Berlin. Heidi Klum setzt bei der aktuellen Staffel von GNTM auf Vielfalt. Ein Gespräch mit den ungewöhnlichsten Finalistinnen in 16 Jahren.

Heidi Klum (47) versteht ihr Geschäft. Sie weiß: Wer nicht mit der Zeit geht, ist weg vom Fenster. „Diversity“, also Vielfalt, heißt das vielbeschworene Gebot der Stunde in Mode, Film, Fernsehen und Werbung, das hoffentlich mehr ist als ein flüchtiges Etikett. Schön bedeutet jetzt eben nicht mehr nur: jung, dünn und hellhäutig.

Nachdem die „Germany‘s Next Topmodel“-Dompteurin 15 Jahre lang genau solche Kandidatinnen drillte und jede Kritik abprallen ließ, sprang sie nun mit der 16. Staffel auf den „Diversity“-Zug auf. Ein bisschen spät, dafür aber konsequent und mit vollem Arbeitseifer.

GNTM: Models im Finale zeigen Anpassung an den Zeitgeist

Das Ergebnis der Anpassung an den Zeitgeist: vier tatsächlich erstaunliche junge Frauen, die am Donnerstag live aus Berlin im Finale in ihr letztes Gefecht ziehen (20.15 Uhr, ProSieben). Die höfliche Studentin Alex (23) aus Köln hat südkoreanische Wurzeln und kam als Junge zur Welt. Die resolute Dascha (20) aus Solingen stammt aus der Ukraine und gilt als „Curvy Model“, ihre Konfektionsgröße fällt also etwas höher aus als bei Models bisher erwünscht.

Eine Nummer kleiner als branchenüblich ist mit 1,68 Meter Romina (21) aus Köln. Um bei Instagram zu gefallen, half die Influencerin einst mit Haarteilen und Spritz-Lippen nach – nun hat sie komplett abgerüstet. Die ehrgeizige Hamburgerin Soulin (20) flüchtete mit ihrer Familie aus Syrien und kam erst vor fünf Jahren nach Deutschland – die Abiturientin beherrscht Deutsch akzentfrei.

Germany's Next Topmodel: Die Finalistinnen sind Medienprofis

Jetzt sitzen die vier Finalistinnen in einem Hotelzimmer in Berlin und lassen sich vor der Generalprobe Journalisten zuschalten. Sofort wird klar: Gefunden wurden „Germany’s Next Medienprofis“. Sie haken nach, wie etwas gemeint ist, „um die Frage genauer zu beantworten“ oder erinnern daran, dass eine Journalistin, die gegen die Technik kämpfte, ja ihre Frage noch nicht stellen konnte.

Aufmerksam, diplomatisch und reflektiert: Hier sitzen vier Musterschülerinnen einer politisch korrekten neuen Model-Welt. Keine Marionetten, sondern Frauen, die wissen, was sie wollen. Und dabei handelt es sich nicht um jene Oberflächlichkeiten, die früher junge Frauen vielfach in den Modeljob lockten: schnelles Geld, glamouröse Partys und ein Rockstar-Freund. „Ich möchte die Leute inspirieren“, sagt Romina, die ihre eigene Modemarke plant. „Niemand soll sich verstecken und jeder anziehen, was er will.“ Auch Dascha positioniert sich als Vorbild: „Ich möchte den Menschen Mut machen, sich zu zeigen, wie sie sind.“

GNTM: Konflikt-Management statt Zickenkrieg

Jahrelang lebte die Dramaturgie bei GNTM von Tränen, Wutanfällen und Allüren, den sogenannten Zickenkriegen. Die fielen in dieser Staffel insgesamt mild aus. Diese fantastischen vier nun beschwören lieber den Teamgeist und setzen auf effektives Konflikt-Management. „Soulin und ich sind öfter aneinandergeraten, aber das heißt doch nicht, dass man sich nicht mag“, erklärt Alex. „Wir haben uns nach Problemen wie erwachsene Menschen hingesetzt und konnten sie lösen.“

Nicht einmal die zwangsläufigen Hasskommentare können sie aus der Ruhe bringen. Wenn sie die lese, denke sie: „Ja, und jetzt? Fühlst du dich jetzt wenigstens besser?“, sagt Soulin. „Mir wurde vorgeworfen, dass ich Syrien so oft erwähne.“ Damit habe sie jedoch keine „Mitleidskarte“ abstauben wollen: „Ich wollte Licht auf dieses wichtige Thema lenken und Leute inspirieren, auch mit schwerer Vergangenheit ihren Träumen zu folgen.“

GNTM-Models: Expertinnen im behutsamen Eigen-Marketing

Die Nachwuchsmodels haben begriffen: Zu einer Heldinnengeschichte gehören überwundene Ängste und Schwierigkeiten. So erzählt Romina, dass sie unter den zahlreichen Absagen bei ihren Castings gelitten habe. „Ich dachte: Will mich hier eigentlich irgendjemand?“ Alex berichtet, sie habe in der Sendung gelernt, Kontrolle abzugeben und zu vertrauen.

Sind diese Expertinnen im behutsamen Eigen-Marketing nun durchgecoacht oder haben sie sich selbstoptimiert oder sind sie einfach so? Es bleibt ihr Geheimnis. Sicher ist: Die Millennials sind mit Castingshows aufgewachsen, wissen genau, was ankommt und was nicht. Tägliche Selbstinszenierung auf Instagram ist für sie so normal wie Zähneputzen.

Sie wollen hoch hinaus, aber auch auf dem Teppich bleiben. New York, Paris, Mailand? Dascha hält lieber dem Rheinland die Treue: „Düsseldorf, Ratingen oder Solingen.“ Wenigstens leistet sie sich eine exzentrische Angst: Sie fürchtet sich vor eineiigen Zwillingen.

GNTM - So liefen die vergangenen Folgen der Castingshow: