Berlin. Rucksack aufschnallen und abfliegen: Einpersonen-Fluggeräte boomen nicht nur unter Promis – und geraten in den Radar von Flugzeugen.

„Ich dreh noch einmal eine Runde“, sagt Stephan S., Besitzer einer Kölner Sicherheitsfirma, nach Feierabend zu seiner Frau. Er meint damit nicht, dass er den Hund Gassi führt. Die Auswahl in seiner Garage ist für den 40-jährigen Bodybuilder groß: Ein Geländewagen steht dort, ein Mountainbike, ein Rennrad, zwei Harleys. Doch in letzter Zeit zieht es ihn meist in die Luft.

Und so steht er wenig später auf einer Wiese im Bergischen Land, schnallt sich sein mit einem Rucksackmotor ausgestattetes Zehn-Meter-Gleitsegel um. „Das Gute ist, durch den Motor kann ich von einer Ebene aus starten, selbst lenken und bin nicht abhängig von Winden.“

Mulmig sei ihm nie. „Im Gegenteil, es ist für mich die beste Art zu entspannen. Es gibt nichts Schöneres.“ Mehr zum Thema:Spektakuläre Erfindungen und Technik: Zukunft ist schon da

Jetpack: Tankfüllung reicht für drei Stunden Spaß

Wenig später schwebt er in 1000 Metern Höhe über die Landschaft. 70 Stundenkilometer erreicht er mit seinem 20-PS-Motor mitunter, spätestens nach etwa drei Stunden hat er wieder festen Boden unter den Füßen – so lange reicht eine Tankfüllung.

Laut dem Deutschen Ultraleichtflugverband wird das Motorgleiten seit seiner Zulassung 1994 immer beliebter. Rechtlich gilt das Gerät als Ultraleichtflugzeug – wer fliegen will, muss sich ausbilden lassen. In ab einwöchigen Kursen lernen Unerschrockene beispielsweise, dass Wolken mit Vorsicht zu genießen sind – 300 Meter vertikaler Abstand und 1500 Meter horizontaler Abstand sind geboten.

Der Schweizer Pilot und Erfinder Yves Rossy mit seinem „Jet Wing“, einem Raketenrucksack mit Gleitflügeln.
Der Schweizer Pilot und Erfinder Yves Rossy mit seinem „Jet Wing“, einem Raketenrucksack mit Gleitflügeln. © picture alliance / AP Photo | Mike Shore

235 Unfälle mit Gleitschirmen gab es 2019 in Deutschland, elf davon verliefen tödlich. In elf Fällen wurde ein Passagierflugzeug gestört. Motorgleiten wird nicht gesondert erfasst.

Ultraleichtflugzeug: Adrenalin-Kick ohne Pilotenschein

„Da die Motorgleiter sich im unkontrollierten unteren Luftraum befinden und ausgebildet sind, haben wir mit ihnen, anders als mit Drohnen, kaum Berührungspunkte,“ sagt Ute Otterbein von der Deutschen Flugsicherung.

Doch ein Adrenalin-Kick in der Luft, das geht auch ohne Pilotenschein. Jesus konnte über das Wasser laufen? Gut und schön, aber 2000 Jahre später wird in zehn Metern Höhe über das Wasser geflogen.

Der französische Jetski-Held Franky Zapata entwickelte 2011 das Flyboard. Das ist inzwischen Lieblingsspielzeug an den Küsten von Ibiza, St. Barth, Bodrum, Monaco oder Dubai. Dabei wird das Druckwasser aus dem Jetski mit enormer Geschwindigkeit in einen Schlauch gepumpt und über Düsen an den Füßen hinausgepresst.

Flug-Nervenkitzel made in Germany

Die Königsklasse ist der Jetlev-Flyer. Er kommt ohne Jetski aus, hat bis zu 300 PS, arbeitet mit Viertaktmotor und einer Hochleistungspumpe. Lars Ramcke aus Itzehoe ist mit seiner Firma Carbon Sports der weltweit einzige Hersteller. „Es gibt Imitate aus China, aber wollen Sie damit fliegen?“, fragt er.

Seit der Corona-Krise boomt das Geschäft, statt etwa 70 Geräten im Monat verkauft er nun 100. Kosten: zwischen 6000 und 100.000 Euro. „Die Leute langweilen sich, weil sie nicht mehr reisen können wie bisher“, erklärt er den Zuwachs. „Es sind Präsidenten, Royals, Scheichs, Hollywoodstars. Die halbe russische Duma hat bei mir gekauft.“ Lesen Sie hier:Airbus entwickelt bereits ein selbstfliegendes Flugtaxi

Er bietet entsprechende Ausbildungen an, ein Angebot, das nicht alle annehmen wollen. „Araber und Russen haben eine andere Mentalität, sie denken, sie können schon alles“, sagt Ramcke. Von Unfällen sei ihm aber nichts bekannt.

Raketenrucksäcke mit Rückstoßprinzip

Einen Zukunftsmarkt sieht Ramcke in dem Raketenrucksack der US-Firma Jetpack Aviation, der hohe Rucksack-Flüge unabhängig vom Wasser erlaubt. Gelandet wird per Fallschirm. Vorläufer kamen bereits 1965 im James-Bond-Streifen „Feuerball“ und bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles zum Einsatz.

Zugelassen für den Privatgebrauch sind die Raketenrucksäcke mit dem Rückstoßprinzip noch nirgends. Dennoch meldete im Herbst ein American-Airlines-Pilot beim Anflug auf den Flughafen von Los Angeles: „Tower, American 1997. Wir sind gerade an einem Typen mit Jetpack vorbeigeflogen.“ Das klang wie ein Witz, doch kurz darauf meldete auch der Pilot einer Jet-Blue-Maschine einen Raketenmann in 2000 Metern Höhe.

Das FBI schaltete eine Hotline für Hinweise. Ergebnis: null. In Kalifornien glaubt man, dass Milliardär Elon Musk hinter der Aktion steckt.

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