Rom. Vom Teufel besessene Menschen gibt es nur im Horrorfilm? Doch echte Praktiken zur Teufelsaustreibungen sind durchaus keine Seltenheit.

Verzerrte Gesichter, Flüche in unbekannten Sprachen, willenlose, vom Teufel besessene Menschen und Priester, die mit vorgehaltenem Kreuz gegen das Böse kämpfen: Die Vorstellungen von Austreibungen, die die Allgemeinheit hat, basieren meist auf populären Horrorfilmen. Doch echte Praktiken zur Teufelsaustreibungen sind weltweit durchaus keine Seltenheit.

Die Zahl der Hilfesuchenden, die sich von Dämonen befreien lassen wollen, ist in den letzten Jahren gestiegen. In Rom ist Exorzismus längst kein Tabuthema mehr. An der päpstlichen Universität Regina Apostolorum in Rom sprechen 250 Exorzisten, Psychologen, Psychotherapeuten und interessierte Laien über die Dämonenaustreibung.

Exorzismus aus verschiedenen Perspektiven

„Kurs über Exorzismus und das Befreiungsgebet“, so lautet der Titel des einwöchigen Seminars. Priester, Mediziner, und Psychologen befassen sich hier mit den anthropologischen, sozialen, theologischen und medizinischen Aspekten des Exorzismus.

Auch neurowissenschaftliche, pharmakologische, symbolische und kriminologische Elemente werden im Hörsaal der prestigereichen päpstlichen Universität behandelt und vertieft. Pater Edward McNamara, Liturgieprofessor an der Regina-Apostolorum-Universität, moderiert mehrere Podienrunden, in denen heikle Themen wie Pädophilie, Pädopornografie und ihre Verbindungen mit okkulten und satanischen Ritualen erläutert werden. Auch die Veränderung des geistigen und seelischen Zustands mittels mentaler Manipulation wird während des Seminars diskutiert.

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Rituelle Austreibung böser Mächte

Unter Exorzismus wird die rituelle Austreibung böser Mächte und Geister aus Personen, Lebewesen oder Gegenständen verstanden. Solche Praktiken gibt es in allen Kulturen und sollen der ganzheitlichen Reinigung und Heilung dienen.

„In Zeiten der Pandemie ist die Nachfrage nach Teufelsaustreibungen nicht gestiegen, zugenommen hat die Nachfrage nach psychologischer Unterstützung“, berichtet Pater Luis Ramirez, Koordinator des Exorzismus-Kurses. Gegenüber den 1990er-Jahren sei das Interesse der Bischöfe und der Laien für das Thema Teufelsaustreibungen gewachsen. Der Exorzismus besteht aus Gebeten sowie Segens- und Beschwörungsformeln.

Überprüfen, ob Besessenheit vorliegt

Der katholische Exorzismus basiert auf dem Buch „Rituale Romanuum“ aus dem Jahr 1614, das Papst Johannes Paul II. 1999 leicht überarbeiten ließ, um die Erkenntnisse der Medizin und Psychia­trie stärker zu berücksichtigen. Nach den neuen Regelungen, die das Werk von 1614 ersetzen, muss ein Exorzist sorgfältig überprüfen, ob tatsächlich ein Fall von Besessenheit vorliegt. Gegebenenfalls soll er sich mit Medizinern und Psychiatern beraten.

Was Besessenheit bedeutet, ist in dem Werk klar definiert: Eine geistige Behinderung oder psychische Erkrankung muss in der betroffenen Person ausgeschlossen sein. Sie muss eine unbekannte Sprache sprechen und Kräfte zeigen, die das menschliche Ausmaß übersteigen.

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Der Exorzismus von Klingenberg

Die katholische Kirche versteht unter dem Begriff Exorzismus eine Bitte an Gott, den Menschen von der Macht des Bösen zu befreien. Der Exorzismus kann auch einen im Namen Jesu Christi an den Teufel gerichteten Befehl umfassen, den Betroffenen zu verlassen. Die Vollmacht zum Vollzug des Exorzismus leitet die Kirche aus dem Neuen Testament ab. Vorbild sind die Dämonenaustreibungen Jesu.

Während in Italien und anderen Ländern nahezu jedes Bistum einen offiziell bestellten Exorzisten hat, ist die katholische Kirche im deutschsprachigen Raum sehr zurückhaltend. Offiziell bestellte Exorzisten gibt es nicht. Ausschlaggebend dafür war vor allem der Fall der Studentin Anneliese Michel, die 1976 im Alter von 23 Jahren während eines Großen Exorzismus nach 67 Sitzungen an Unterernährung starb. Der Fall ging als „Exorzismus von Klingenberg“ in die Geschichte ein.