Berlin. Jannis Niewöhner kann sich gerade mit gleich zwei neuen Filmen von unterschiedlichen Seiten zeigen. Ein Gespräch mit dem Schauspieler.

An Jannis Niewöhner kommt man derzeit nicht vorbei: Seit Donnerstag läuft die Thomas-Mann-Adaption „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, in der er die Titelrolle spielt. Und in zehn Tagen startet „Je suis Karl“, wofür Niewöhner zum ersten Mal für einen Deutschen Filmpreis als bester Schauspieler nominiert ist.

Unterschiedlicher könnten die beiden Filme nicht sein. Darüber haben wir mit dem 29-Jährigen im Hotel de Rome gesprochen.

Herr Niewöhner, innerhalb von zwei Wochen gleich zwei große Filme. Ist das toll, wenn man solch eine Bandbreite zeigen kann? Oder nehmen sich die Filme gegenseitig die Aufmerksamkeit?

Jannis Niewöhner: Könnte man sich das aussuchen, wäre es sicher schöner, wenn mehr Zeit dazwischen liegen würde. Aber so ist es auch okay. Das sind Dinge, die man sowieso nie beeinflussen kann. Es kommt, wie es kommt. Und momentan ist man ja froh um jeden Film, der nach dem Lockdown ins Kino kommt.

Für „Je suis Karl“ sind Sie beim Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller nominiert. Was bedeutet Ihnen das?

Niewöhner: Ich freue mich wirklich sehr über meine und die weiteren Nominierungen für „Je suis Karl“. Das ist ein sehr besonderer und wichtiger Preis, nicht nur, weil er ausschließlich von Filmschaffenden vergeben wird. Und dann ist „Je suis Karl“ eben auch ein sehr besonderer und wichtiger Film, der durch die Nominierungen noch mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Jannis Niewöhner spielt den Felix Krull in der Thomas-Mann-Adaption „Bekenntnisse des Hochstaplers“.
Jannis Niewöhner spielt den Felix Krull in der Thomas-Mann-Adaption „Bekenntnisse des Hochstaplers“. © German Select/Getty Images | Getty Images

Unterschiedlicher könnten die beiden Filme nicht sein: Der eine ist eine Literaturverfilmung über die Belle Epoque, das andere ein hartes Politdrama und ein sehr heutiger Kommentar auf den Rechtsruck in unserem Land. Welche Art Kino liegt Ihnen näher?

Niewöhner: Was einfach neuer für mich ist, ist die Art, wie Christian Schwochow politische Themen erzählt. Das war wahnsinnig interessant für mich. Weil ich dadurch mehr über die politische Lage erfahren habe und tiefere Einblicke in die Materie nehmen konnte, was etwa die Neue Rechte angeht.

Auch schauspielerisch gab es da viel, was ich noch nie gemacht habe. Andererseits ist natürlich auch eine Thomas-Mann-Adaption sehr reizvoll, weil ich mit dieser Form der Sprache noch nicht konfrontiert war. Auch da habe ich viel gelernt. Was ich mir am meisten wünschen würde, ist der Ausgleich, immer beides machen zu dürfen.

In „Je suis Karl“ sind Sie als Demagoge und rechter Rattenfänger dämonisch. Stimmt es, dass Sie fast abgelehnt hätten, weil Sie meinten, das können Sie nicht spielen, den großen Redner würde man Ihnen nicht abnehmen?

Niewöhner: Ich habe nicht abgelehnt. Aber so eine Rolle habe ich noch nie gespielt. Ich bin kein Mann der Sprache. Deshalb hatte ich etwas Angst davor. Das war dann aber auch das Tolle daran. Christian sagte nur: Lass dich auf die Ängste ein und konfrontiere dich damit. Das habe ich dann getan, und das war total gut, weil ich so ein ganz neues Selbstvertrauen gefunden habe: dass man Dinge neu erarbeiten und lernen kann. Und manchmal auch erst lernt, während man sie tut.

„Je suis Karl“ hat ganz viel vorausgeahnt, was dann während und nach dem Dreh eingetreten ist. Im Film gibt es einen Umsturz, der die Erstürmung des Kapitols schon vorwegnahm. Wird einem selber unheimlich, wenn man so einen Film gedreht hat?

Niewöhner: Das begleitet irgendwie den ganzen Film, seit das Drehbuch entwickelt wurde. Wir hatten gerade eine Woche gedreht, als der Anschlag in Halle verübt wurde. Dann kam Hanau. Und dann das Kapitol. Jedes Mal rief ich Christian an und meinte, wir müssen jetzt den Film rausbringen. Aber Christian sagte: Dieser Film wird die nächste Zeit immer aktuell bleiben. Das ist sehr beängstigend.

Aber es ist umso wichtiger, dass man so einen Film dreht und das erzählt. Viele, die den Film gesehen haben, finden es ja völlig übertrieben, was wir zeigen. Nur wenige kennen sich mit der Neuen Rechten aus. Und wissen, dass es das so schon gibt.

In der Thomas-Mann-Verfilmung „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ spielt Niewöhner charmant mit den Projektionen, die andere in ihn hineininterpretieren.
In der Thomas-Mann-Verfilmung „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ spielt Niewöhner charmant mit den Projektionen, die andere in ihn hineininterpretieren. © dpa | Thomas Kost

„Felix Krull“ ist nicht nur von einem Nobelpreisträger geschrieben worden, es gibt auch schon zwei Verfilmungen, an denen man gemessen werden könnte. Hat man da Muffensausen vor möglichen Vergleichen, oder muss man sich davon auch locker machen?

Niewöhner: Ich kenne das schon auch von mir, dass ich mich manchmal vergleiche. Aber davon muss man sich befreien. Und das geht auch. Ein Gefühl, das mich nicht weiterbringt, muss man auch abstellen. Wenn ich der Regisseur wäre, wäre das sicher noch mal anders.

Und natürlich könnte es Vorbehalte geben, könnten Menschen, die das Buch gelesen haben, nicht immer einverstanden sein mit dem, was der Film macht. Natürlich ist Felix Krull eine Thomas-Mann-Figur, aber die Vision, die wir erzählen, ist die von Daniel Kehlmann und Detlev Buck.

Was war denn Ihre allererste Reaktion auf das Angebot, den Krull zu spielen? Haben Sie auch, wie bei „Karl“, erst mal gezuckt?

Niewöhner: Die Anfrage kam ja schon vor langer Zeit. Produzent Markus Zimmer wollte „Felix Krull“ schon ganz lange drehen. Ich war damals erst 21 und hatte mich riesig gefreut. Auch weil mein Onkel ein großer Thomas-Mann-Liebhaber ist und mich immer als Krull gesehen hat. Und es gibt da ja auch wirklich viele Parallelen.

Schön ist auch, dass Krull ja immer eine Projektionsfigur und förmlich zu den Hochstapeleien gedrängt wird, weil andere etwas in ihm sehen. Ist das auch eine Parallele?

Niewöhner: Klar. Wie Regisseure, die mich besetzen und etwas in mir sehen, das ich mir erst mal nicht zutraue. Aber auch sonst sind wir alle kleine Hochstapler im Leben. Es gibt ja ein regelrechtes Hochstapler-Syndrom: das Gefühl, ständig entlarvt zu werden, weil man glaubt, in einer Sache gar nicht so gut zu sein. Und Hochstapler sind wir auch, weil wir alle geliebt werden wollen und unsere Intelligenz nutzen, um das zu erreichen. Das ist wohl auch der Grund, warum solche Hochstaplerfiguren so reizvoll sind.