „Coronavirus“ noch nicht kannten, kannten sich auch Christina und Tom noch nicht. Es ist Dezember 2019 und beides wird sich schnell ändern.

Über eine Dating App haben sich die beiden gefunden. „Ich fand das T-Shirt cool, das sie auf ihrem Foto trug, da habe ich sie angeschrieben“, erzählt Tom im Interview mit unserer Redaktion. Christina fand seine ersten Nachrichten witzig. Erst schrieben sie sich, dann verschickten sie Sprachnachrichten.

Erstes Date vor Beginn der Corona-Pandemie

Das erste Date fand am 30. Dezember in einer Pizzeria statt, zum Abschied gab es den ersten Kuss. Vor dem Coronavirus müssen sie noch keine Angst haben, der erste Fall taucht erst Ende Januar in Deutschland auf.

Während Pandemie und Lockdown in den folgenden Wochen andere Paare vor Herausforderungen stellten, haben sich Christina und Tom erst richtig ineinander verliebt, am Valentinstag 2022 sind sie über zwei Jahre zusammen.

Liebe in Corona-Zeiten: Christina und Tom im Februar 2022 an der Berliner Spree, sie haben sich kurz vor Corona kennengelernt.
Liebe in Corona-Zeiten: Christina und Tom im Februar 2022 an der Berliner Spree, sie haben sich kurz vor Corona kennengelernt. © Reto Klar / Funke Foto Services | Reto Klar / Funke Foto Services

„Corona ist eine Bewährungssituation“, sagt auch der Berliner Psychotherapeut und Buchautor zum Thema Liebe und Partnerschaft, Wolfgang Krüger. Im Zuge von Corona-Regeln und Homeoffice verbringen viele Paare gerade viel mehr Zeit miteinander als zuvor. So ging es auch Christina und Tom im ersten Lockdown 2020.

Corona-Quarantäne schweißt Paar zusammen

Weil andere Aktivitäten wegfielen, haben sie sich „teilweise gezwungenermaßen“ schneller und besser kennengelernt. „Wir hatten Panik, dass wir uns nicht mehr sehen dürfen, als die Regeln strenger geworden sind“, sagt Christina. Im Juli 2020, als viele Deutsche gerade Lockerungen genossen, musste das Paar gemeinsam in Corona-Quarantäne.

Christina musste in der Zeit eine Hausarbeit für die Uni schreiben, Tom hatte sie motiviert und Bücher bestellt. Er spielte die meiste Zeit ein Fußballmanagerspiel, sie saß mit dem Laptop auf dem Boden. Trotz zwei Wochen in der Einzimmerwohnung haben sich die beiden gut verstanden.

Das erste Mal Streit gab es nach der Quarantäne. Im Urlaub in einer Schweizer Berghütte ertrug Christina die Spinnen nicht. „Wir haben uns nochmal neu kennengelernt“, erzählt Tom. Corona sei aber nie ein Konfliktpunkt gewesen. „Da waren wir immer auf einem Nenner“, sagt der Berliner. Christinas Erfahrungen als Gesundheits- und Krankenpflegerin hätten geholfen, die Pandemie zu verstehen. Beide haben sich für eine Corona-Impfung entschieden und sind bisher nicht an Covid-19 erkrankt.

Angst vor dem „normalen Leben“ ohne Corona

Die Pandemie habe aber auch Nachteile gehabt. „Tom hat meine Familie erst sehr spät kennengelernt“, sagt Christina. Viel unternehmen konnten sie nicht, das habe genervt. „Dafür sind wir richtige Spazier-Profis geworden“, sagt der 27-Jährige. Auch interessant: Mit Affären und Sextoys gegen den Pandemie-Frust

Sie habe Angst gehabt, dass sich die beiden weniger gut verstehen, „wenn das normale Leben wieder losgeht“, sagt Christina. Zum ersten Mal gemerkt, dass sie auch gut mit Tom zusammen feiern kann, habe sie auf einem Festival im Sommer 2021, erzählt die 30-Jährige.

Sie sei dankbar, ihren Freund noch kurz vor der Pandemie kennengelernt zu haben, sonst hätte sie die Zeit allein durchleben müssen. „Ich habe großen Respekt vor allen, die das nicht haben“, sagt sie. „Es ist schön zu wissen, dass jemand da ist“, ergänzt Tom.

