Berlin. Vor 20 Jahren eroberten die No Angels die Charts. Nun sind Sandy, Jessica und Co. zurück – und haben das Showbusiness durchschaut.

Vor 20 Jahren eroberten die No Angels, die aus der Castingshow „Popstars“ hervorgegangen waren, die deutschsprachigen Charts. 2014 wurde dann das vorläufige Ende verkündet, doch zum 20-jährigen Jubiläum erscheint nun am 4. Juni ein neues Album mit dem passenden Titel „20“, auf dem die größten Hits wie „Daylight“ in neuer Interpretation samt vier neuen Songs enthalten sind.

Im Interview geben sich die beiden Bandmitglieder Sandy Mölling (40) und Jessica Wahls (44), so enthusiastisch, als würde ihre Karriere gerade losgehen. Doch gleichzeitig wird klar, dass sie manche ihrer Illusionen von früher verloren haben.

Anlässlich Ihres 20-jährigen Jubiläums haben Sie Ihren Superhit „Daylight in Your Eyes“ neu eingespielt. Ist das als Zeichen für diese recht düsteren Zeiten gedacht?

Sandy Mölling: Genau, die Menschen sehnen sich jetzt nach Liebe und Positivität. Das haben wir schon Ende letzten Jahres am Feedback unserer Fans gemerkt, als wir unser Jubiläum ankündigten. Die meinten: „Ihr seid unser Lichtblick in diesem Jahr“.

Was bringt denn Licht in Ihr eigenes Leben?

Jessica Wahls: Man muss sich an den kleinen Dingen erfreuen können. Hier im Homeoffice ist das manchmal ein bisschen trist, aber dann freue ich mich, wenn die Sonne scheint. Ich habe auch Freude an meinen Freunden, wenn man sich treffen kann.

Mölling: Ich würde sagen: Meine Kinder und die Stille in der Natur. Ich brauche nicht immer Musik, höchstens Vogelgezwitscher. Wenn wir zusammen sind, dann zieht die andere wieder hoch. Es ist auch wichtig, dass man mit sich selbst im Reinen ist. Man fühlt sich immer verleitet, auf sein Handy zu schauen. Aber stattdessen sollte man sagen: „Nee, mach das jetzt nicht.“

Das Cover des Albums „20“ der „No Angels“. Nadja Benaissa, Sandy Mölling, Lucy Diakovska und Jessica Wahls (v.l.).
Das Cover des Albums „20“ der „No Angels“. Nadja Benaissa, Sandy Mölling, Lucy Diakovska und Jessica Wahls (v.l.). © dpa

Sie haben 20 Jahre im harten Showbusiness erlebt. Sind Sie ein bisschen desillusioniert?

Mölling: Natürlich. Ich war fest davon überzeugt, wenn ich Sängerin werde und auf der Bühne stehe, dann ist das das Leben. Stattdessen gehen 70 Prozent der Zeit für das Drumherum drauf – Photoshoots, Interviews, Videodrehs. Ich wünschte, es wäre umgekehrt.

Wahls: Viele, die keine Ahnung von dem Business haben, glauben, das ist so eine Zauberwelt, Aber das ist auch ein Haifischbecken. Und davon abgesehen bedeutet es viel harte Arbeit. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so viel arbeiten.

Wie gehen Sie mit Haifischen um?

Mölling: Inzwischen sind wir da sehr direkt. Früher war nicht ganz klar, worauf man sich einlässt. Aber ich weiß jetzt, was ich preisgebe und was nicht. Es gibt eben Fragen, die zu denen ich nichts sage. Inzwischen habe ich auch ein gutes Team um mich herum, dem ich vertrauen kann und die mich unterstützen.

Wahls: Das kommt auch mit dem Erwachsenwerden. Wir waren am Anfang so jung, hatten von nichts eine Ahnung. Mittlerweile sind wir Mamis, erwachsene Frauen, die wissen, wo sie im Leben stehen. Wenn einer um die Ecke kommt und sagt „Jetzt macht ihr und müsst ihr...“ – Da kann ich nur kichern. Denn ich muss gar nichts.

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Wie sehen Ihre Kinder die No Angels?

Wahls: Meine Tochter findet das gut. Momentan ist sie mit ihrem Abi beschäftigt, und das verlangt vollste Konzentration. Als wir 2007 wieder zusammen kamen, war sie vier, und da fand sie das noch seltsam: Wieso wollen die jetzt ein Foto?

Mölling: Mein Großer wurde 2009 geboren, und als er zwei, drei war, war er auch nicht begeistert: Was wollen die von meiner Mami? Inzwischen kennt er das und findet es auch spannend. Mein Fünfjähriger kriegt das jetzt erst alles mit und entdeckt die Songs neu mit mir. Er meint dann: „Singst du das jetzt auch wieder mit deinen Freundinnen?“ Allerdings wundert er sich schon, dass ich wieder Interviews gebe – so nach dem Motto: „Mami, warum bringst du mich nicht in den Kindergarten?“ Das nimmt er dann mit einem Zähneknirschen hin.

Theoretisch hätten Sie ja die alten Zeiten ruhen lassen können.

Wahls: Wir hatten auch nichts Großartiges vor. Wir vier haben eine WhatsApp-Gruppe, und da haben wir uns gefragt: Was wollen wir zum 20-jährigen machen? Ursprünglich wollten wir ein kleines Video drehen und auf das alte Playback von „Daylight“ singen. Aber dann meinte das Plattenlabel: Wir launchen eure alten Songs, und dann kam Feedback von verschiedensten Seiten, so dass wir gesagt haben: Vielleicht machen wir das doch größer.

Vanessa Petruo von der Stammbesetzung ist nicht mehr dabei.

Wahls: Vanessa hat schon vor 14 Jahren bei unserem Comeback gesagt, dass das nicht mehr ihr Ding ist und sie einen anderen Weg einschlagen möchte. Sie hat mit Magna cum laude ihr Studium abgeschlossen und forscht an der Uni. Sie war schon immer smart und hat für sich den richtigen Weg eingeschlagen.

War es eigentlich nach so vielen Jahren Pause schwer, sich wieder auf körperlich aufs No-Angels-Dasein einzustellen?

Mölling: Ich mache fast täglich Sport. Für das neue „Daylight“-Video hatten wir eine Zoom-Training-Session, was mir sehr gut getan hat. Und wenn ich für die Album-Promo aus meiner Wahlheimat Kalifornien nach Deutschland komme, dann werden wir alle zusammen trainieren. Es tut uns unheimlich gut, gemeinsam zu tanzen und uns auch gegenseitig zu pushen.

Wahls: Man muss allerdings hinzufügen: Nach den ersten zehn Minuten Training bin ich auf dem Zahnfleisch gekrochen. Ich habe keine Luft mehr gekriegt und dachte: Ich muss sterben.

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Aber nachdem Sie ja das große Comeback antreten, heißt es keine Müdigkeit vorschützen.

Mölling: Wir würden unfassbar gerne zusammen wieder auf der Bühne stehen, aber das lässt sich noch nicht planen. Momentan steht nur das das Jubiläum im Vordergrund, kein Comeback. Wir gehen in die Nostalgie zurück und sehen zu, dass wir so viel Positivität versprühen können wie möglich.