Mexiko-Stadt. Ob Tulum oder Cancún: An Mexikos Stränden kämpfen Gangs um die Vorherrschaft. Immer öfter geraten Touristen zwischen die Fronten.

Schon die Bilder der Überwachungskamera lassen einen schaudern. Ein junger Mann im grauen Jogginganzug marschiert mit gezückter Pistole durch einen berühmten Hotelkomplex in Playa del Carmen an der mexikanischen Karibikküste. Wenige Minuten später erschießt er am Pool zwei kanadische Gäste. Dann flieht der Täter in den Dschungel.

Die Opfer, so ergaben es Ermittlungen, waren international zur Fahndung ausgeschriebene Kriminelle, die unter falscher Identität nach Mexiko eingereist waren. Der Vorwurf: Drogen- und Waffenhandel sowie Geldwäsche.

Der Mord im Januar ist die jüngste filmreife Gewalttat in Mexikos Tourismushochburg. Seit Monaten tragen die nationalen und offenbar inzwischen auch internationalen Mafias ihre Revierkämpfe und ihre Abrechnungen zunehmend in den wichtigsten Urlaubszentren des lateinamerikanischen Landes aus. Schon seit Jahren ringen die mexikanischen Kartelle um die attraktive Riviera Maya.

Gewalt in Mexiko: Korrupte Behörden schauen nur zu

Denn Cancún, Playa del Carmen und Tulum bieten einen großen Absatzmarkt. Neu ist aber, mit welcher Kaltschnäuzigkeit und Unbekümmertheit sie ihre Auseinandersetzungen nicht mehr nur in Nachtclubs und den Schlafstädten austragen, sondern am helllichten Tag in Bars, Restaurants, am Strand und in den Hotellobbys.

Die Riviera Maya sei auch wegen hoch korrupter Behörden ein idealer Ort für transnationale Kriminelle, sagt die unabhängige Kriminalitätsexpertin Elisa Norio von der Washingtoner Georgetown-Universität, die zum organisierten Verbrechen in der Region geforscht hat.

Morde aus nächster Nähe, Schießereien auf offener Straße, Leichen, die auf den Straßen ausgestellt werden. Was man bisher nur aus Netflix-Serien oder den Narco-Heim­stätten im Norden Mexikos kannte, ist jetzt Realität an den Traumstränden der Karibik mit ihrem kristallblauen Wasser. Die Riviera Maya gehört derzeit zu den Regionen mit der höchsten Mordrate im Land.

Urlaub in Mexiko: Fast jeden Monat ein Ausländer Opfer

Ende Oktober starben eine deutsche und eine indische Touristin, als sie in einer Kneipe in Tulum, das für seine Maya-Ruinen am Strand bekannt ist, im Kreuzfeuer zweier rivalisierender Drogenbanden niedergestreckt wurden. Seither ist beinahe jeden Monat ein Ausländer bei einer Gewalttat gestorben.

Für die Menschen hat sich das Leben hier in den letzten drei Jahren komplett verändert, so Anne Baumgarten, eine Auswanderin aus Deutschland. „An jeder Ecke in Tulum stehen sogenannte Drugboys, die einem alles verkaufen, was es auf dem Markt zu finden gibt.“

3193798e-8998-11ec-8ec5-24b4eefca368
© picture alliance / NurPhoto | Artur Widak

Die Nachfrage nach Drogen sei hoch, das locke immer mehr Kartelle an. „Für Hotels ist es auch nicht einfach: Man hat die Wahl – entweder man bezahlt eine Schutzgebühr und toleriert die Drogengeschäfte direkt vor der Haustür, oder man kann schließen.“ Wegen der hohen Kriminalität wurde die Armee nach Tulum geschickt.

Deutsche berichtet: „Ich traue mich mit meinem Baby kaum noch auf Straße“

„An jeder Ecke steht die Polizei, es gibt engmaschige Kontrollen“, sagt Baumgarten. Sicher fühle sie sich aber keineswegs. „Gerade mit meinem Baby hat sich die Sicht auf die Dinge verändert“, sagt sie. „Auch wenn die Schießereien zwischen den Banden stattfinden, kann man auch mal ins Kreuzfeuer geraten, wie es den beiden Touristen hier letztes Jahr passiert ist.“

Der Alltag erzeuge längst keine paradiesischen Gefühle mehr. Die Unsicherheit fange bei kleinen Dingen an: „Etwa nachts kein Auto mehr fahren, da auf einigen Straßen die Gefahr groß ist, angehalten und ausgeraubt zu werden.“ Abends sollte man nicht in Bars gehen. „Und tagsüber nicht alleine mit dem Kind auf der Straße spazieren gehen.“ Es sei passiert, „dass eine Gruppe in Lieferwagen versucht hat, Kinder zu entführen“. Die Polizei sei keine Hilfe. „Es gewinnt derjenige, der den höchsten Preis bezahlt.“