Berlin. Im Homeoffice tragen viele gerade lieber eine Jogginghose statt dem Business-Outfit. Doch das könnte die Arbeitsleistung schwächen.

Durch die Corona-Pandemie arbeiten viele Menschen seit Monaten fast ausschließlich von zuhause. Am heimischen Schreibtisch liegt es nahe, sich legerer zu kleiden als im Büro. Schließlich sieht das ja keiner. Für die Videokonferenz sortieren wir eben die Haare und ziehen uns ein ansehnliches Oberteil oder ein ordentliches Hemd an - lassen untenherum die Wohlfühlhose aber an.

Doch beeinflusst dies möglicherweise unsere Selbstwahrnehmung und damit auch unsere Produktivität im Job? Arbeitet es sich im Business-Outfit etwa besser? Thomas Mann soll während des Verfassens seiner Bücher stets Anzug und Fliege getragen haben. Mehrere Studien sagen: Ja, die Kleidung beeinflusst die Arbeit.

Auch Arztkittel wirken: Probanden und Probandinnen in Weiß machten bei einer Studie der Northwestern University nur halb so viele Konzentrationsfehler wie jene ohne Kittel. Unter einer Voraussetzung: Sie durften nicht glauben, der weiße Kittel sei von einem Maler.

Kleidung im Job: Auf das Ritual kommt es an

Im Homeoffice wird man sich nun zwar wohl kaum einen weißen Arztkittel überwerfen. Dennoch: „Der Arbeitstag beginnt vor dem Kleiderschrank“, sagt Coach Petra Lienhop aus Hannover. Entsprechende Kleidung steigere Selbstwert und Selbstbewusstsein und lasse uns somit produktiver arbeiten.

Allerdings muss das nicht für jeden gelten. Der Effekt sei auch davon abhängig, was man selbst mit der Kleidung verbindet, erklärt Carolin Pfau, Mitglied des Deutschen Coaching Verband: „Wenn ich es gewohnt bin, mir zur Arbeit einen Anzug oder Blazer anzuziehen, dann habe ich all die Jahre mit dieser Kleidung Arbeiten in Verbindung gebracht.“ Es könne damit Teil eines eingewöhnten Verhaltens sein, was dadurch höhere Produktivität zur Folge haben könne.

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Wer also das Business-Outfit anzieht und an den heimischen Schreibtisch geht, trete innerlich in einen anderen Modus ein - eben in die Berufsrolle -, erläutert der Psychotherapeut Andreas Pichler. „Wobei es bestimmt Menschen gibt, die das im Schlafanzug hinbekommen.“ Es sei von der Selbstorganisationsfähigkeit, aber auch von der persönlichen Reife abhängig, wie weit man vom üblichen Muster abweichen kann.

Auch im Homeoffice: Kleider machen Leute

Mit der Selbstwahrnehmung hat das Thema für Coach Carolin Pfau aber nur indirekt etwas zu tun: „Es geht vor allem darum, was ich denke, welche Außenwirkung ich durch meine Kleidung erziele.“ Wer denkt, dass andere ihn oder sie in eleganter Kleidung als kompetenter und seriöser wahrnehmen, werde sich im entsprechenden Outfit wohler fühlen - und damit kompetenter wirken.

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Das Gegenüber habe den Gesprächspartner oder die -partnerin in einer bestimmten Kleidung im Kopf, führt Psychotherapeut Pichler aus: „Selbst wenn ich nur telefoniere, ist es dann leichter, tatsächlich mit Hemd und Krawatte dazusitzen.“ Außerdem zeige es den Stellenwert des Gesprächs, wenn man nicht in Freizeitkleidung am Rechner sitzt.

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Arbeitsoutfit im Homeoffice gibt auch der Familie ein Signal

Gerade an Tagen, an denen man sich nicht gut fühlt, sollte man Kleidung wählen, die einem Selbstbewusstsein gibt. Dann könnte es sein, dass sich die innere Stimmung ändert, sagen die Expertinnen.

Wer außerdem weiß, dass er oder sie schnell in der Arbeitsleistung abfällt, sollte lieber etwas mehr tun, um sich selbst davor zu schützen, rät Lienhop. Zumal die Ablenkung im Homeoffice ohnehin größer sei. Kleidung helfe hier dabei, sich abzugrenzen: „Das kann für das Umfeld oder den Rest der Familie ein Kennzeichen sein, dass man nicht für Privates ansprechbar ist“, sagt Pichler.

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Der Vorteil: Wer sich umzieht, markiert damit Beginn und Ende des Arbeitstages. Und im Anzug räumt man nicht mal eben die Spülmaschine aus. „Es kann helfen, sich anzuziehen und einmal um den Block zu gehen, um wirklich den Tag zu beginnen oder zu beenden“, rät Lienhop. (dpa/bef)

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