New York. Die per Untersuchung bestätigten Belästigungsvorwürfe gegen New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo haben nun seinen Rücktritt zur Folge.

Im ersten Corona-Jahr galt er in Abgrenzung zu Donald Trump im Weißen Haus amerikaweit als die Stimme der Vernunft. Andrew Cuomo erwarb sich als Gouverneur des Bundesstaates New York, wo die Pandemie zu Beginn besonders grauenhaft wütete, durch seine unterkühlten, hart an den Fakten orientierten täglichen Pressekonferenzen weltweites Ansehen. Woraus die Annahme erwuchs, dass der 63-jährige Demokrat im nächsten Jahr unangefochten auf eine vierte Amtszeit in New Yorks Hauptstadt Albany zusegeln würde.

Das ist vorbei. Eine Woche nachdem durch die Staatsanwaltschaft bekannt wurde, dass der für Ruppigkeit und Altherren-Humor bekannte Politiker, elf Frauen teilweise massiv sexuell belästigt haben soll, zog Cuomo am Dienstag die Reißleine.

"Ich liebe New York und ich würde nie auf irgendeine Art und Weise nicht hilfreich sein wollen. Und die beste Art und Weise, mit der ich jetzt helfen kann, ist, zur Seite zu treten und die Regierung wieder zum Regieren zurückkehren zu lassen", sagte er bei einer Fernsehansprache.

Cuomo leugnete bis zuletzt jedes Fehlverhalten

Formell wird sein Rücktritt in zwei Wochen vollzogen. Ab dann wird der liberale Ostküsten-Bundesstaat um die gleichnamige Metropole zum ersten Mal in seiner Geschichte von einer Frau regiert: Kathy Hochul, derzeit als "Lieutenant Governor" die Nr. 2, auch eine Demokratin, übernimmt bis zur Wahl im Herbst 2022 das Ruder.

Dass Cuomo so schnell den Rücktritt wählte, überraschte zunächst. Seit dem ersten Auftauchen der Vorwürfe im Frühjahr, die von anzüglichen Bemerkungen bis zu offensiven Grabschereien und anderen unwillkommenen Berührungen reichen, leugnete Cuomo bis zuletzt jedes Fehlverhalten.

Amtsenthebungsverfahren erhöhte den Druck auf Cuomo

Noch als Generalstaatsanwältin Letizia James die 168-seitigen Ermittlungsergebnisse samt Details vorstellte, beteuerte der einst mit einer Frau aus dem prominenten Kennedy-Clan verheiratet gewesene Sohn des früheren Gouverneurs Mario Cuomo, seine Unschuld. Er wies die Anschuldigungen kategorisch zurück und wähnte sich als Opfer einer politischen Intrige. Botschaft: Ich lasse mich nicht zum Rücktritt drängen.

Die realen machtpolitischen Verhältnisse haben offenbar ein Umdenken ausgelöst. Sämtliche Vertreter der eigenen demokratischen Partei im Kongress von Albany waren nach Medienberichten gewillt, Cuomo schon in wenigen Tagen durch ein Amtsenthebungsverfahren vom Hof zu jagen.

Andrew Cuomo tritt zurück.
Andrew Cuomo tritt zurück. © dpa

Selbst Präsident Joe Biden legte dem Gouverneur den Rücktritt nahe

Kein einziger Senator, kein einziges Mitglied der New Yorker Delegation im Repräsentantenhaus in Washington hielt zu dem Mann, der als enger Weggefährte und Freund von Joe Biden gilt. Der Präsident hatte Cuomo bereits vor Tagen nahegelegt, den Weg für einen Neuanfang zu ebnen.

Ausschlaggebend dürfte neben der Isolierung in seiner Partei auch Volkes Stimme gewesen sein. Cuomo, wegen seines herrischen Führungsstils lange umstritten, gab immer viel auf Umfragen. Und die sahen ihn im Frühjahr trotz der harten Vorwürfe noch mit ausreichend Vertrauensvorschuss der Wählern ausgestattet. Auch das ist längst vorbei. Jüngste Meinungsbilder der Quinnipiac University ergaben, dass 70 Prozent der Wähler im Bundesstaat seinen Abgang fordern, darunter 57 Prozent Demokraten.

Andrew Cuomo: Wichtige Vertraute trat ebenfalls zurück

In dieser Gemengelage mochte Cuomo seinen berüchtigten Kampfgeist nicht mehr aktivieren. Zwar sage ihm sein Instinkt, dass "ich mich durch diese Kontroverse durchkämpfen sollte", erklärte er. Grund: Viele Vorwürfe gegen ihn seien nicht belegt. Gleichwohl habe er aber elf Frauen "verletzt", wofür er sich nach Kräften entschuldige. Angesichts der Corona-Lage würden Ressourcen wie Zeit, Personal und Geld aber an anderer Stelle mehr gebraucht in New York als für die Rekonstruktion seiner "Geschichte".

Cuomos Resignation kam nur einen Tag nach dem Rücktritt seiner wichtigsten Vertrauten Melissa DeRosa. Die Top-Beraterin wird verdächtigt, Frauen unter Druck gesetzt zu haben, die sich über Cuomos schlüpfrige Avancen intern beschwert hatten.

Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Demokraten dauern weiter an

Für Cuomo ist mit dem Rückzug ins Private das schwärzeste Kapitel seiner 30-jährigen politischen Laufbahn aber nicht abgeschlossen. Es gibt strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn, die auf die sexuellen Belästigungsvorwürfe zurückgehen. Mehrere Staatsanwaltschaften sind aktiv. Ein Prozess gegen Cuomo ist aus heutiger Sicht nicht auszuschließen.

In seiner kurzen Rede über die bevorstehende Demission wandte sich Cuomo explizit an seine drei erwachsenen Töchter. "Ich möchte, dass sie aus meinem tiefsten Herzen wissen, dass ich niemals mit Absicht eine Frau respektlos behandelt habe oder dies tun werde. Euer Vater hat Fehler gemacht. Er hat sich entschuldigt und er hat daraus gelernt. Und darum allein geht es im Leben."