Berlin. Mit der Digitalisierung haben sich Märchen, Panik und Übertreibungen in unser Leben geschlichen, findet Kolumnist Hajo Schumacher.

Das Leben als Schlacht, jede Minute ein Kampf um die Rettung der Welt. Die digital befeuerte Dramatisierung des Alltags wirbelt Realität und Märchen wüst durcheinander. So verstetigt sich ein Gefühl andauernder Panik.

Früher, als die Welt noch übersichtlich war, hatten Märchen ihren festen Platz auf Ariola-Schallplatten und klangen nach Hans Paetsch. Zu Weihnachten gab‘s Aschenbrödels Nüsse, ansonsten die Augsburger Puppenkiste. Wir Kinder wussten, kluge Prinzessinnen, wunderschöne Hexen und tumbe Prinzen als das einzuordnen, was sie waren: Unterhaltungsgeschichten mit schlichtem Gut/Böse-Kompass und einer Extraportion Drama. Märchen reicherten den unspektakulären Alltag mit Emotionen an.

Nachrichten und Digitalisierung: Wie viel Panik vertragen wir?

Mit der Digitalisierung haben sich Märchen in unser aller Leben geschlichen, rund um die Uhr. Der unentwegte Kampf um Aufmerksamkeit sorgt dafür, dass jede Sekunde des Alltags dramatisiert wird. Aufstehen, Anziehen, Frühstück, Weg zur Arbeit – überall Gefahren. Jede Haferflocke braucht eine Story, jeder Werbespot ein Drama, jede Nachricht einen Twist.