Milton Keynes. Der Portugiese José de Sousa zählt zu den besten Dartsspielern der Welt – und das trotz einer offensichtlichen Schwäche im Kopfrechnen.

Die Weltspitze in der Sportart Darts ist wahrlich nicht arm an Exoten. Der frühere Weltmeister Peter Wright ist dank seines knallig gefärbten Irokesenschnitts samt aufgemaltem Schlangenkopf auf der Schädelseite ein Publikumsliebling. Auch der langjährige Weltranglistenerste Michael van Gerwen genießt mit seinem Meister-Proper-Look den Stellenwert eines bunten Hundes. Kultstatus in dieser Reihe der pfeilwerfenden Paradiesvögel hat inzwischen aber auch José de Sousa (47) inne. Denn der Portugiese ist der einzige Profi in der Weltspitze mit einer offensichtlichen Rechenschwäche.

37 minus 15 ist gleich 32 – zumindest bei „Rechenkünstler“ José de Sousa

Holte die Maximalausbeute von 180 Punkten so oft in einer Premier-League-Saison wie noch keiner zuvor: José de Sousa.
Holte die Maximalausbeute von 180 Punkten so oft in einer Premier-League-Saison wie noch keiner zuvor: José de Sousa. © Getty Images | Alex Burstow

Zu besichtigen war dieses Defizit einmal mehr am Finalabend der Premier League of Darts am Freitagabend im englischen Milton Keynes: Im Halbfinale gegen Nathan Aspinall hatte der in der Nähe von Lissabon geborene und heute in Spanien lebende Präzisionswerfer einen Rest von 37 Punkten zu tilgen. Er warf seinen ersten Pfeil in die 15 – und war sich sicher, noch einen Rest von 32 Punkten zu haben, dabei waren es natürlich nur 22. Mit einem zielsicheren Wurf in das Doppel-16-Feld glaubte er felsenfest, den Durchgang – im Dartssport „Leg“ genannt – beendet zu haben. Stattdessen hatte er sich überworfen. Sein Gegner, aber auch die wieder zugelassenen Zuschauer in der Halle staunten Bauklötze – und konnten sich ein ungläubiges Lachen nicht verkneifen. So ein Anfängerfehler in einem solch bedeutenden Match!

Doch genau deshalb trägt de Sousa den Spitznamen „The Special One“. Er ist nun einmal ein Mann für die speziellen Momente. Denn so oft ihm ein Rechen-Fauxpas unterläuft, so regelmäßig donnert er seine drei Pfeile direkt danach wieder in jenes Feld, das ihm den maximal möglichen Wert von 180 Punkten sichert. Seine Spiele gleichen einer ständigen Achterbahnfahrt der Emotionen. Unterhaltung ist da immer garantiert.

Darts-Fans schätzen auch die Gelassenheit und die Fairness des Portugiesen

Ein Kuss für die Siegertrophäe: Der Waliser Jonny Clayton gewann in seiner Premierensaison gleich die Premier League of Darts.
Ein Kuss für die Siegertrophäe: Der Waliser Jonny Clayton gewann in seiner Premierensaison gleich die Premier League of Darts. © Getty Images | Alex Burstow

Die Rechenschwäche de Sousas ist mit seiner sportlichen Vergangenheit zu erklären. Denn früher gehörte er zu den besten E-Darts-Spielern auf diesem Planeten. Der größte Unterschied im Vergleich zum Spiel mit den stählernen Pfeilen: Beim E-Darts zieht ein Computer die Punkte gleich auf einer digitalen Anzeige über der Scheibe ab. Beim herkömmlichen Darts zählen die Spieler permanent selbst mit. Fast alle sind daher blendend im Kopfrechnen. Alle, außer de Sousa.

Die bei Live-Events stets verkleideten und mitsingenden Fans mögen den gelernten Schreiner und Küchenbauer aber nicht nur aufgrund dieses Mankos. Sie wissen auch die äußerliche Ruhe und Gelassenheit des Schwergewichts zu schätzen. Verliert de Sousa ein Match, wendet er sich nicht verbittert oder hadernd ab. Nein, stattdessen applaudiert er lächelnd und mit ehrlicher Anerkennung dem siegreichen Kontrahenten. So geschehen beim Premier-League-Finale, das er mit 5:11 Legs gegen den Waliser Jonny Clayton verlor.

Diese Endspielpaarung war übrigens eine faustdicke Überraschung, denn sowohl für den neuen Titelträger Clayton als auch für de Sousa war dies die Premierensaison in der Elite-Liga. Aber dieses unerwartet tolle Abschneiden ist wieder einmal typisch für „The Special One“.

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