Berlin. Der Musiker Gil Ofarim wurde laut eigenen Aussagen wegen seiner Kette diskriminiert. Doch offenbar ist unklar, ob er die auch trug.

  • Gil Ofarim erhebt schwere Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber einem Hotel in Leipzig
  • Der Sänger behauptet, wegen seiner Davidstern-Kette diskrimiert worden zu sein
  • Doch Überwachungsvideos werfen Zweifel auf - Was Ofarim dazu sagt

Leipzig, 5. Oktober: Mit den Worten „Ich bin gerade sprachlos. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll“, beginnt der Rockmusiker und Schauspieler Gil Ofarim ein Video, das er auf seinem Instagram-Kanal postet und das eine gewaltige mediale Druckwelle auslösen wird. Er sitzt vor einem Hotel der Kette „Westin“. Sichtlich aufgebracht berichtet Ofarim, wie ihn ein Mitarbeiter des Hotels antisemitisch beleidigt haben soll. Er habe einchecken wollen, als ein „Herr W.“ ihn aufforderte, seine Davidstern-Kette einzupacken.

Das Video macht schnell die Runde in den sozialen Netzwerken. Wird tausendfach angeklickt, kommentiert, geteilt. Deutschlandweit und international wird der Vorfall zur Schlagzeile. Am 12. Oktober stellt Ofarim bei der Münchner Polizei Strafanzeige gegen den Hotelmitarbeiter.

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Auswertungen der Überwachungskameras werfen Fragen auf

Doch der Zwischenfall scheint um einiges komplizierter, denn Aufnahmen der Überwachungskameras aus der Hotel-Lobby werfen offenbar Fragen auf. Das geht aus einem Bericht der „Bild am Sonntag“ hervor. Demnach ist nicht erkennbar, ob Gil Ofarim wirklich eine Kette mit einem Davidstern trug. Unserer Redaktion liegen die Aufnahmen vor.

Auch die „Leipziger Volkszeitung“ berichtet, dass die Auswertungen der Überwachungskameras Ähnliches nahelegen. Eine spezielle Software könne die Qualität der Aufnahmen verbessern und Details kenntlich gemacht werden, heißt es in dem Zeitungsbericht, der sich auf Ermittlerkreise beruft.

Demnach sei auf einem der Videos ein aufgeregter Gil Ofarim an der Rezeption zu sehen. Welche Worte zwischen Ofarim und dem Hotel-Personal fallen, bleibt ungewiss: Die Aufnahmen haben aus datenschutzrechtlichen Gründen keinen Ton. Es sei jedoch keine Kette sichtbar. Bei seinem auf dem Bordstein vor dem Hotel gedrehten Video dagegen trägt Ofarim eine Kette mit Davidstern um den Hals.

Antisemitismus: „Es geht um was viel Größeres.“

Der Musiker äußerte sich gegenüber der „Bild am Sonntag“ wie folgt: „Der Satz, der fiel, kam von hinten. Das heißt, jemand hat mich erkannt“, sagte Ofarim. Es ginge in seinem Fall nicht nur um die Kette. „Es geht eigentlich um was viel Größeres. Da ich oft mit dem Davidstern im Fernsehen zu sehen bin, wurde ich aufgrund dessen beleidigt.“

Zwei Tage vor dem Vorfall im Hotel sei er zu Gast im ZDF bei der Konzert-Matinee „Happy Birthday, Giora Feidmann“ zu Ehren des jüdischen Musikers gewesen. „Bei der Gala trug ich die Kette und ich ziehe sie eigentlich so gut wie nie aus.“

Wie die „Bild-Zeitung“ berichtet, hat die Leipziger Polizei mittlerweile „ernstzunehmende Zweifel“ an dem ursprünglich geschilderten Ablauf der Ereignisse. In seiner Vernehmung soll sich demnach Ofarim nicht mehr erinnert haben können, ob er eine Kette trug oder nicht. Die Auswertung der Videoaufnahmen seitens Polizei und Staatsanwaltschaft laufen weiter.

Der Sänger Gil Ofarim erhebt schwere Antisemitismus-Vorwürfe.
Der Sänger Gil Ofarim erhebt schwere Antisemitismus-Vorwürfe. © Tobias Hase/dpa

Gil Ofarim: „Ich habe nicht gelogen“

Im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung nahm Ofarim inzwischen noch einmal Stellung. „Ich habe diese Kette immer an, ich bin auch bekannt dafür, dass ich immer mit dieser Kette auftrete.“ Der Sänger beteuert weiterhin, den Stern getragen zu haben. Er sei sich bei seiner Aussage gegenüber der Polizei nur nicht sicher gewesen, ob er die Kette über oder unter dem T-Shirt getragen habe.

Ofarim weiter: „Man kann den Stern auch durch das T-Shirt sehen. Ich wurde als Jude angegriffen, weil ich den Stern trage. Ich habe nicht gelogen, ich trage den Stern immer. Ich mache sowas sicher nicht aus PR-Gründen. Ich mache über solche Themen keine Witze.“

Juden: Zahl antisemitischer Straftaten nimmt zu

Seit Jahren registrieren die Sichheritsbehörden eine steigende Anzahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland. 2020 wurden bundesweit 2275 judenfeindliche Straftaten gemeldet. Das ist der höchste Wert seit 2001, als solche Straftaten erstmals gesondert erfasst wurden. Im Jahr 2019 waren es 2032 Delikte.

Sein Instagram-Video bereue Gil Ofarim nicht: „Ich wusste, was das für Wellen schlägt. Das Ausmaß, und dass ich vielleicht vom Opfer zum Täter gemacht werde, darüber habe ich mir jedoch keine Gedanken gemacht.“ Dennoch beteuert er: „Ich würde, wenn ich wieder antisemitisch beleidigt werde, wieder meinen Mund aufmachen.“

(lgr mit amw)