Washington. Erneut erschüttert ein Fall von Polizeigewalt die USA. In Louisiana wurde nun ein Schwarzer erschossen. Ein Video zeigt den Vorfall.

Eine Woche vor der großen Protestveranstaltung in Washington am 57. Jahrestag der „I have a dream”-Rede der schwarzen Bürgerrechtsikone Dr. Martin Luther King wird in den USA erneut ein tödlicher Polizeieinsatz gegen einen Afro-Amerikaner beklagt.

Wieder wirft – wie vor drei Monaten im Fall George Floyd – ein Handy-Video Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf.

In Lafayette im Bundesstaat Louisiana, 240 Kilometer westlich von New Orleans, kam Trayford Pellerin ums Leben. Die letzten Szenen in seinem Leben, aufgenommen von einer Passantin im Auto per Smartphone, zeigen den 31-Jährigen bei dem Versuch, am Freitagabend gegen 20 Uhr Ortszeit den Minimarkt einer Tankstelle zu betreten.

Sekunden später wird er aus nächster Nähe aus einer fünfköpfigen Gruppe von Polizisten heraus erschossen. Ohne erkennbaren Grund.

Polizeigewalt in Lafayette: Mehr als zehn Schüsse abgefeuert

Vor den mehr als zehn Schüssen ließ das Video der 18-jährigen Rickasha Montgomery, das in sozialen Medien am Wochenende hunderttausendfach angeklickt wurde, keine Gewalttat Pellerins erkennen. Auch keine Bedrohung der Polizisten. Die 90-sekündige Sequenz zeigt, wie der mit dunkler Hose und weißem T-Shirt samt Leibtasche bekleidete Schwarze von links kommend in normalem Tempo auf eine Shell-Tankstelle zugeht.

Dicht hinter ihm mehrere Cops, die mit gestreckten Armen ihre Waffen auf ihn gerichtet haben. Laut Montgomery soll Pellerin ein Messer in der Hand gehalten haben. Die Polizisten hätten ihn mehrfach lauf aufgefordert sich auf den Boden zu legen. Was Pellerin ignorierte.

Unmittelbar vor der Tür zum Tankstellen-Gebäude fielen die Schüsse. Pellerin brach zusammen. Im Krankenhaus wurde wenig später sein Tod festgestellt.

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Hintergründe des Falls sind unklar – Polizisten suspendiert

Interims-Sheriff Scott Morgan sagte später vor Journalisten, dass sämtliche Hintergründe der Eskalation unklar seien. Zur Aufklärung habe man den Fall an die Polizei des Bundesstaates Louisiana übergeben. Die am Einsatz beteiligten Beamten seien allesamt vorübergehend vom Dienst suspendiert worden.

Ausgangspunkt des Einsatzes, so Morgan, sei der Anruf aus einem benachbarten Supermarkt gewesen. Dort habe ein Mann mit einem Messer für eine „Störung” gesorgt. Details? Unbekannt. Am Einsatzort habe die Polizei versucht, den Mann, es handelte sich um Pellerin, auf einem Parkplatz festzunehmen. Was misslang. Er flüchtete zu Fuß. Auch Elektroschock-Geräte, Taser, setzten ihn nicht außer Gefecht, so die Polizei. Das taten erst circa 800 Meter weiter die tödlichen Schüsse.

Welche konkrete Bedrohung von Pellerin ausging, ob er zuvor jemand verletzt hatte, ob die Sorge bestand, er würde in der Shell-Tankstelle jemanden verletzen, warum die Cops keinen anderen Weg zur Festnahme fanden – all das ist unbekannt.

Anwalt von Familie von George Floyd eingeschaltet

Das Video, isoliert betrachtet, hat Vertreter der Bürgerrechtsgruppe ACLU zu dem Urteil gebracht, hier sei einmal mehr eine schwarze Person „vor unseren Augen brutal getötet worden”. Marja Broussard von der Schwarzen-Organisation NAACP fragt: „Wie viel Zeit hatten die Officer, um die Situation zu beruhigen, ohne verdammt noch mal zu schießen?”

Pellerins Familie hat sich die anwaltlichen Dienste von Benjamin Crump gesichert. Der Verteidiger vertritt sei der Erschießung des schwarzen Teenagers Trayvon Martin 2012 in Florida regelmäßig Angehörige von Opfern tödlicher Polizeieinsätze; zuletzt auch die Familie von George Floyd, der Ende Mai in Minneapolis vor laufender Videokamera von Polizisten tödlich verletzt worden war. Was landesweit wochenlange Proteste auslöste und der „Black Lives Matter”-Bewegung neuen Auftrieb verschaffte.

Hintergrund: „Black Lives Matter“: Das steckt hinter der Bewegung

Crump sprach in einer ersten Stellungnahme von „rücksichtslosen Schüssen” der Polizei und verlangte „volle Transparenz” bei den Ermittlungen.

Pellerin kein Einzelfall: Polizei setzt immer wieder Waffen ein

Am Samstagabend kamen mehrere hundert Menschen an der Tankstelle, an der Pellerin starb, zu einer Totenwache zusammen. Eine Hauptverkehrsstraße wurde blockiert. Viele Demonstranten zeigten sich erschüttert, dass knapp drei Monate nach George Floyds Tod und einem nationalen Selbstgespräch über die überproportional tödliche Gewaltanwendung der Polizei gegen Schwarze „erneut ein Mensch ohne Not sein Leben lassen musste”.

Nach Angaben der Lokalzeitung „The Acadiana Advocate” ist der Fall Pellerin der dritte binnen fünf Wochen, bei dem die Polizei von Lafayette Waffengewalt eingesetzt hat. Treneca Trachelle Pellerin, die Schwester, erklärte: „Sie haben meinem Bruder unrecht getan. Ich bin sehr wütend und traurig. Ich werde nicht ruhen, bis Gerechtigkeit hergestellt ist.”