Berlin. Sind Menschen mit Migrationsgeschichte seltener gegen Corona geimpft, und wenn ja, warum? Eine RKI-Studie liefert zum ersten Mal Daten.

Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland haben eine niedrigere Corona-Impfquote als die Allgemeinbevölkerung, sind aber eher bereit, sich impfen zu lassen. Das ergab eine Befragung des RKI, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden. Danach liegt die Impfquote bei Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland bei 84 Prozent. Für Menschen ohne solche Geschichte liegt der Wert bei 92 Prozent.

Die Befragung, die neben Deutsch auch auf Arabisch, Englisch, Polnisch, Russisch und Türkisch durchgeführt wurde, ist Teil des Covimo-Impfquoten-Monitorings des RKI und liefert zum ersten Mal belastbare Daten zur Impfquote in migrantischen Gemeinschaften in Deutschland.

Rund 2000 Menschen wurden für die Sondererhebung mit Blick auf Migrationsgeschichte telefonisch befragt. Die Hälfte der Teilnehmenden hat selbst Migrationserfahrung oder kommt aus einer Familie mit Migrationsgeschichte, die andere Hälfte hat dies nicht.

Nur in einer Altersgruppe ist die Impfquote auf demselben Niveau

Die Forschenden des RKI gehen bei beiden Gruppen davon aus, dass die Impfquote überschätzt ist, weil Menschen, die bereit sind, an einer solchen Erhebung teilzunehmen, der Impfung und auch dem RKI als Institution grundsätzlich wahrscheinlich eher positiv gegenüberstehen.

Weil sich dieser Effekt auf beide Gruppen beziehe, seien die erhobenen Unterschiede zwischen Migranten und ihren Nachfahren und Menschen ohne Migrationshintergrund aber verlässlich, betonte Elisa Wulkotte, Mit-Autorin der Studie.

Eine Differenz in der Impfquote fand sich danach in fast allen Altersgruppen. Nur unter den 18- bis 29-Jährigen lag die Impfquote sowohl bei Menschen mit als auch ohne Migrationsgeschichte auf demselben Niveau, bei knapp 93 Prozent.

Die Bereitschaft zur Impfung war unter Migranten und ihren Nachkommen höher

Allerdings: „Die Impfbereitschaft der Ungeimpften ist bei den Personen mit Migrationsgeschichte höher“, sagte Studienautorin Wulkotte bei der Vorstellung der Untersuchung.

Auf einer Skala von 1 bis 5 („auf keinen Fall impfen“ bis „auf jeden Fall impfen“) gaben ungeimpfte Befragte mit Einwanderungsgeschichte ihre grundsätzliche Bereitschaft im Schnitt mit 3,0 an. Nicht geimpfte Teilnehmer ohne Einwanderungsgeschichte lagen bei 2,3. Der Unterschied ist statistisch signifikant.

Man könne also davon ausgehen, dass in der Gruppe mit Migrationserfahrung noch ein größerer Anteil bereit ist, sich impfen zu lassen, sagte Wulkotte. Bei den ungeimpften Befragten ohne Migrationshintergrund dagegen habe die Impfkampagne schon fast alle erreicht, die sich impfen lassen wollen.

„Allein der Umstand, dass eine Person eingewandert ist, oder ein Elternteil eingewandert ist, kann diese Impflücke nicht erklären“, sagte Wulkotte. Entscheiden seien andere Faktoren, etwa Bildung und Einkommen, Alter, Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssystem und vor allem Sprache.

Migrationsgeschichte allein erklärt die Ergebnisse nicht

Unter den Befragten, die Deutsch als Muttersprache sprechen oder Deutschkenntnisse als sehr gut einschätzen, waren 92 Prozent geimpft. Unter jenen, die nach eigener Aussage sehr schlecht Deutsch sprechen, lag der Anteil nur bei 75 Prozent.

Auch sozioökonomische Aspekte spielen eine Rolle. So steigt laut RKI-Untersuchung die Chance, eine Impfung erhalten zu haben, mit steigendem Einkommen. Personen, die ein hohes Bildungsniveau haben, sind demnach eher geimpft als Personen, die nur wenig formale Bildung haben.

Eine zielgruppenspezifische Impfkampagne sollte sich deshalb vor allem an Personen mit wenig Deutschkenntnissen und niedrigem sozioökonomischen Status richten, sagte Wulkotte.