Berlin. Männer könnten das Potenzmittel bald frei käuflich in der Apotheke bekommen. Experten beraten über Risiken des rezeptfreien Verkaufs.

Bislang musste man vor Erhalt der babyblauen Pille zum Arzt – nun könnten Männer das Potenzmittel Viagra bald frei käuflich in der Apotheke erhalten. Ein Expertengremium der Arzneimittelbehörde BfArM berät am 25. Januar in Bonn über die Entlassung des Wirkstoffs Sildenafil aus der Verschreibungspflicht.

Danach stehe es in der Entscheidungsgewalt des Bundesgesundheitsministeriums, ob nicht nur das bekannteste Mittel gegen ErektionsstörungenViagra – sondern auch andere Mittel zur Steigerung der Potenz rezeptfrei werden.

Laut Dr. Ursula Sellerberg, Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), warten nicht nur Apotheker in ganz Deutschland gespannt auf die Entscheidung des Expertengremiums: „Auch die Firmen stehen bereits in den Startlöchern. Sollten Potenzmittel frei verkäuflich werden, wird das den Verkauf massiv steigern.“ Auch ein Mitglied des ABDA sei nächste Woche bei den Beratungen dabei.

Erektionsstörung kann „Vorbote eines Herzinfarkts“ sein

Dennoch weist die Verbandssprecherin auch auf mögliche Gefahren hin, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen: „Das sind keine Bonbons, die man einfach so einnimmt. Die Beratung von geschulten Pharmazeuten ist wie bei allen anderen Medikamenten unerlässlich.“ Nicht zum ersten Mal würden Experten über die Entlassung von Sildenafil aus der Rezeptpflicht verhandeln.

Auch Prof. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit, sieht Vor- und Nachteile in der Freigabe von Potenzmitteln. Vor allem lasse sich mit der Freigabe der Medikamentenhandel auf dem Schwarzmarkt eindämmen. Eine Studie vor einigen Jahren habe ergeben, dass bei über 80 Prozent der Medikamente, die im Internet frei käuflich sind, nicht das enthalten war, was angegeben war. Zum Teil habe man auch Verunreinigungen, etwa mit Schwermetallen, nachgewiesen.

Grundsätzlich sollten Männer Erektionsstörungen aber nicht unterschätzen: „Eine Erektionsstörung ist, wenn sie gefäßbedingt ist, Vorbote eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls“, sagt der Hamburger Mediziner. Wir erkennen eine mögliche Grunderkrankung bei der Untersuchung der Blutgefäße ungefähr acht Jahre vorher. Und da hat man dann eben noch Zeit, entsprechend gegenzusteuern.“

Einnahme von Viagra mit bestimmten Herzmedikamenten kann zum Tod führen

Bleibe ein Arztbesuch aus, könnte das schlimme Folgen haben: „Da können Nerven geschädigt sein, die Infrastruktur des Penis und die Blutgefäße, die zum Penis führen. Das Leiden kann sich solange verschlimmern, bis Potenzmittel wirkungslos bleiben. Wenn man aber dann erst zum Arzt geht, ist es für eine Heilung oft zu spät.“

Im Jahr 2005 wurde Sommer als erster Arzt der Welt zum Professor für Männergesundheit berufen. Seitdem beschäftigt er sich auch mit dem Wirkstoff Sildenafil. Was vielen Männern dabei nicht bekannt sei: Sildenafil ist nicht mit jedem Medikament gleich gut verträglich. So etwa mit Herzmedikamenten, die Nitrate enthalten: „Wenn diese gemeinsam mit Sildenafil eingenommen werden, kann ein zum Tod führender sogenannter hypotoner Schock die Folge sein.“

Es müsse bei der Entscheidung über die Entlassung der Rezeptpflicht bei Viagra und Co. das Für und Wider kritisch beleuchtet werden. Die Entdeckung von Sildenafil war laut Sommer aber unbestritten „ein Geschenk des Himmels“. Am 27. März 1998 hat der US-Konzern Pfizer den Wirkstoff unter dem Markennamen „Viagra“ in den USA auf den Markt gebracht. Sechs Monate später wurde das Potenzmittel auch in Europa verkauft.

Wissenschaftliche Erkenntnisse: 80 bis 90 Prozent der Erektionsstörungen haben körperliche Ursachen

„Die Zulassung von Sildenafil hat einige Untersuchungen nach sich gezogen wodurch gezeigt wurde, dass der Zustand der Penisgefäße einen Herzinfarkt voraussagen kann. Auch Zuckererkrankungen werden seitdem viel früher diagnostiziert“, so Prof. Frank Sommer.

Noch in den 80er Jahren herrschte dagegen die Ansicht, dass 90 Prozent der Erektionsstörungen psychische Ursachen haben. „Der heutige Stand der Wissenschaft beweist das Gegenteil: 80 bis 90 Prozent haben körperliche Ursachen – und dann kommt die Versagensangst vielleicht noch oben drauf.“

Sollte Viagra demnächst ohne Rezept in Apotheken erhältlich sein, plädieren die Experten auf die Eigenverantwortlichkeit der Männer: „Falls den Patienten etwa Probleme mit dem Herzen bekannt sind oder die Vermutung besteht, sollte das im Gespräch mit dem Apotheker offen kommuniziert werden“, sagt Dr. Ursula Sellerberg. (dpa/fmg)

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