Covid-19 hat das Online-Dating stark beeinflusst

Laut einer Studie der Plattform Parship hat sich durch die Pandemie bei 41 Prozent der Singles der Wunsch nach einer Partnerschaft verstärkt. Die Pandemie habe auch die Art und Weise des Datings verändert. „73 Prozent der Singles erwarten, dass man ihnen individuelle und persönliche Nachrichten schreibt“, sagt Jeannine Michèle Kock von Parship unserer Redaktion.

Sechs zentrale Bedürfnisse bei Singles haben außerdem an Bedeutung gewonnen: „Authentizität, Wertschätzung, Verbindlichkeit, Sicherheit, Perspektive und Spaß“.

Das bestätigt auch eine Erhebung der Dating-App Tinder. Zudem haben die Mitglieder im Februar 2021 19 Prozent mehr Nachrichten geschrieben als noch das Jahr zuvor. Die Corona-Pandemie habe auch für längere Unterhaltungen und pro Mitglied für 42 Prozent mehr "Matches" gesorgt.

Mehr Nachrichten und längere Dates beobachtet auch die Plattform Lovoo bei ihren Userinnen und Usern. Viel mehr Dates würden virtuell stattfinden. Außerdem würden sich die Menschen „grundsätzlich mehr Zeit vor dem ersten Offline-Date lassen und öfter und länger miteinander chatten“, teilt Sebastian Matkey von Lovoo unserer Redaktion mit.

Verlobung und Hochzeitspläne trotz Coronavirus

Genau diese Erfahrung teilen Elena und Giulia. Die beiden in Berlin lebenden Frauen haben sich am Anfang der Pandemie über Tinder kennengelernt und tagelang gechattet.

Nach einer Woche trafen sich die beiden zum Spazierengehen im Tiergarten – natürlich mit vorbildlichem Corona-Abstand, wie sie uns erzählen. „Wir hatten direkt zu Beginn einen ganz besonderen Vibe miteinander. Es fühlte sich ehrlich, besonders, irgendwie sicher und gleichzeitig aufregend an“, beschreibt Elena das erste Kennenlernen.

Elena und Giulia kurz nach ihrer Verlobung auf Formentera. 
Elena und Giulia kurz nach ihrer Verlobung auf Formentera.  © Elena Schröder

Das analoge Daten sei überraschend erfrischend verlaufen. Klassische Dates in Bars und mit Drinks seien nicht möglich gewesen, deswegen sahen die Treffen der beiden anders aus: „Spazieren gehen durch nahezu alle Parks Berlins, Picknick an der Spree, Kochabende und Vinyls hören“. Seit ihrem Urlaub auf Formentera 2021 ist das Paar verlobt – im nächsten Jahr soll auf der Insel geheiratet werden.

Pandemie macht intensiveres Kennenlernen möglich

Wie sich Corona auf die Beziehung von Elena und Giulia ausgewirkt hat? „Es ist schon verrückt, wenn man bereits 1,5 Jahre mit seiner Partnerin zusammen ist und dann das erste Mal gemeinsam in einen Club tanzen geht“, sagt Giulia.

Dinge, die man sonst zu Beginn einer Beziehung erlebe, haben in weiter Ferne gelegen. Wie Christina und Tom finden sie, dass sie sich in der Zeit der Pandemie ohne Ablenkung äußerer Einflüsse schneller und besser kennenlernen konnten.

Corona-Nachwirkungen: Experten rechnen mit Trennungswelle

Vielen Paaren sei es in der Pandemie ganz anders ergangen, berichtet Psychotherapeut Wolfgang Krüger. „Ich gehe von einer Trennungswelle nach Corona aus“, sagt er mit Blick auf ohnehin angeschlagene Beziehungen.

Die Pandemie habe gezeigt, dass das Leben endlich sei. Einige stellten dabei fest, dass sie ihre Zeit nicht mit einer schlecht laufenden Beziehung verschwenden wollen, analysiert die Psychologin Christine Backhaus. Vor allem junge Mütter seien von der Pandemie erschöpft.

Im Zuge von Beschränkungen und Homeoffice-Regelungen sehen sich viele Paare häufiger als zuvor, sagt Wolfgang Krüger. Werde die eigene schlechte Laune dann am Anderen festgemacht, bestehe die Gefahr unentwegter und zermürbender Streits über Kleinigkeiten wie den Abwasch. „Da liegen schnell die Nerven blank“, sagt er.

Solchen Paaren rät Krüger, einander Raum zu lassen und vielfältige Beziehungen zu pflegen. Was Christina und Tom in ihrer Beziehung hilft, ist direkte und ehrliche Kommunikation. Eine Fähigkeit, die beide aneinander schätzen. „Sonst wären wir da bis jetzt nicht so gut durchgekommen“, sagt Christina.