Berlin. Als Autorin schafft sie großartige Werke. Doch jetzt hat sich die irische Star-Autorin mit ihrem Israel-Boykott selbst entzaubert.

Jede Generation hat ihre Stimme. Für die heute 40-Jährigen waren das vor ein paar Jahren die US-Autorinnen und Filmemacherinnen Miranda July und Lena Dunham, beide haben Geschlechterrollen seziert und neu erzählt.

Dunhams Serien-Hit „Girls“ entführte uns in das Leben einer pummeligen, klugen Frau, die versucht, ihr Leben zu leben, Liebe zu finden und Sex zu haben – ganz normal also, ohne Modelmaße und weiße Zähne.

Julys Film „Ich und du und alle, die wir kennen“ ist anrührend und voller großartigen Ideen und zeigt Alltag in seiner einfachen Schönheit. In den Jahren davor übernahm diese Generationenaufgabe vielleicht Jonathan Franzen und davor Paul Auster und Siri Hustvedt.

Sie alle schafften großartige zeitgenössische Werke voller Nähe und Intimität. Von diesen Stimmen bin ich ein großer Fan, weil ich über sie Dinge erfahre, die ich bisher nur ahnte.

Sally Rooney lässt Buch nicht ins Hebräische übersetzen

Ähnlich ging es mir in den letzten Jahren mit der irischen Autorin Sally Rooney, ihr erster großer Erfolg „Gespräche mit Freunden“ gewährte mir Einblicke in die Welt der heute 20-Jährigen, ihr nächster Titel, übrigens in 46 Sprachen übersetzt, „Normale Menschen“ beamte mich zurück in meine Studentenzeit und erinnerte mich an meine erste große Liebe. Ich blickte zurück auf die Zweifel, die Atemlosigkeit und die Unbedingtheit der Gefühle von damals mit den Augen von heute.

Ihr neuestes Werk „Schöne Welt, wo bist du“ ist sogar bislang ihr bestes. Dieses Mal beschreibt sie die 30-Jährigen, ihre Kämpfe, Gedanken und ihre überaus differenzierte Grausamkeit. Die Hauptpersonen zogen mich zu sich, ich hoffte tatsächlich auf ein Happy End. Ich war fast fertig mit dem Buch, als am Dienstag eine Nachricht erschien, die die Autorin entzauberte.

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Sally Rooney selbst ist undifferenziert. Nicht als Autorin, aber als politischer Mensch. Wie ich darauf komme? Sie hat sich zu einem banalen Schritt entschieden, ihr Buch nicht ins Hebräische übersetzen zu lassen. Nicht, dass ich denke, jedem Israeli und jeder Israelin wird künftig ein essenzielles Werk in ihrer literarischen Bildung fehlen, seit Dienstag nicht mehr, aber es ist der Ausschluss, der mich stört und verstört.

Rooneys Begründung ist der Nahost-Konflikt. Sie möchte mit ihrer Entscheidung die BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) unterstützen, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, bis alles „besetztes arabisches Land“ geräumt ist.

Einige BDS-Vertreter sprechen Israel gar das Existenzrecht ab. Die Bundesregierung und andere Staaten stufen diese Kampagne schlicht als antisemitisch ein.

Auf chinesischen Markt soll aber nicht verzichtet werden

Sally Rooney bezieht sich bei ihrer Begründung auf einen Bericht der Organisation Human Rights Watch, der „Israels System der rassischen Vorherrschaft und Segregation gegen Palästinenser“ als Apartheid bezeichnet. Was Rooney mit ihrem Übersetzungsboykott leistet? Sie grenzt ein ganzes Volk für die Politik des Staates Israel aus.

Und zwar nur dieses eine, auf arabische Staaten, die Frauen unterjochen, will sie nicht verzichten, auch nicht auf einen lukrativen Markt wie den chinesischen, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Sally Rooney ist nun mit ihrem antisemitischen Bekenntnis für viele Rechtfertigung und Vorbild, es ihr gleichzutun.

Der Titel ihres Buches „Schöne Welt, wo bist du“ ist ein Zitat aus einem Gedicht von Friedrich Schiller „Die Götter Griechenlands“, es geht darin um eine blühende vergangene Zeit, und eine Gegenwart, die arm ist an Schönheit und beklagt wird. Nur noch in der Kunst findet man in der Gegenwart diese vermisste Schönheit.

Hätte es doch Sally Rooney bei ihrer Kunst belassen und sie nicht für ihre kruden politischen Ansichten ins­trumentalisiert. Das Werk wäre ganz im Schillerschen Sinne frei gewesen.