Berlin/Düsseldorf. Ein Beamter kniet sich bei einem Einsatz in Düsseldorf auf den Kopf eines 15-Jährigen. Der Anwalt des Polizisten sagt: „Vorbildlich“.

  • In den sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das an die schweren Fälle von Polizeigewalt in den USA erinnert
  • Es zeigt, wie sich ein Polizist bei einem Einsatz in Düsseldorf auf den Kopf eines 15-Jährigen kniet, um ihn zu fixieren
  • Der Anwalt des Polizisten nennt den Ablauf des Einsatzes „vorbildlich“
  • Ein ähnlicher Fall in Frankfurt sorgt ebenfalls für heftige Kritik – dort wurden nun dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Polizisten eingeleitet

Nach dem umstrittenen Einsatz eines Düsseldorfer Polizisten gegen einen 15-Jährigen hat der Anwalt des Beamten dessen Vorgehen verteidigt: „Der Einsatz ist genauso abgelaufen, wie man das trainiert“, sagte Rechtsanwalt Christoph Arnold am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: „Das war ein vorbildlicher Ablauf.“

Der Polizist hatte den Jugendlichen vor einem Schnell-Restaurant in der Düsseldorfer Altstadt mit seinem Knie am Kopf fixiert und so am Boden gehalten. Gegen den Beamten wird nun ermittelt.

Wie der Anwalt des Polizisten ausführte, hatte der 15-Jährige am Boden noch einen Arm frei unter dem Körper. Das sei eine gefährliche Situation für die Beamten, da er sich hochstemmen könnte oder zum Beispiel auch eine Waffe hervor holen könnte. Daher habe sein Mandant ihn mit dem Schienbein am Kopf auf dem Boden fixiert. „Das wird so gelehrt“, sagte Arnold. Auf den Hals würde ein Beamter niemals drücken.

Ein 15-Jähriger liegt auf dem Boden – ein Polizist kniet auf ihm

Im sozialen Netzwerk Twitter war am Samstagabend ein Video der Szene aufgetaucht. In dem Video liegt der Jugendliche bäuchlings auf dem Boden. Seine Arme sind auf dem Rücken fixiert.

Während ein Polizist auf dem Rücken des Jugendlichen kniet, drückt der betreffende Beamte mit seinem Knie auf Kopf und Genick des jungen Mannes. In dem Video sind zudem Passanten zu hören und vermutlich auch der Filmer selbst. Jemand sagt, „mach das Knie runter, Bruder“ und „das ist nicht lustig“.

Die Szene erinnert an den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd Ende Mai diesen Jahres in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota. Ein US-Polizist hatte mehr als acht Minuten sein Knie auf Floyds Hals gedrückt. Floyd starb – landesweite Proteste und Ausschreitungen erschüttern seither die USA.

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Polizisten waren wegen Randalierern gerufen worden

Die Düsseldorfer Polizei erklärte, man habe erst am Sonntagvormittag Kenntnis über das Video erlangt, das sich rasend schnell über die sozialen Netzwerke verbreitete.

Beamte seien am Sonnabend wegen einer Gruppe von etwa zehn Randalierern zu dem Schnell-Restaurant gerufen worden. Während die Polizisten das Geschehen vor Ort klären und die Personalien aufnehmen wollten, habe gegen 19.30 Uhr der offenbar zunächst unbeteiligte Jugendliche die Beamten angegriffen.

Polizei Duisburg untersucht den Einsatz

Der 15-Jährige habe die Beamten bepöbelt und attackiert und sich nicht fesseln lassen. Daraufhin sei er zu Boden gebracht und dann zur Identifizierung zur Wache mitgenommen worden. Danach wurde er „in die Obhut seiner Erziehungsberechtigten übergeben“, heißt es weiter bei der Polizei.

Das Video werde intensiv analysiert und bewertet – auch im Hinblick auf die Art und Weise des Polizeieinsatzes, heißt es weiter in der Stellungnahme. Und weiter: „Aus Neutralitätsgründen wird die Bearbeitung des Verdachts eines Beamtendeliktes durch das Polizeipräsidium Duisburg geleitet.“

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Der Polizist ist noch jung – aber war sein Vorgehen gerechtfertigt?

Das Innenministerium hatte sich am Montag nach eigenen Angaben bemüht zu klären, ob die Fixierungstechnik aktuell bei der Polizei trainiert wird und wann sie laut den Dienst- und Einsatzvorschriften eingesetzt werden darf. Ein Sprecher sagte, der betreffende Polizeibeamte stehe erst am Anfang seiner Karriere.

Inwieweit die konkrete Situation sein Vorgehen rechtfertige, werde die Polizei Duisburg ermitteln. Je nach Ergebnis der Ermittlungen, könnten sich disziplinarrechtliche Konsequenzen ergeben, hieß es im Ministerium: „Noch aber ist alles offen.“

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Landtag befasst sich mit dem Vorfall

Das Video beschäftigt auch die Landespolitik. Die SPD-Opposition im Landtag beantragte am Montag eine aktuelle Viertelstunde für die Sitzung des Innenausschusses am Donnerstag. Die SPD erwarte in der Sitzung von Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) eine umfassende Stellungnahme sowie erste Ergebnisse der Untersuchungen des Vorfalls durch die Duisburger Polizei, hieß es.

Das Video zeige „verstörende Sequenzen“, so die SPD-Abgeordneten Sven Wolf und Hartmut Ganzke. „Wir hatten gehofft, dass wir solche Bilder nach dem tragischen Tod von George Floyd in Deutschland niemals zu sehen bekommen würden“, betonten die beiden SPD-Landesparlamentarier.

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Innenminister Reul: Knie auf dem Ohr wäre erlaubt

NRW-Innenminister Reul kündigte eine konsequente Aufklärung an. „Auch ich habe mich erschrocken“, sagte Reul am Montag über das Video.

Der Minister erklärte, Knie und Schienbein „auf dem Ohr“ des jungen Mannes wären grundsätzlich durch die Einsatzvorgaben der Landespolizei abgedeckt gewesen. Auf dem Hals wäre dies nicht erlaubt. Was genau in dem Moment passiert sei, müsse daher nun „objektiv geklärt werden“.

Polizeigewerkschaft: Polizei darf diese Technik einsetzen

Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen gibt es keinen Zweifel, dass Beamte bei Festnahmen „in besonderen Situationen Personen auch am Kopf oder am Hals am Boden fixieren dürfen“. Das erklärte ein Sprecher am Montag auf Nachfrage. „Die üblichen Techniken“ setzten jedoch am Becken oder an der Schulter an, sagte der Sprecher: „Der Kopf ist eigentlich tabu.“

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Die betreffende Einsatzsituation hat laut dem GdP-Sprecher insgesamt etwa zwei Minuten gedauert, „von der Ansprache des Randalierers, seiner Festnahme bis zur Abfahrt im Polizeiwagen“.

Twitter-Video hat mehr als eine Million Aufrufe im Netz

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Der Beitrag über den Polizeieinsatz hatte bereits am Montagmorgen bereits über eine Million Aufrufe und wurde inzwischen mehr als 6000 Mal kommentiert und geteilt.

In Frankfurt wurden inzwischen nach einem Einsatz in Sachsenhausen dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Polizisten eingeleitet. Dabei geht es ebenfalls um den Vorwurf von Polizeibrutalität bei einer Festnahme. Nach Angaben der Polizei hatten die Beamten einer alkoholisierten Gruppe einen Platzverweis erteilt und dabei einen 29 Jahre alten Mann „zu Boden gebracht“.

Ein in sozialen Netzwerken kursierendes Handy-Video zeigt Tritte und Schläge. Es solle „zu unzulässiger Gewaltanwendung“ gegen den am Boden liegenden Tatverdächtigen gekommen sein“, hieß es in der Polizeimitteilung dazu. In dieser Phase habe sich der Einsatzleiter eingeschaltet, einen Polizeibeamten zur Seite genommen und den Vorfall später intern gemeldet. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft habe Kenntnis von dem Vorfall, hieß es.

(mit dpa)